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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 4 StR 556/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB § 24 Abs. 1 | |
StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 24. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. Januar 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 3. August 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlichem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von vier Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Das Rechtsmittel hat jedoch mit der Sachbeschwerde Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen fuhr der Angeklagte, der sich Anfang 2004 von seiner Ehefrau getrennt hatte, am Abend des 8. Oktober 2004 durch die D. straße, um seine nunmehr dort wohnende Ehefrau zu kontrollieren. Als der Angeklagte, der mit seinem Pkw eine Geschwindigkeit von 25 bis 35 km/h fuhr, aus einer Entfernung von 20 m seine Ehefrau erkannte, die mit einem Mann auf dem Gehweg stand, flammte seine Eifersucht auf. Er wollte seine Ehefrau "jetzt ernsthaft verletzen" und beschloss, deren Ahnungslosigkeit auszunutzen, um sie mit dem Pkw anzufahren. Dass sie dadurch oder durch einen Sturz auf den gepflasterten Gehweg möglicherweise getötet werden könnte, nahm er billigend in Kauf. Er lenkte seinen Pkw mit dem rechten Vorder- und Hinterreifen über den Randstein auf den Gehweg und steuerte auf seine Ehefrau zu, die etwa 60 cm vom Fahrbahnrand entfernt stand und ihm den Rücken zuwandte. Stoßfänger und Kotflügel vorn rechts stießen mit einer Überdeckung von etwa 10 cm gegen die linke Kniekehle der Ehefrau des Angeklagten. Deren Körper wurde hierdurch in eine Drehbewegung nach rechts versetzt und rollte an der rechten Fahrzeugseite entlang. Die Ehefrau des Angeklagten wurde nach vorn geschleudert und prallte in einer Entfernung von mehreren Metern von der Anstoßstelle unkontrolliert auf das Pflaster des Gehwegs. Sie erlitt einen Bruch des Nasenbeins, Platzwunden im Gesicht und am Kopf, Prellungen sowie ein Schädelhirntrauma ersten Grades.
Der Angeklagte steuerte nach dem Anprall seinen Pkw zurück auf die Fahrbahn, hielt nach wenigen Metern an, stieg aus und lief zurück. Als ihm der Mann, der neben seiner Ehefrau gestanden hatte, zurief: "Bleib' stehen, Du Schwein", flüchtete er in die entgegen gesetzte Richtung. Der Angeklagte rief mit seinem Handy die Polizei an und erklärte, dass er gerade jemanden angefahren habe und, weil er bedroht worden sei, von der Unfallstelle geflüchtet sei. Er folgte der Anweisung, zum Unfallort zurückzukehren, und stellte sich den dort bereits eingetroffenen Polizeibeamten.
II.
Das Urteil hat keinen Bestand.
1. Die Revision beanstandet die Beweiswürdigung zur inneren Tatseite zu Recht. Das Landgericht hat die Annahme, der Angeklagte habe seine Ehefrau verletzen wollen und ihren Tod billigend in Kauf genommen, nicht in rechtlich tragfähiger Weise begründet.
Es hat sich mit der Einlassung des Angeklagten, er habe an seiner Ehefrau ganz nah vorbeifahren wollen, um diese zu erschrecken, und sei dabei zu nahe an sie herangekommen, nur unzureichend auseinandergesetzt. Insbesondere hätten die zur Fahrweise des Angeklagten getroffenen Feststellungen der Erörterung bedurft. Dass der Angeklagte seinen Pkw nur mit dem rechten Vorder- und Hinterreifen auf den Gehweg lenkte, Stoßfänger und rechter Kotflügel die etwa 60 cm neben dem Fahrbahnrand stehende Ehefrau mit einer Überdeckung von etwa 10 cm erfassten und der Angeklagte sein Fahrzeug danach sogleich auf die Fahrbahn zurücklenkte, könnte - jedenfalls für sich genommen - für die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen. Umstände, die gleichwohl den von dem Landgericht gezogenen Schluss zulassen, der Angeklagte habe seine Ehefrau gezielt angefahren, sind nicht dargetan.
Die Erwägungen des Landgerichts zur Gefährlichkeit der Tathandlung sind schon deshalb nicht geeignet, einen direkten Körperverletzungsvorsatz zu belegen, weil sie an die Einlassung des Angeklagten anknüpfen, er habe lediglich nah an seiner Ehefrau vorbeifahren wollen. Das sachverständig beratene Landgericht legt zwar dar, dass ein solches Fahrmanöver nur für einen versierten Fahrer machbar sei, unter den gegebenen Umständen aber nicht für den Angeklagten, der als normaler Autofahrer einzustufen sei. Damit ist nur belegt, dass der Angeklagte die Gefährlichkeit seines Handelns hätte erkennen können und müssen. Dazu, ob der Angeklagte insoweit (bewusst) fahrlässig handelte, oder ob er, was unter den hier gegebenen Umständen nahe liegen kann, mit der Möglichkeit einer Kollision rechnete und diese billigend in Kauf nahm, verhält sich das Urteil jedoch nicht.
2. Im Übrigen musste sich dem Landgericht, soweit es einen Mordversuch angenommen hat, hier im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts nach § 24 Abs. 1 StGB aufdrängen. Nach den bisherigen Feststellungen ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Mordversuch aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Angeklagten unbeendet war und er die weitere Tatausführung mit dem Abstellen des Fahrzeugs freiwillig aufgegeben hat. Auch dann, wenn der Angeklagte, als er zunächst zum Unfallort zurückgehen wollte, davon ausgegangen wäre, er habe seine Ehefrau möglicherweise tödlich verletzt, hätte es der Prüfung bedurft, ob der Angeklagte mit der Benachrichtigung der Polizei die Vollendung der Tat im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB freiwillig verhindert hat oder ob er sich im Sinne des Satzes 2 dieser Vorschrift jedenfalls ernsthaft um deren Verhinderung bemüht hat.
Ende der Entscheidung
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