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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.04.1998
Aktenzeichen: 4 StR 57/98
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 149
StPO § 149

Zur unbefristeten Anordnung der Überwachung aller Gespräche des Angeklagten mit dem nach § 149 StPO zugelassenen Beistand

BGH, Urt. vom 23. April 1998 - 4 StR 57/98 - LG Dortmund


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 StR 57/98

vom

23. April 1998

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. April 1998, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Meyer-Goßner als Vorsitzender,

die Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Kuckein, Athing, Dr. Ernemann als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 18. Juni 1997 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen "schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schußwaffe", zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

I. Die Verfahrensrügen sind unbegründet. Ihnen liegt folgendes zugrunde:

1. Der Vorsitzende der Strafkammer hatte die Ehefrau des Angeklagten am ersten Verhandlungstag antragsgemäß nach § 149 StPO als Beistand zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte seit mehr als sechs Monaten ununterbrochen in Untersuchungshaft.

a) Vor dem zweiten Verhandlungstag beantragte Rechtsanwalt G. - einer der beiden Pflichtverteidiger des Angeklagten - "namens und in Vollmacht der als Beistand zugelassenen Ehefrau", ihr ein wöchentliches Besuchsrecht von zwei Stunden ohne Überwachung zu bewilligen. Am zweiten Verhandlungstag beantragte er, dem Beistand zu gestatten, ohne Überwachung mit dem Angeklagten in den Verhandlungspausen und in der Justizvollzugsanstalt sprechen zu dürfen. Mit Anordnung vom 14. November 1996 lehnte der Vorsitzende die Einräumung eines wöchentlichen Besuchsrechts von zwei Stunden ohne Überwachung ab und gestattete auch in den Verhandlungspausen nur überwachte Gespräche: Die Überwachung sämtlicher Gespräche sei wegen der im Haftbefehl der Strafkammer angenommenen Verdunkelungsgefahr geboten (§§ 112 Abs. 2 Nr. 3, 119 Abs. 3 StPO); eine Ausdehnung des Besuchsrechts auf zwei Stunden wöchentlich könne - wegen der erforderlichen Überwachung durch Beamte des zuständigen Kriminalkommissariats und der gebotenen Gleichbehandlung aller Untersuchungsgefangenen - nicht gewährt werden. Die Strafkammer wies die gegen die Anordnung gerichtete Beanstandung noch am selben Tag als unzulässig zurück. Der Beschwerde des Angeklagten half der Vorsitzende mit näherer Begründung nicht ab; das Oberlandesgericht Hamm verwarf das Rechtsmittel als unbegründet. Die als Beistand zugelassene Ehefrau gab in der 40tägigen Hauptverhandlung keine Erklärungen ab.

b) Mit Telebrief vom 15. November 1996 hatte der Vorsitzende die Ehefrau des Angeklagten über die ersten 20 Verhandlungstage informiert, wobei das Schreiben mit dem Zusatz "...und dann jeden Mittwoch, 9.00 Uhr Saal 129" endete. Am 28. Mai 1997 gab der Vorsitzende in ihrer Abwesenheit die Fortsetzungstermine vom 4., 11. und 18. Juni 1997 (jeweils ein Mittwoch) bekannt. Am 4. Juni 1997 bestimmte er - ebenfalls in ihrer Abwesenheit - den 5. Juni 1997 als nächsten Verhandlungstag. An diesem Tag erstattete der psychiatrische Sachverständige sein Gutachten; ferner wurden u.a. die Vorstrafen des Angeklagten erörtert.

2. Vergeblich macht die Revision geltend, die als Beistand zugelassene Ehefrau des Angeklagten habe mangels Terminsmitteilung an den Sitzungen am 4., 5. und 11. Juni 1997 nicht teilnehmen können. Die auf den 4. und 11. Juni 1997 bestimmten Fortsetzungstermine waren nämlich von dem Zusatz auf der schriftlichen Terminsmitteilung vom 15. November 1996 umfaßt, Uhrzeit und Ort der Sitzung trafen zu. Der Senat sieht auch im Hinblick auf den Termin am 5. Juni 1997 keinen durchgreifenden Rechtsfehler:

