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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.04.1999
Aktenzeichen: 4 StR 94/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2 und 4
StPO § 265
StPO § 358 Abs. 2
StGB § 69 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

4 StR 94/99

vom

27. April 1999

in der Strafsache

gegen

wegen

unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 27. April 1999 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

I.

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 29. Oktober 1998

1. im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

2. im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben,

3. im Maßregelausspruch dahin ergänzt, daß der Führerschein der Angeklagten eingezogen wird.

II.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

III.

Im Umfang der Aufhebung (I. 2.) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagte "wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln (Haschisch und Marihuana) in nicht geringer Menge in Tat-einheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Haschisch und Marihuana) in nicht geringer Menge" zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihr die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von zwei Jahren entzogen und den sichergestellten Pkw Mercedes Benz sowie die sichergestellten Rauschgiftmengen (37,63 kg Haschisch und 17,27 kg Marihuana) eingezogen. Gegen das Urteil wendet sich die Angeklagte mit der Revision, die mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben, soweit sie der täterschaftlich begangenen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden worden ist. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 18. März 1999, die auch durch das weitere Vorbringen im Schriftsatz der Verteidigerin vom 19. April 1999 nicht entkräftet werden.

2. Dagegen tragen die Feststellungen nicht die Verurteilung der Angeklagten wegen (mit)täterschaftlicher Beteiligung am unerlaubten Handeltreiben mit den sichergestellten Rauschgiftmengen.

a) Die Angeklagte befand sich am 17. Juni 1998 mit ihrem Pkw auf der Fahrt aus den Niederlanden nach Berlin. Auf der BAB 30 wurde sie von der Polizei im Rahmen einer Verkehrskontrolle gestoppt. Dabei wurde das im Kofferraum des Fahrzeugs verstaute Rauschgift entdeckt. Das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, von wem das Rauschgift stammte und für wen es bestimmt war. Zu Gunsten der Angeklagten ist es deshalb davon ausgegangen, "daß sie das Rauschgift nicht selbst gewinnbringend weiterveräußern wollte". Die Annahme (mit)täterschaftlichen Handeltreibens stützt es auf die Überzeugung, daß die Angeklagte "den Transport gegen nicht näher feststellbare Entlohnung für eine unbekannte Person zum gewinnbringenden Weiterverkauf übernommen hat. Angesichts der Menge von 37,63 kg Haschisch und 17,27 kg Marihuana schließt die Kammer aus, daß die Angeklagte oder eine andere Person die Betäubungsmittel selbst konsumieren wollte oder daß die Angeklagte das Rauschgift nur aus Gefälligkeit transportiert hat" (UA 9).

b) Diese Erwägungen tragen die Annahme, die Angeklagte sei als (Mit-) Täterin am Betäubungsmittelhandel beteiligt gewesen, nicht. Insoweit erscheint schon zweifelhaft, ob die dafür vorausgesetzte Annahme, daß die Angeklagte eigennützig gehandelt hat (st. Rspr.; BGHSt 34, 124), genügend mit Tatsachen belegt ist oder - wie die Revision einwendet - sich als bloße Vermutung darstellt. Eigennützig ist eine Tätigkeit nach der Rechtsprechung, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird (BGHSt 34, 124, 126; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 48). Konkrete Feststellungen dazu hat die Strafkammer nicht getroffen. Dafür, daß die Angeklagte den Transport aber nicht "nur aus Gefälligkeit" durchführte, sprach hier allerdings nicht allein die große Menge des Rauschgifts; vielmehr hätte das Landgericht auch das Entdeckungs- und strafrechtliche Verfolgungsrisiko, die Länge der Fahrtstrecke von Berlin in die Niederlande und zurück sowie den damit verbundenen sowohl zeitlichen als auch finanziellen Aufwand in seine Erwägungen mit einbeziehen können. Entgegen dem Einwand der Revision brauchte das Landgericht mangels entsprechender Anhaltspunkte auch nicht etwa davon auszugehen, daß die Angeklagte zur Durchführung des Transports allein aufgrund enger persönlicher Verbundenheit zu einem "Hintermann" bereit war (vgl. BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34). Der Zweifelssatz verlangt nicht, alle nur (theoretisch) denkbaren Gesichtspunkte, zu denen keine Feststellungen getroffen werden können, zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen; mögliche (günstige) Schlüsse, für die es keine tatsächliche Grundlage gibt, braucht der Tatrichter nicht zu ziehen (BGH NStZ 1983, 133; BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 6).

