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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.11.1998
Aktenzeichen: 4 StR 557/98
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 265
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 473 Abs. 4
BtMG § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 557/98

vom 24. November 1998

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 24. November 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 3. Juli 1998

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in zehn Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig ist,

b) im Einzelstrafausspruch im Fall II 9 der Urteilsgründe aufgehoben.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 11 Fällen, davon in 3 Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, und gemeinschaftlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4 Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur in geringem Umfang Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.

2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerde führt lediglich zum Wegfall der Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen im Fall II 9 der Urteilsgründe. Das Landgericht hat in diesem Fall nicht bedacht, daß sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, eine einheitliche Tat bilden (st. Rspr., vgl. BGHSt 30, 28, 31). Eine Bewertungseinheit kommt nicht nur beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sondern bei allen Absatzdelikten in Betracht, also auch beim Veräußern und Abgeben von Betäubungsmitteln; soweit ein und derselbe Güterumsatz Gegenstand der strafrechtlichen Bewertung ist, ist bei Absatzdelikten eine Tat anzunehmen (vgl. BGH NStZ 1996, 93, 94; 1997, 243; StV 1997, 636, 637; BGH, Beschluß vom 28. Juli 1998 - 4 StR 341/98; Zschockelt NStZ 1997, 226 f.; 1998, 238, 239 f., jeweils mit Fällen aus der Rechtsprechung). Der durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I 1302) eingeführte Qualifikationstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, der das vormalige Regelbeispiel eines besonders schweren Falles in § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BtMG a.F. ersetzt hat, ist ein Absatzdelikt, denn er stellt die unerlaubte entgeltliche oder unentgeltliche (vgl. BGH StV 1996, 664) Weiterübertragung von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren durch eine Person über 21 Jahre unter Strafe.

Zwar ist es nicht geboten, festgestellte Veräußerungsakte zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, nur weil die nicht näher konkretisierte Möglichkeit besteht, daß sie ganz oder teilweise aus einem Vorrat stammen (vgl. BGH NJW 1995, 2300; NStZ 1997, 137 und 344; BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 5, 14). Jedoch ist es rechtsfehlerhaft, allein auf die Anzahl der Veräußerungsgeschäfte abzustellen, wenn sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, daß an sich selbständige Umsatzgeschäfte dieselbe Rauschgiftmenge betreffen (vgl. BGH StV 1997, 470). So liegt es hier:

Nach den Feststellungen zum Fall II 9 der Urteilsgründe verkaufte der Angeklagte "in den folgenden vier bis sechs Wochen" nach September/Oktober 1996 dem am 6. November 1978 geborenen Tobias M. 30 Ecstasy-Tabletten auf Kommissionsbasis. Zu den Fällen II 12 bis 15 stellt das Landgericht fest, daß der Angeklagte und sein Schwager das im Tatzeitraum von Anfang November 1996 (die Jahresangabe "1997" auf UA 8 und 9 beruht auf einem offensichtlichen Schreibversehen) bis Dezember 1996 aus den Niederlanden eingeführte Rauschgift an verschiedene Abnehmer weiterveräußerten; an "Tobias M. verkaufte der Angeklagte im Zeitraum Oktober/November 1996 in einem Fall 30 Ecstasy-Tabletten..." Es drängt sich deshalb auf, daß es sich um die im Fall II 9 abgegebenen 30 Ecstasy-Tabletten handelte, jedenfalls aber das in diesem Fall abgegebene Rauschgift aus einer der vom Angeklagten in den Fällen II 12 bis 15 eingeführten Mengen stammte. Dementsprechend ist der als selbständige Tat abgeurteilte Fall II 9 einer dieser vier Taten zuzuordnen, ohne daß dies näherer Aufklärung bedürfte.

Der Senat schließt aus, daß noch weitere, der Annahme einer Bewertungseinheit entgegenstehende Feststellungen getroffen werden können. Er ändert deshalb den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Eine tat-einheitliche Verurteilung wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an einen Minderjährigen in einem der Fälle II 12 bis 15 scheidet insoweit aus, weil die Feststellungen nicht belegen, daß Tobias M. im Tatzeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt war. Für einen Teilfreispruch ist kein Raum (vgl. BGH NStZ 1997, 344).

Die überflüssige Kennzeichnung der Verstöße gegen § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG im Tenor als gemeinschaftlich begangen hat der Senat entfallen lassen (vgl. Kleinknecht/ Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 260 Rdn. 24 m.w.N.). Der Umstand, daß das Landgericht in den Fällen II 12 bis 15 die Abgabe von jeweils mindestens 40 der eingeführten Ecstasy-Tabletten bei 10 Gelegenheiten an den zur Tatzeit 17 Jahre alten Andreas B. nicht auch unter dem Gesichtspunkt des § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. BGH NStZ 1996, 93, 94) gewürdigt hat, beschwert den Angeklagten nicht.

3. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der Einzelstrafe im Fall II 9. Trotz des Wegfalls dieser Einzelstrafe kann die Gesamtfreiheitsstrafe bestehen bleiben. Im Hinblick auf die weiteren Einzelstrafen ist auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender Beurteilung eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.

4. Wegen des nur geringen Erfolges der Revision besteht kein Anlaß, von der Möglichkeit der Kostenfreistellung gemäß § 473 Abs. 4 StPO Gebrauch zu machen.

Ende der Entscheidung

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