Nach § 149 Abs. 1 Satz 2 StPO sollen dem Beistand zwar Zeit und Ort der Hauptverhandlung rechtzeitig mitgeteilt werden. Eine förmliche Ladung ist aber nicht erforderlich (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 149 Rdn. 4; Lüderssen in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 149 Rdn. 7). Nach überwiegender Auffassung ist der Vorschrift jedoch eine revisible Mitteilungspflicht zu entnehmen (Julius in HK-StPO § 149 Rdn. 7; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 149 Rdn. 5; Lüderssen aaO § 149 Rdn. 19; Pfeiffer/Fischer StPO § 149 Rdn. 3; Eb. Schmidt Lehrkommentar zur StPO Teil II § 149 Rdn. 4 f.; Stern in AK-StPO § 149 Rdn. 14; vgl. ferner RG JW 1925, 371; 1931, 1366 f.; a.A. Dünnebier in Löwe/Rosenberg StPO 23. Aufl. § 149 Rdn. 17; Warda, Dogmatische Grundlagen des richterlichen Ermessens [1962] S. 100). Ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers ist insoweit allerdings nicht zu ermitteln: In den Motiven zu § 132 des Entwurfs einer StPO - des späteren § 149 StPO - wird die Terminsnachricht - ohne ausdrückliche Regelung - dem richterlichen Ermessen überlassen (Hahn, Die gesamten Materialien zu der StPO, 2. Aufl. S. 145). Die Bestimmung des § 149 Abs. 1 Satz 2 StPO ist mit Blick auf den Ehegattenbeistand - früheren gesetzgeberischen Vorarbeiten folgend (vgl. Köhler FamRZ 1955, 239, 240) - erst durch das Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. September 1950 (BGBl I 455) eingefügt worden. Weder die Begründung des 1. (sog. Unkeler) Entwurfs (S. 40) noch des 2. Entwurfs (BTDrucks. I/530 Anl. I a S. 40) gehen auf die Streitfrage näher ein.

Der Senat braucht dazu keine Entscheidung zu treffen, da nach Lage des hier zu entscheidenden Falles - der Vorsitzende bestimmte kurzfristig einen weiteren Fortsetzungstermin am nächsten Tag - die Bekanntgabe des Termins am 4. Juni 1997 in Anwesenheit des Rechtsanwalts G. genügte. Dieser war, wie die Revision selbst vorträgt, "namens und in Vollmacht der als Beistand zugelassenen Ehefrau" tätig geworden (vgl. BGHSt 4, 205, 206). Zwar bestehen angesichts der familienrechtlichen Grundlage der Stellung jedenfalls des Ehegattenbeistandes (BGH aaO; RG5t 22, 198, 199; Lüderssen aaO § 149 Rdn. 3 und 18; H. Müller in KMR § 149 Rdn. 2) Bedenken gegen die Annahme, der Beistand könne sich vertreten lassen (so aber Laufhütte in KK-StPO 3. Aufl. § 149 Rdn. 2; Pfeiffer/Fischer StPO § 149 Rdn. 2). Nach der für diese Auffassung in Anspruch genommenen Entscheidung (BGH, Urteil vom 21. Februar 1978 - 1 StR 624/77, auszugsweise wiedergegeben bei Holtz MDR 1978, 626) kann der Beistand lediglich - gleich einem Zeugen - einen Anwalt "zu seiner Unterstützung" zuziehen (so auch Julius aaO § 149 Rdn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 149 Rdn. 3; Lüderssen aaO § 149 Rdn. 5; Stern aaO § 149 Rdn. 10; Kaum, Der Beistand im Strafprozeßrecht, Diss. 1992 5. 74 f.). In der hier gegebenen prozessualen Situation bestand die Unterstützung aber gerade in der Entgegennahme der Terminsmitteilung für den Beistand. Auch dessen Anwesenheitsrecht (vgl. Kaum aaO S. 61) wurde daher nicht verletzt.

3. Die weiteren Verfahrensrügen sind ebenfalls unbegründet.

a) Die Ablehnung unüberwachter Besuche des Ehegattenbeistands in der Justizvollzugsanstalt sowie unüberwachter Gespräche in den Verhandlungspausen ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden:

aa) Nach § 149 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Ehegatte eines Angeklagten in der Hauptverhandlung als Beistand zuzulassen (vgl. OLG Köln VRS 90, 53, 54) und auf sein Verlangen zu hören. Der Beistand ist als - in der Regel - natürlicher Vertrauter Fürsprecher des Angeklagten in der Hauptverhandlung, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Sache Stellung nehmen darf (BGH, Urteil vom 21. Februar 1978 - 1 StR 624/77, auszugsweise wiedergegeben bei Holtz MDR 1978, 626; Roxin, Strafverfahrensrecht 24. Aufl. § 19 f. Rdn. 74; Rüping, Das Strafverfahren 3. Aufl. Rdn. 142). Daß der Ehefrau des Angeklagten die Gelegenheit zur Stellungnahme vorenthalten worden wäre, ergibt der Revisionsvortrag nicht.

