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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.06.1998
Aktenzeichen: 5 AR (VS) 1/98
(1)
Rechtsgebiete: EGGVG, StPO, VwGO, SGB-X, StUG, BRRG, BBG, GG
Vorschriften:
EGGVG § 29 Abs. 1 Satz 2 | |
EGGVG §§ 23 ff. | |
StPO § 96 | |
StPO § 244 Abs. 2 | |
StPO § 54 Abs. 1 | |
VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1 | |
SGB-X § 68 | |
StUG § 5 Abs. 2 | |
BRRG § 39 Abs. 3 | |
BBG § 62 Abs. 1 | |
GG Art. 19 Abs. 4 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
24. Juni 1998
in der Vorlegungssache nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG
gegen
wegen Anfechtung einer Sperrerklärung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 1998 durch den Vorsitzenden Richter Laufhütte, die Richterin Harms, die Richter Basdorf und Nack sowie die Richterin Dr. Gerhardt beschlossen:
Tenor:
Für Streitigkeiten, die eine vom Innenminister als oberster Dienstbehörde nach Maßgabe des § 96 StPO erlassene Sperrerklärung zum Gegenstand haben mit dem Ziel, die geheimgehaltene Identität einer Auskunftsperson in dem betreffenden Strafverfahren aufzudecken, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Gründe:
Bei der Vorlage des Oberlandesgerichts Hamm geht es um die Frage des Rechtswegs für die Überprüfung einer Sperrerklärung nach § 96 StPO.
I.
1. Im Juni 1995 erhielt die Polizei in Essen - offenbar von einer "im Verfahren eingesetzten Vertrauensperson" - einen Hinweis auf die beabsichtigte Durchführung eines bewaffneten Raubüberfalls zum Nachteil einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht näher bestimmbaren Person. Nachdem die Staatsanwaltschaft einer Vertraulichkeitszusage zugestimmt hatte, machte der Hinweisgeber nähere Angaben zu Ort und Opfer der geplanten Straftat. Anläßlich der polizeilichen Observation des Tatobjekts wurde der Antragsteller im Haus des vom Hinweisgeber bezeichneten Tatopfers vor der Durchführung der Tat festgenommen; er führte eine Schreckschußpistole und eine Flasche mit Chloroform bei sich.
Der Antragsteller wurde deshalb vom Amtsgericht Essen wegen versuchten Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und auf die von ihm eingelegte Berufung durch das Landgericht Essen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nachdem dieses Urteil in der Revisionsinstanz aufgehoben worden war, wurde der Antragsteller im Oktober 1997 vom Landgericht Essen erneut zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auch gegen dieses Urteil hat der Antragsteller Revision eingelegt.
Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Essen beantragte der Antragsteller, das Gericht möge um Mitteilung des Namens und der Anschrift der Vertrauensperson (VP) nachsuchen. Der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen erließ im April 1997 in entsprechender Anwendung des § 96 StPO eine Sperrerklärung. Die Geheimhaltung der Identität der Vertrauensperson wurde damit begründet, daß die VP im Falle der Preisgabe ihrer Identität aufgrund der Gesamtumstände, insbesondere des Gewaltpotentials des Antragstellers, erheblich an Leib und Leben gefährdet wäre. Daneben sei die weitere Verwendung des Hinweisgebers als VP zu berücksichtigen. Schließlich sei eine erfolgreiche Bekämpfung solcher Kriminalitätsformen beeinträchtigt, wenn Vertrauenspersonen sich nicht auf die Einhaltung polizeilicher Vertraulichkeitszusagen verlassen könnten.
Der Antragsteller hat beim Oberlandesgericht Hamm nach §§ 23 ff. EGGVG beantragt, das Innen- und Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, den Namen und die ladungsfähige Anschrift der Vertrauensperson mitzuteilen.
2. Das Oberlandesgericht Hamm möchte in der Sache entscheiden. Es ist der Auffassung, daß entsprechend § 96 StPO abgegebene Sperrerklärungen über die Identität einer Vertrauensperson im Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbar seien.
a) Zur Begründung verweist es auf die bisherige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (OLG Hamm NStZ 1985, 566; NStZ 1990, 44; OLG Celle NStZ 1991, 145; JR 1984, 297; OLG Stuttgart NStZ 1985, 136; OLG Hamburg NJW 1982, 297, 298). Entscheidend ist nach Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts, daß die Sperrerklärung in einem anhängigen Verfahren in die strafgerichtliche Aufklärungspflicht eingreife. Wenn ein angefordertes Beweismittel nicht zur Verfügung gestellt werde, werde die prozessuale Stellung des Angeklagten unmittelbar berührt. Demgegenüber seien die in der Sperrerklärung genannten präventiv-polizeilichen Zwecke nachrangig.
