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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.10.1999
Aktenzeichen: 4 StR 78/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 260 Abs. 3 | |
StPO § 154 Abs. 1 | |
StPO § 467 Abs. 1 | |
StPO § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 | |
StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4 | |
StGB § 78 Abs. 4 | |
StGB § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
21. Oktober 1999
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Oktober 1999, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kuckein, Athing,
die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann als beisitzende Richter,
Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 31. August 1998 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Die Entscheidung über die Entschädigung des Angeklagten wegen erlittener Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht Bielefeld vorbehalten.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen tateinheitlich begangenen vierfachen Betruges" zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Seine Revision hat Erfolg, weil die Strafverfolgung verjährt ist (§ 260 Abs. 3 StPO).
1. Nach dem angefochtenen Urteil liegt dem Angeklagten zur Last, er habe vier Beteiligungsgesellschaften verschiedener deutscher Großbanken durch die Vorspiegelung einer soliden Ertragslage zu atypischen stillen Beteiligungen in Höhe von insgesamt 30 Millionen DM am Kapital der B. AG - der Muttergesellschaft des Konzerns - betrügerisch geschädigt. Insoweit begann die fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB gemäß § 78 a StGB mit dem Erbringen der Einlagen am 11. Dezember 1989 (vgl. Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 78 a Rdn. 2); als früheste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung kommt erst der nach Ablauf der Frist erlassene Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts Bielefeld vom 7. September 1995 in Betracht (Bl. 475 III).
a) Gegen den Angeklagten ist aufgrund einer Vernehmung des gesondert verfolgten Klaus Sch. im Verfahren 6 Js 415/92, in dem der Angeklagte lediglich als Zeuge vernommen worden war (was zur Unterbrechung nicht ausreicht, vgl. Jähnke in LK StGB 11. Aufl. § 78 c Rdn. 6 m.w.N.), am 18. August 1994 ein gesondertes Ermittlungsverfahren wegen Betruges zum Nachteil der Firma P. eingeleitet worden. Gegenstand des Vorwurfs war die Vorfinanzierung von nicht oder noch nicht existenten Forderungen ausländischer Tochterunternehmen der B. AG im Wege des Factoring. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß in der für die Verjährung maßgeblichen Frist der Betrug zum Nachteil der Beteiligungsgesellschaften in die strafrechtlichen Ermittlungen einbezogen worden ist; im Vermerk des Wirtschaftsreferenten der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 23. August 1994 (Bl. 156 I) wird er nicht erwähnt. Der Umstand allein, daß die Beteiligungen in verschiedenen, in Ablichtung zum vorliegenden Verfahren genommenen Unterlagen beiläufig Erwähnung fanden - etwa in der (ursprünglich) anonymen Anzeige des Angeklagten, in dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vom 10. Januar 1994 sowie in den Protokollen der Aufsichtsratssitzungen vom 24. Mai 1989 und vom 21. September 1989 (Bl. 36 I, 87 I, 191 I, 195 I) -, genügt nicht; die Veranlassung der geschädigten Gesellschaften, sich an der B. AG zu beteiligen, ist - wie dem Akteninhalt eindeutig zu entnehmen ist - zunächst nicht als mögliche Tathandlung des Angeklagten erkannt sowie zum Gegenstand der Ermittlungen gemacht und daher auch nicht vom Verfolgungswillen der Strafverfolgungsorgane umfaßt worden (vgl. BGH NStE Nr. 5 zu § 78 c StGB; BGH, Urteile vom 27. Januar 1965 - 2 StR 53/64 und vom 21. Juni 1978 - 2 StR 165/78; vgl. ferner BGH wistra 1991, 272, 273; StV 1993, 71, 72; BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Handlung 1, 3; Jähnke aaO § 78 c Rdn. 8; Schäfer, Festschrift für Dünnebier [1982] S. 545, 548):
b) Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 25. August 1994 betraf die betrügerische Schädigung der Firma P. und den Verdacht des Betrugs zum Nachteil der kreditgewährenden Hausbanken der B. AG, d.h. der D. B. , der Dr. B. und der B. V. . Weiter reichten auch der am gleichen Tag erlassene (formelhafte) Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluß, die Bestätigung einer Beschlagnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft durch weiteren Beschluß vom 9. September 1994 sowie die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung dieses Beschlusses am 21. Oktober 1994 nicht (Bl. 298 II, 325 II, 370 II). Ebenso kann in den Erörterungen der Sach- und Rechtslage mit den Verteidigern des Angeklagten am 12. Oktober 1994 und am 25. November 1994 (Bl. 352 II, 397 II) keine Bekanntgabe der Einleitung eines auf den Betrug zum Nachteil der Beteiligungsgesellschaften gerichteten Ermittlungsverfahrens gemäß § 78 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB gesehen werden (vgl. BGH wistra 1992, 253, 255; BGHR StGB § 78 c Abs. 1 Nr. 1 Anordnung 1; Jähnke aaO § 78 c Rdn. 21). Dies wird ferner durch die Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 17. und 26. Oktober 1994 (Bl. 367 II, 383 II) bestätigt, mit denen dem Angeklagten - ersichtlich umfassend - Gelegenheit gegeben werden sollte, zu den damals gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen; der Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der Beteiligungsgesellschaften findet darin keine Erwähnung.
