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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.11.1998
Aktenzeichen: 4 StR 559/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB, EGStGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und Abs. 4
StGB § 2 Abs. 1
StGB § 3
StGB a.F. § 178
StGB n.F. § 177
StGB § 66 Abs. 3
StGB § 66 Abs. 3 Satz 1
EGStGB n.F. Art. 1a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 559/98

vom

17. November 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. November 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 24. Juni 1998 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes in zwei Fällen (Fälle III 3 und 4 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist sowie

b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "sexuellen Mißbrauchs von Kindern in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und Nötigung sowie in zwei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Während die Schuldsprüche in den Fällen III 1 und 2 der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen, halten sie in den Fällen III 3 und 4 (jeweils Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes) rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Im Falle III 3 (Tatzeit: in der Zeit zwischen dem 3. Juli und dem 4. September 1997) hätte das Landgericht das bis zum 5. Juli 1997 (dem Inkrafttreten des 33. StrÄndG vom 1. Juli 1997, BGBl. I S. 1607, 1608) geltende Recht, das, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 16. Oktober 1998 zutreffend dargelegt hat, für den Angeklagten günstiger ist, anwenden müssen (§ 2 Abs. 1, 3 StGB). Danach käme ein Schuldspruch lediglich wegen sexueller Nötigung (§ 178 StGB a.F.) statt wegen Vergewaltigung in Betracht.

b) In beiden Fällen ist zudem nicht zureichend dargetan, daß der Angeklagte jeweils ein gemäß § 177 StGB n.F. (bzw. § 178 StGB a.F.) qualifiziertes Nötigungsmittel eingesetzt hat. Das festgestellte Entkleiden des Kindes "unter Festhalten" (UA 14, 15) und die Aufforderung, sich auf das Sofa zu legen, verbunden mit der Drohung, daß das Kind "sonst 'Ärger kriegen' würde" (UA 14), reicht hier nicht aus zu belegen, daß der Angeklagte gegen sein Opfer in unmittelbarem Zusammenhang mit sexuellen Handlungen Gewalt angewendet oder er es mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedroht hat (vgl. hierzu BGH NStZ 1992, 587; 1995, 230; StV 1998, 331, 332; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Drohung 8, Gewalt 3, 4; § 178 Abs. 1 Drohung 1, Gewalt 1; Tröndle StGB 48. Aufl. § 178 Rdn. 7 f.). Da - auch zur inneren Tatseite - weitere Feststellungen möglich erscheinen, hebt der Senat in beiden Fällen das Urteil zu neuer Verhandlung und Entscheidung der Sache auf. Bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit der Angeklagte Nötigungsmittel eingesetzt hat, wird auch zu berücksichtigen sein, daß sich das Kind nach der Tat im Falle III 3 wiederum freiwillig in die - ihm fremde - Wohnung des Angeklagten begeben hat, es dort mit dem Angeklagten alleine verblieb und es dann zu der weiteren Tat (III 4) kam (UA 14). 2. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen III 3 und 4 führt zur Aufhebung der entsprechenden Einzelstrafaussprüche. Der Senat hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, weil nicht auszuschließen ist, daß die Höhe dieser Strafen wegen der engen Verknüpfung aller Taten von den Strafen in den Fällen III 3 und 4 beeinflußt ist. Bei der neu vorzunehmenden Strafzumessung für die Fälle III 1 und 2 wird im Hinblick auf den Schuldumfang zu beachten sein, daß Dennis R. zu den Tatzeiten bereits 14 Jahre alt war (UA 11, vgl. UA 26). Die Aufhebung der Einzelstrafen führt auch zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

3. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil § 66 Abs. 3 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160), auf den das Landgericht die Anordnung stützt, nur Anwendung findet, wenn der Täter eine der Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB bezeichneten Art nach dem 31. Januar 1998 begangen hat (Art. 1a Abs. 2 EGStGB n.F.), was hier aber nicht der Fall ist.



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