b) An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Hamm durch den Beschluß des Kammergerichts vom 21. Juni 1996 (StV 1996, 531) gehindert, welches die Auffassung vertritt, daß für die Anfechtung von derartigen Sperrerklärungen der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache daher gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt (der Vorlegungsbeschluß ist abgedruckt in NStZ 1998, 316):
Ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG zur Überprüfung einer Sperrerklärung eröffnet, die durch das Innenministerium eines Landes in entsprechender Anwendung von § 96 StPO bezüglich der Identität einer Vertrauensperson erlassen worden ist, die von der Kriminalpolizei bei der Aufklärung und zur Verhinderung einer geplanten Straftat eingesetzt worden war und der mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert worden ist?
3. Der Generalbundesanwalt hält den Verwaltungsrechtsweg für gegeben und hat beantragt zu entscheiden:
Zur Überprüfung einer durch ein Innenministerium in entsprechender Anwendung von § 96 StPO erlassenen Sperrerklärung bezüglich der Identität einer von der Kriminalpolizei bei der Aufklärung und zur Verhinderung einer geplanten Straftat eingesetzten Vertrauensperson, der mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Vertraulichkeit zugesichert wurde, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG nicht eröffnet.
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG sind gegeben, weil die in dem Beschluß des Kammergerichts vertretene Rechtsansicht der beabsichtigten Entscheidung entgegensteht.
Zwar sind die Fallgestaltungen nicht in allen Punkten gleich, weil es hier offenbar um eine "im Verfahren eingesetzte Vertrauensperson" ging, während es sich bei dem vom Kammergericht entschiedenen Fall um einen anonymen Hinweisgeber handelte (zum Unterschied vgl. BGHSt 42, 139, 144; siehe auch Anlage D der RiStBV). Der vorliegende Fall ist vor allem auch dadurch gekennzeichnet, daß der aufgrund der Angaben der VP veranlaßte polizeiliche Einsatz ersichtlich auch zum Zweck der Gefahrenabwehr - der Verhinderung einer geplanten Straftat - erfolgte. Soweit er - was die Einschaltung der Staatsanwaltschaft zeigt - zugleich der Strafverfolgung diente (etwa wegen der möglicherweise bereits erfolgten Verabredung eines Verbrechens), lag eine Gemengelage vor (vgl. BGH StV 1996, 242, 247). Gleichwohl ist, jedenfalls wegen der Gemengelage, die hier angesprochene Rechtsfrage die nämliche, so daß das vorlegende Gericht von der Entscheidung des Kammergerichts abweichen würde. Daß das Kammergericht möglicherweise seinerseits zur Vorlegung verpflichtet gewesen wäre, beseitigt die Vorlegungspflicht des Oberlandesgerichts Hamm nicht (Salger in KK 3. Aufl. § 121 GVG Rdn. 27 m.w.N.).
III.
Der Senat hält mit dem Generalbundesanwalt den Verwaltungsrechtsweg und nicht den Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG für gegeben.
1. Die Frage, welcher Rechtsweg für die Überprüfung der Sperrerklärung gegeben ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.
a) Die Oberlandesgerichte sind überwiegend der Ansicht, daß darüber nach §§ 23 ff. EGGVG zu entscheiden ist (OLG Celle StV 1983, 446; NStZ 1991, 145; OLG Hamm NStZ 1985, 566; NStZ 1990, 44; NStZ 1991, 145; OLG Hamburg StV 1981, 537; StV 1984, 11; OLG Stuttgart NStZ 1985, 136; MDR 1986, 690). Vereinzelt wird diese Auffassung auch von Verwaltungsgerichten vertreten (OVG Lüneburg NJW 1984, 940; VG München NStZ 1992, 452). In der Literatur vertritt Katholnigg diese Auffassung (Strafgerichtsver-fassungsrecht 2. Aufl. EGGVG § 23 Rdn. 7).
b) Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hält überwiegend den Verwaltungsrechtsweg für gegeben (BVerwGE 47, 255; 66, 192; 69, 192; 75, 1; BVerwG DVBl 1984, 836; BayVGH StV 1993, 460; VGH Baden-Württemberg NJW 1991, 2097; NJW 1994, 1362; OVG Berlin, Beschl. v. 27. November 1996 - 4 S 363.96 -; VG Frankfurt NJW 1991, 120). Derselben Meinung sind das OLG Hamm (NJW 1973, 1089 - offenbar inzwischen aufgegeben), das KG (StV 1996, 631) und die herrschende Meinung in der Literatur (Kissel, GVG 2. Aufl. § 23 EGGVG Rdn. 151; Nack in KK 3. Aufl. § 96 Rdn. 12; G. Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 96 Rdn. 65; ders. NStZ 1990, 46; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 96 Rdn. 24; Rudolphi in SK-StPO § 96 Rdn. 15; Roxin, Strafverfahrensrecht 24. Aufl. § 34 C II 1b; Peters, Strafprozeß 4. Aufl. § 48 A III 2a; Schlüchter, Das Strafverfahren 2. Aufl. Rdn. 472.1; Meyer JR 1984, 297).