bb) Durch die Anordnung des Vorsitzenden nicht berührt wurden die Rechte des Beistands auf Teilnahme an der Hauptverhandlung, auch neben einem Verteidiger und in Anwesenheit des Angeklagten, und auf Anhörung sowie sein Fragerecht (letzteres spricht BayObLGSt 1997, 165 entgegen der ganz h.M. im Schrifttum - vgl. nur Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 240 Rdn. 3 m.w.N. - neuerdings jedoch dem Beistand ab).

cc) Auch das Recht des Beistands, den Angeklagten zu beraten (BGH, Urteil vom 21. Februar 1978 - 1 StR 624/77, auszugsweise wiedergegeben bei Holtz in MDR 1978, 626; OLG Düsseldorf NJW 1997, 2533; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 149 Rdn. 3; Lüderssen aaO § 149 Rdn. 5a; Stern aaO § 149 Rdn. 10; Kramer Jura 1983, 113, 116), ist nicht verletzt worden. Zwar beeinträchtigte die Anordnung des Vorsitzenden die Beratungsfunktion des Beistands - einen Schwerpunkt seiner verfahrensrechtlichen Stellung (Kaum aaO S. 71 f.). Dem offenen Gespräch über alle Fragen, die der Angeklagte in vertrauensvollem Gedankenaustausch mit seiner Ehefrau erörtern wollte, wirkte die Überwachung durch sachkundige, die Ermittlungen führende Beamte der Kriminalpolizei entgegen. Dem Angeklagten wurde die Gewißheit genommen, daß der Inhalt der Beratungsgespräche nicht ohne seinen Willen (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) und den seiner Ehefrau (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO) offenbar werden kann. Der inhaftierte Angeklagte hat aber nicht das nur in § 148 Abs. 1 StPO im Hinblick auf den Verteidiger gewährte Recht auf ungehinderten, insbesondere unüberwachten schriftlichen und mündlichen Verkehr mit seinem Beistand (Julius aaO § 148 Rdn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 148 Rdn. 3; Lüderssen aaO § 148 Rdn. 6, § 149 Rdn. 5a; Pfeiffer/Fischer StPO § 148 Rdn. l; Stern aaO § 148 Rdn. 3). Auch aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. b MRK läßt sich kein uneinschränkbares Recht herleiten, mit anderen Personen als dem gewählten oder bestellten Verteidiger zur Vorbereitung der Verteidigung unbeaufsichtigt zu verkehren (Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24, Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 178).

Die daher gemäß § 119 Abs. 3 StPO, § 176 GVG generell zulässige Anordnung des Vorsitzenden, mit der er die Einräumung eines wöchentlichen Besuchsrechts von zwei Stunden - und, wie sich aus der Begründung ergibt, unüberwachte Besuche überhaupt - sowie unbeaufsichtigte Gespräche in den Verhandlungspausen ablehnte, verletzte die Beratungsfunktion des Beistands nicht. Zu Recht hat der Vorsitzende die Gespräche nicht völlig untersagt (vgl. auch KG NStZ 1992, 558; OLG Hamm StV 1996, 325, 326; OLG Bremen StV 1998, 33; OLG Hamburg StV 1998, 34). Seine Maßnahme enthielt vielmehr - mit Blick auf das frühe Stadium der Hauptverhandlung - die zur Wahrung des Zwecks der Untersuchungshaft unvermeidlichen (vgl. BVerfG NJW 1976, 1311), aber auch ausreichenden Beschränkungen. Zu deren inhaltlicher Ausgestaltung hat er den im Haftbefehl der Strafkammer vom 19. August 1996 - neben Fluchtgefahr - angenommenen Haftgrund der Verdunkelungsgefahr herangezogen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 119 Rdn. 12; Lüderssen aaO § 149 Rdn. 13). In seiner Anordnung und seiner Nichtabhilfeentscheidung hat er mit konkreten Anhaltspunkten (vgl. Kruis/Cassardt NStZ 1995, 522) - unter Beachtung der Rechte des Angeklagten aus Art. 6 und Art. 2 GG - eingehend und rechtsfehlerfrei den dringenden Verdacht der Erschwerung der Wahrheitsfindung belegt(§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO; vgl. auch zum Besuchsrecht des Ehegatten BVerfG NStZ 1994, 52; 1996, 613). Die weitgehend hypothetischen Erwägungen der Revision vermögen die sorgfältig begründete Verdunkelungsgefahr nicht auszuräumen; sie verkennen, daß eine jeden Zweifel ausschließende Gewißheit nicht erforderlich war. Auf die Frage, ob der Vorsitzende zu Recht zusätzlich auf den Grundsatz der gleichen Behandlung aller Untersuchungsgefangenen abgestellt hat (vgl. BVerfG NStZ 1994, 604 mit Anm. Rotthaus; Kruis/Cassardt NStZ 1995, 522, 523 zum Ehegattenbesuch) kommt es daher nicht an.

