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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.01.2007
Aktenzeichen: 4 StR 603/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. | |
StPO § 358 Abs. 1 | |
StGB § 21 | |
StGB § 63 | |
StGB § 69 | |
StGB § 69 a |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 30. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Januar 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 13. September 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts Stendal zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 30. Juli 2004 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in einem weiteren Fall und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; ferner hatte es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat durch Beschluss vom 4. Januar 2005 - 4 StR 529/04 - das angefochtene Urteil unter Verwerfung der Revision im Übrigen im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Nunmehr hat das Landgericht erneut die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte wiederum mit der Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensbeschwerde nicht bedarf.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB hält wiederum der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zwar hat das Landgericht sich - durch einen weiteren psychiatrischen Sachverständigen beraten - erneut davon überzeugt, dass der Angeklagte, wie dies auch schon der Gutachter in der ersten Hauptverhandlung angenommen hatte, an einer "massiven paranoiden Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Anteilen mit Krankheitswert" leidet, auf Grund derer er die abgeurteilten Straftaten zum Nachteil seiner Ehefrau begangen hat und die "bis heute unvermindert" vorliegt. Das Landgericht hat dazu nachvollziehbar dargelegt, daß sich die Gedankenwelt des Angeklagten vor dem Hintergrund des Ehekonflikts immer mehr im Sinne eines "zwanghaften Dranges" darauf ausrichtete, seine Ehefrau für das ihr angelastete Auseinanderleben zu "bestrafen", so dass er in seiner Freizeit schließlich weder auf sich selbst noch auf seine Töchter oder mögliche Zeugen seiner Angriffe Rücksicht nahm. Solche Umstände können regelmäßig die Erhaltung voller Schuldfähigkeit in Frage stellen (zur "fixen Idee" vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25). Gleichwohl genügen die Ausführungen der Strafkammer zur Persönlichkeitsstörung des Angeklagten und der das Gutachten des Sachverständigen tragenden fachlichen Begründung nach wie vor nicht den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an die Feststellung eines die Anordnung der zeitlich unbefristeten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigenden überdauernden Zustands zumindest erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagten zu stellen sind (vgl. zur Maßregelanordnung nach § 63 StGB in einem Fall von "stalking" BGH StraFo 2004, 390 f.), wie sie der Senat in seinem Aufhebungsbeschluss vom 4. Januar 2005 im vorliegenden Fall noch einmal näher dargelegt und damit für das weitere Verfahren gemäß § 358 Abs. 1 StPO bindend vorgegeben hat.
Zu Recht beanstandet die Revision insbesondere, dass das Urteil es bei der Annahme der Krankheitswertigkeit der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung an Feststellungen fehlen lässt, die belegen, dass es auf Grund des Zustandes des Angeklagten auch im Alltag außerhalb der Straftaten zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist. Im Gegenteil haben Freunde, Bekannte und Kollegen den Angeklagten - "an sich glaubhaft" - als stets zuverlässig und ruhig beschrieben, den sie nie als gewalttätig oder aggressiv erlebt haben, sondern vielmehr als einen Menschen, der auch als geselliger Mensch beliebt war, der sich intensiv um seine Familie kümmerte und bis zuletzt auch seine beruflichen Anforderungen erfüllte. Auch später, als die Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten im Vorfeld der Taten zunahmen, bekam niemand aus dem Bekannten- und Freundeskreis des Angeklagten, auch nicht seine Kollegin und "zwischenzeitliche Partnerin", Frau K. , etwas von den Nachstellungen und Übergriffen gegenüber seiner Ehefrau mit. Seinen Kollegen fiel nicht einmal eine Wesensveränderung bei dem Angeklagten auf. Soweit das Landgericht - mit dem Sachverständigen - darin lediglich eine "Fassade" und einen Beleg für die aufrecht erhaltende Fähigkeit des Angeklagten zu "oberflächlichem Zweckverhalten" sieht und annimmt, gleichwohl sei die diagnostizierte paranoide Persönlichkeitsstörung, die später nach dem Auseinanderleben der Eheleute "zu einem bestimmenden Faktor für die Gedankenwelt" des Angeklagten geworden sei, von überdauernder Natur und "müsse" schon vor dem Jahr 2000, als der Angeklagte noch in einer intakten Familie gelebt habe, vorhanden gewesen sein, ist dies nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Soweit das Landgericht - auch hier dem Sachverständigen folgend - zur Begründung anführt, der Angeklagte habe schon immer die Neigung gehabt, seine Ehefrau für eigene Fehlleistungen verantwortlich zu machen und als Begründung darauf verweist, "dass der Angeklagte auch während der intakten Ehe beispielsweise regelmäßig seiner Frau die Schuld gegeben habe, wenn sich die Familie im Urlaub verfahren habe", vermag dies ersichtlich einen irgendwie gearteten "krankhaften" Zustand nicht zu begründen.