c) Doch kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Überzeugung der Strafkammer, die Angeklagte habe selbst eigennützig gehandelt, hier auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruht. Denn auch dann, wenn die Angeklagte auch ihres persönlichen Vorteils wegen den Transport durchgeführt hat, bedurfte es der Abgrenzung (mit)täterschaftlicher Beteiligung am unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zur Beihilfe dazu nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts. Daran fehlt es, obwohl die Feststellungen dazu Anlaß gaben. Möglicherweise hat das Landgericht gemeint, Eigennützigkeit des Rauschgiftkuriers genüge bereits für die Annahme (mit)täterschaftlichen Handeltreibens. Das trifft indes nicht zu (st. Rspr.; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 14, 21, 24, 36, 47).

Ob jemand in bezug auf das Handeltreiben als Täter oder als Gehilfe anzusehen ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem Grad seines eigenen Interesses am Erfolg der Tat , nämlich am Rauschgiftumsatz, nach dem Umfang seiner Tatbeteiligung sowie nach seiner Möglichkeit, Durchführung und Ausgang der Tat zu bestimmen. Daß die Angeklagte zu den Umsatzgeschäften mit dem von ihr transportierten Rauschgift ein solches Näheverhältnis hatte, das hiernach die Wertung, sie habe insoweit täterschaftlich gehandelt, rechtfertigt, ergeben die Feststellungen nicht. Die Strafkammer ist selbst davon ausgegangen, die Angeklagte sei "Žnur`als Kurierin" tätig geworden (UA 11). Daß die Angeklagte mit der Durchführung des Transports einen für den Umsatz des Rauschgifts nützlichen Tatbeitrag leistete, macht sie noch nicht zur Täterin in bezug auf das unerlaubte Handeltreiben; denn es macht gerade das Wesen der Beihilfe aus, daß dadurch die (Haupt-)tat gefördert werden soll (vgl. BGH, Beschluß vom 23. Oktober 1996 - 4 StR 469/96). Darüber hinaus ergeben die Feststellungen insbesondere nicht, daß die Angeklagte irgendeinen Einfluß auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts hatte. Es ist auch nicht festgestellt, daß die Angeklagte Zeit und Ort der Übernahme des Rauschgifts mitbestimmen konnte. Ebensowenig läßt sich den Feststellungen entnehmen, daß die Angeklagte mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts etwas zu tun hatte. Angesichts dessen kommt dem Umstand, daß die Angeklagte sich - wie das Landgericht annimmt - für die Durchführung des Transports einen finanziellen Vorteil versprach, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. BGH NStZ 1984, 413; StV 1985, 14; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36), zumal auch nicht etwa festgestellt ist, daß die Entlohnung in einem Anteil am Erlös aus dem Rauschgiftgeschäft bestehen sollte. Bei dieser Sachlage spricht nichts für eine Mitwirkung der Angeklagten als "Partnerin" der "Hintermänner". Deshalb kann die Angeklagte - unbeschadet der von ihr täterschaftlich begangenen Einfuhr - in bezug auf das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nur als Gehilfin verurteilt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 1997 - 2 StR 211/97 - und vom 2. Juli 1998 - 1 StR 280/98).

d) Der Senat schließt angesichts der hier gegebenen Beweislage aus, daß sich aufgrund neuer Hauptverhandlung Erkenntnisse ergeben können, die die Annahme (mit)täterschaftlichen Handeltreibens tragen. Er ändert deshalb den Schuldspruch von sich aus.

§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung durch den Senat nicht entgegen.

3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht mit genügender Sicherheit ausschließen, daß das Landgericht, wäre es von Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben ausgegangen, auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Denn es wertet ausdrücklich strafschärfend, daß die Angeklagte "zwei Gesetzestatbestände verletzt hat", indem sie mit dem eingeführten Rauschgift auch "Handel getrieben hat" (UA 11). Über den Strafausspruch ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der neue Tatrichter auch Gelegenheit haben, nähere Feststellungen zum Wert des eingezogenen PKW zu treffen, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Nebenstrafe der Einziehung bei der Bemessung der Freiheitsstrafe angemessen berücksichtigt worden ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 6, 12, 16; BGH StV 1996, 206; BGH, Beschluß vom 1. September 1998 - 4 StR 367/98).

4. Der Maßregelausspruch im angefochtenen Urteil ist dahin zu ergänzen, daß der Führerschein der Angeklagten eingezogen wird. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 StPO steht der Nachholung dieser gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 StGB zwingenden Anordnung nicht entgegen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 23. April 1992 - 4 StR 146/92).

Ende der Entscheidung

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