b) Allerdings ist durch die Aufrechterhaltung der akustischen Überwachung der Besuche und Gespräche über den Schluß der Beweisaufnahme hinaus der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren verletzt worden. Dies gebot die Zulassung nicht akustisch überwachter Besuche und Gespräche, nachdem der Vorsitzende die Beweisaufnahme geschlossen hatte. Auf diese Weise wird das Spannungsverhältnis zwischen der in § 149 StPO angelegten Rechtsstellung des Beistandes und dem vom Gericht angenommenen Haftgrund unter voller Wahrung der verfahrenssichernden Funktion der Untersuchungshaft aufgelöst (vgl. Roxin aaO § 11 Rdn. 11; D. Steiner, Das Fairneßprinzip im Strafprozeß, Diss. 1995 S. 179 ff.).

aa) Solange gemäß § 119 Abs. 3 StPO die - auch akustische - Überwachung zur Sicherung des Zwecks der Untersuchungshaft geboten ist, können Angeklagter und Beistand keine unüberwachten Besuche und Gespräche verlangen. Dies mag in Fällen der Wiederholungsgefahr (§ 112 a StPO) eher selten, in Fällen der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) bei entsprechenden konkreten Anhaltspunkten noch nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils anzunehmen sein. Beim Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO), auf den allein. der Vorsitzende zur Begründung seiner Entscheidung abgestellt hatte, ist die Frage vornehmlich mit Blick auf die fortschreitende Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu entscheiden. Solange der Haftgrund besteht, wird die Überwachung während laufender Beweisaufnahme im allgemeinen naheliegen. Die Verfahrenslage wird sich jedoch regelmäßig anders darstellen, wenn der Vorsitzende die Beweisaufnahme schließt. Damit sind - vorbehaltlich der abschließenden Beratung des Gerichts - alle erforderlichen Beweise erhoben, der Sachverhalt ist nach Auffassung des Vorsitzenden bis zur Entscheidungsreife geklärt. Liegen keine (hier jedenfalls nicht erkennbare) besonderen Umstände vor, entspricht es daher fairer Verfahrensgestaltung, nunmehr Besuche und Gespräche zwischen Angeklagtem und Beistand ohne akustische Überwachung zuzulassen.

Dieses Ergebnis folgt zudem aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. b MRK, wenn man dieser Norm ein Recht des Angeklagten darauf entnimmt, daß die staatlichen Kontrollorgane in die Vorbereitung der Verteidigung - auch durch Kontakt mit anderen Personen als dem Verteidiger - nicht ohne schwerwiegenden rechtfertigenden Grund und nicht länger als dafür unbedingt erforderlich eingreifen dürfen (so Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl, Art. 6 MRK Rdn. 178; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Februar 1998 - 3 StR 490/97 - zum Abdruck in BGHSt bestimmt).

bb) Der Senat kann allerdings ausschließen, daß das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Die Rechtsprechung hat zwar früher mehrfach - bei jeweils etwas anders gelagertem Sachverhalt - das Beruhen nicht zu verneinen vermocht, weil ein Einfluß des Beistands auf das Urteil möglich erschien (RGSt 5, 50, 52; 22, 198, 200; 38, 106, 107; RG GA Bd. 50 [1903], 120; BGHSt 4, 205, 207; so auch Lüderssen aaO § 149 Rdn. 19). Es kann aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Angeklagte durch seine beiden Pflichtverteidiger umfassend Gelegenheit zur Verteidigung hatte (vgl. RG JW 1916, 857), zumal die Aufgabe, in das Prozeßgeschehen einzugreifen, dem Verteidiger und nicht dem Beistand zukommt (so zutr. BayObLGSt 1997, 165, 166 unter Abgrenzung zum Beistand nach § 69 JGG). Die Revision legt auch nicht substantiiert dar (vgl. BGHSt 30, 131, 135; BGH N5tZ 1996, 400), was der Beistand konkret vorgetragen hätte, wenn die akustische Überwachung der Besuche und Gespräche nach Schluß der Beweisaufnahme aufgehoben worden wäre. Im übrigen hat der Beistand hier während der gesamten 40tägigen Hauptverhandlung keine Notwendigkeit gesehen, eine Erklärung abzugeben. Die von der Ehefrau des Angeklagten - wie die Revision behauptet an 31 Verhandlungstagen - miterlebte Beweisaufnahme gab ihr keinen Anlaß, die Erteilung des Wortes zu verlangen. Auch am Tag der Urteilsverkündung sah sie keine Veranlassung, noch Stellung zu nehmen. Daß sie zuvor an sechs Terminen in Folge der Hauptverhandlung fernblieb, unterstreicht, daß sie keinen Anlaß zur weiteren Ausübung ihrer Beistandsfunktion sah. Der Hinweis der Revision auf die Tatsache der Überwachung allein genügte hier deshalb nicht.