Ebenso wenig hat das Landgericht für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass eine überdauernde krankheitswertige Persönlichkeitsstörung des Angeklagten darin zu finden sei, dass der Angeklagte unverrückbar seiner früheren Ehefrau allein die Schuld an seiner Situation zuweist und sie auch weiterhin letztlich für das hier abgeurteilte Tatgeschehen verantwortlich macht. Dabei kann dahinstehen, ob der Angeklagte, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. nach der Nachexploration des Angeklagten in seinem ergänzenden Gutachten von August 2006 zunächst in Übereinstimmung mit dazu von der Strafkammer gehörten Freunden und Bekannten des Angeklagten meinte, sich doch mit seiner Tat auseinandergesetzt und dabei "eigene schuldhafte Anteile beim Zustandekommen seiner Tat formuliert" hat, oder ob er sich letztlich - wie der Sachverständige nach Anhörung des Anstaltspsychologen und der Sozialpädagogin der JVA über das Verhalten des Angeklagten im Rahmen des in der Haft durchgeführten Anti-Gewalt-Trainings und des Deliktsaufarbeitungskurses in Abweichung von seinem Ergänzungsgutachten äußerte - doch nicht schuldeinsichtig zeigt und nie von der Gewalttat distanziert hat, sondern weiterhin der Geschädigten die jedenfalls überwiegende Verantwortung für diese Tat und seine eigene als unbefriedigend empfundene Lebenssituation zuweist. Denn auch wenn letzteres zutrifft, mag dies zwar dafür sprechen, dass der Angeklagte seinen eigenen Anteil an dem Auseinanderleben in der Ehe nicht sehen will oder verharmlost. Zum einen hat das Landgericht dabei aber nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Angeklagte sich anfänglich zu Unrecht von seiner Ehefrau im Zusammenhang mit seiner Kollegin K. der ehelichen Untreue verdächtigt fühlte. Im Übrigen ist eine Abwehr eines Schuldeingeständnisses, selbst wenn damit der Täter letztlich Ursache und Wirkung vertauscht, nicht ungewöhnlich, sondern eher eine normalpsychologisch erklärbare Reaktion, durch die sich ein Täter, der sich der Verantwortung für seine Tat nicht stellt, entlasten will.
Vor diesem Hintergrund musste das Landgericht auch den Hass, mit dem der Angeklagte seine Ehefrau verfolgte, bewerten. Nicht zu Unrecht macht die Revision geltend, dass es sich auch bei Hass grundsätzlich - nicht anders als bei dem gegenteiligen Gefühl der Liebe - um ein Gefühl aus der normalen Bandbreite menschlichen Empfindens handelt. Dass die Intensität, mit der der Angeklagte seine Ehefrau verfolgte, und die Übergriffe des Angeklagten schon im Vorfeld des abgeurteilten Tatgeschehens ebenso wie das Tatgeschehen selbst maßlos waren, genügt für sich für eine andere Bewertung noch nicht. Insbesondere belegt dies für sich genommen angesichts des nach den bisherigen Feststellungen außerhalb des ehelichen Konflikts ersichtlich völlig intakten Sozialverhaltens des Angeklagten auch nicht eine derartig schwerwiegende allgemeine Einschränkung seiner Handlungskompetenz, wie sie die positive Feststellung eines überdauernden Zustands vom Schweregrad des § 21 StGB voraussetzt.
Auch wenn das Landgericht den Angeklagten in Übereinstimmung sowohl mit dem jetzigen und dem früheren Sachverständigen als auch mit dem gehörten JVA-Personal nach wie vor für gefährlich gegenüber seiner früheren Ehefrau hält, bedarf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Maßregelanordnung nach § 63 StGB mit Blick auf den Zustand des Angeklagten gleichwohl erneuter Prüfung und Entscheidung.
3. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch und verweist die Sache an das Landgericht Stendal zurück.
Ende der Entscheidung
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