Daß die Ermittlungen erst nach Ablauf der Verjährungsfrist auf diesen Vorwurf ausgeweitet wurden, zeigt auch die vom Haftbefehl abweichende Fassung des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses vom 7. September 1995, in dem der Betrug zum Nachteil der "Beteiligungsgesellschaften verschiedener deutscher Großbanken" deutlich von der anderen, gegen die "kreditgebenden Hausbanken" gerichteten Tat unterschieden wird.
c) Dies hat wohl auch das Landgericht erkannt. Es ist jedoch der Ansicht (vgl. UA 112), ein - nicht ausgeurteilter - Betrug zum Nachteil der kreditgebenden Hausbanken stünde in Tateinheit mit der betrügerischen Schädigung der Beteiligungsgesellschaften, so daß die insoweit verjährungsunterbrechenden Handlungen sich auch auf diese Straftat erstreckten (vgl. dazu BGH wistra 1990, 146, 148; Jähnke aaO § 78 c Rdn. 15). Dem kann nicht gefolgt werden:
Als die Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung des "Hausbankenbetrugs" absah, ist sie zu Recht vom Vorliegen zweier prozessualer Taten ausgegangen. Tateinheit kommt nur dann in Betracht, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind; dagegen vermögen ein einheitliches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen, die Verfolgung eines Endzwecks, eine Mittel - Zweck - Verknüpfung oder eine Grund - Folge - Beziehung eine Tateinheit nicht zu begründen (BGHSt 43, 317, 319; Rissing-van Saan in LK StGB 11. Aufl. § 52 Rdn. 18 ff.). Nach den Urteilsfeststellungen handelte es sich bei den geschädigten Beteiligungsgesellschaften um eigenständige juristische Personen bzw. in einem Fall um eine GmbH & Co KG; deren Mitarbeiter täuschte der Angeklagte im Zusammenwirken mit den gesondert verfolgten B. und Sch. in getrennten, lediglich die stillen Beteiligungen betreffenden Verhandlungen über die wirtschaftliche Lage der B. -Gruppe. Anhaltspunkte für eine einheitliche Täuschungshandlung auch gegenüber den Hausbanken lassen sich dem angefochtenen Urteil indes nicht entnehmen (vgl. BGHR StGB § 52 Abs. 1 Handlung, dieselbe 30), zumal die W. L. als Gesellschafterin der W. K. mbH nicht zu den Hausbanken gehörte und die zu diesem Kreis zählende B. V. nicht an einer der hier geschädigten Gesellschaften beteiligt war.
2. Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen folgt aus § 467 Abs. 1 StPO; für eine Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO sieht der Senat keine Veranlassung (vgl. KG StV 1991, 479; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 467 Rdn. 18 m.w.N.). Die Entscheidung über eine Entschädigung des Angeklagten wegen der erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen bleibt dem Landgericht überlassen; denn die Prüfung, ob eine Entschädigung zu gewähren ist, muß sich auf den gesamten Sachverhalt erstrecken, der die Strafverfolgungsmaßnahmen ausgelöst hat (BGH NJW 1988, 2483, 2485). Dazu gehören hier insbesondere diejenigen - ursprünglich gegen den Angeklagten erhobenen - Vorwürfe, die nicht Gegenstand des angefochtenen Urteils und damit auch nicht der revisionsrechtlichen Überprüfung geworden sind (vgl. BGH NJW 1999, 1562, 1564; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 8 StrEG Rdn. 16).
Ende der Entscheidung
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