Daran würde sich auch unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 8 StPO (vgl. BayObLGSt 1997, 165) nichts ändern, weil es an dem hierfür erforderlichen konkret-kausalen Zusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Urteil (BGHSt 30, 131, 135; BGH NStZ 1982, 158, 159; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 338 Rdn. 58; Maiwald in AK-StPO § 338 Rdn. 38; a.A. Pikart in KK-StPO 3. Aufl. § 338 Rdn. 101; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 338 Rdn. 125; Baldus in Ehrengabe für Heusinger 1968 S. 379 f.; Gillmeister NStZ 1997, 44 f.) fehlen würde.

c) Die Revision sieht schließlich einen Rechtsfehler darin, daß die Strafkammer die Beanstandung der Anordnung des Vorsitzenden vom 14. November 1996 gemäß § 238 Abs. 2 StPO als unzulässig zurückgewiesen hat. Die Anordnung betraf die konkrete Ausgestaltung der Untersuchungshaft und das Verhalten des Angeklagten in kürzeren Verhandlungspausen. Gegen solche Anordnungen kann grundsätzlich das Kollegialgericht nicht angerufen werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 126 Rdn. 11; § 176 GVG Rdn. 16; H. Müller in KMR § I26 Rdn. 12; Mayr in KK-StPO 3. Aufl. § 176 GVG Rdn. 7; K, Schäfer/Wickern in Löwe/Rosenberg 24. Aufl. § I76 GVG Rdn. 2, 45). Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob hier die Anordnung ausnahmsweise der Sachleitung zuzurechnen war, weil sie den Angeklagten in seinem Verteidigungsinteresse beschwert hatte, indem sie in die Stellung des Beistands, insbesondere dessen Beratungsfunktion, eingriff (vgl. zur Beschwer als maßgeblichem Abgrenzungskriterium Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 238 Rdn. 12 f.; Treier in KK-StPO 3. Aufl. § 238 Rdn. 6; Erker, Das Beanstandungsrecht gemäß § 238 Abs. 2 StPO [1988] S. 51 ff.; Gollwitzer aaO § 238 Rdn. 21 bis 23; vgl. auch BGHSt 17, 201 und Schlüchter in SK-StPO § 238 Rdn. 11, 21, 22). Auch hierauf würde die Entscheidung nicht beruhen: Die Fehlerhaftigkeit eines nach § 238 Abs. 2 StPO ergangenen Beschlusses begründet für sich allein nicht die Revision; anders verhält es sich nur, wenn auch die beanstandete Maßnahme des Vorsitzenden unzulässig ist (so BGH bei Dallinger MDR 1955, 397 für den Fall einer verzögerten, RG JW 1924, 467 im Falle einer unterbliebenen Entscheidung; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 238 Rdn. 23). Dies war im Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer - wie ausgeführt - jedoch nicht der Fall.

II. Auch die Sachbeschwerde ist unbegründet.

Soweit der Angeklagte die Annahme des Landgerichts beanstandet, er hätte den - von ihm gebilligten - weiteren Einsatz des Messers gegen Nedzad L. verhindern können, versucht er lediglich, die Wertung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen; damit kann er im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Seine Einwendungen gegen die Heranziehung des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung (vgl. jetzt § 250 Abs. 2 Nr. 1 und 3 a StGB i.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 - BGBl I 164) übersieht, daß er selbst im Rahmen der nach den Feststellungen ohne rechtlich bedeutsame Zäsur sukzessive ausgeführten schweren räuberischen Erpressung (vgl. BGHSt 41, 368; BGH StV 1998, 70) dem Dzevad L. (vgl. BGH NStZ 1985, 408; 1987, 222; 1996, 494) ein Messer drohend an den Hals gehalten hat.

Ende der Entscheidung

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