2. Der Antrag, die oberste Dienstbehörde zur Mitteilung von Namen und Anschrift eines von ihr gesperrten Zeugen zu verpflichten, betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dabei hat der Senat hier über einen Fall zu entscheiden, in dem der Innenminister oberste Dienstbehörde ist.
a) Der Antragsteller begehrt die Überprüfung, ob die vom - insoweit allein zuständigen (BGHSt 41, 36) - Innenminister entsprechend § 96 StPO abgegebene Sperrerklärung rechtswidrig ist. Bei der Abgabe einer Erklärung im Sinne von § 96 StPO wird die oberste Dienstbehörde in Wahrnehmung amtlicher Pflichten und Befugnisse, also aufgrund öffentlichen Rechts tätig, das diese Pflichten und Befugnisse bestimmt und begrenzt und nach dem sich auch bemißt, ob durch die Rechtswidrigkeit einer Sperrerklärung Rechte des Angeklagten verletzt werden können und gegebenenfalls verletzt sind.
b) Die Streitigkeit ist nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO). Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG - eine andere ausdrückliche gesetzliche Zuweisungsvorschrift kommt nicht in Betracht - liegen nicht vor.
3. Nach § 23 Abs. 1 EGGVG entscheiden über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die "von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf den Gebieten ... der Strafrechtspflege" getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte. Betrifft der Antrag eine Angelegenheit der Strafrechtspflege, so entscheidet nach § 25 Abs. 1 Satz 1 EGGVG ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, in dessen Bezirk die Justizbehörde ihren Sitz hat.
a) Der besonderen Rechtswegregelung des § 23 Abs. 1 EGGVG liegt die Annahme zugrunde, daß den ordentlichen Gerichten die Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsmaßnahmen auf den Gebieten des bürgerlichen Rechts, des Zivilprozesses, der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafrechtspflege von der Sache her näher stehen als den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die für bestimmte Sachgebiete geltende Generalklausel des § 23 Abs. 1 EGGVG soll deshalb die gerichtliche Kontrolle gewisser Maßnahmen aus der - sonst nach § 40 Abs. 1 VwGO gegebenen - Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte herausnehmen und bewirken, daß über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen die Gerichte der sachnäheren Gerichtsbarkeit entscheiden. Die Regelung soll zudem verhindern, daß Gerichte zweier verschiedener Gerichtszweige Verwaltungsstreitigkeiten desselben Rechtsgebietes entscheiden (BVerwGE 47, 255).
Aus diesem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt zugleich, daß § 23 EGGVG die Nachprüfung von Verwaltungsakten und sonstigen Maßnahmen den ordentlichen Gerichten nur zuweist, wenn die in Rede stehende Amtshandlung der zuständigen Behörde gerade als spezifisch justizmäßige Aufgabe auf einem der in § 23 Abs. 1 EGGVG genannten Rechtsgebiete anzusehen ist (BGHZ 105, 395, 399; BVerwGE 69, 192, 195; BT-Drucks. 111/55 S. 61; Kissel aaO).
Auch systematisch ist § 23 EGGVG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen, weil für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gemäß § 40 VwGO grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (Kissel aaO; vgl. auch BVerwG DVBl. 1984, 836, 837).
b) Der Begriff der Justizbehörde ist weder in § 23 EGGVG noch in anderen Vorschriften definiert. Es ist jedoch allgemein anerkannt, daß er nicht organisationsrechtlich, sondern funktional aufzufassen ist (BGHSt 28, 206, 209; BVerwGE 47, 255, 262; 69, 192, 195; KG StV 1996, 531, 532; OLG Hamm NStZ 1985, 566, NStZ 1990, 44; Kissel aaO Rdn. 13; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO Rdn. 2). § 23 EGGVG kann daher auch auf Anordnungen, Verfügungen und Maßnahmen von Behörden Anwendung finden, die organisatorisch nicht der Justiz angehören.
c) Gibt der Innenminister als oberste Dienstbehörde eine Sperrerklärung entsprechend § 96 StPO - wie regelmäßig - mit Erwägungen der vorliegenden Art ab (Zeugenschutz, weitere Verwendung von Vertrauensleuten und Verdeckten Ermittlern, allgemeine Strategie der Kriminalitätsbekämpfung), so handelt er nicht als Justizbehörde im Sinne des § 23 EGGVG.
Der Zweck so begründeter Sperrerklärungen ist nämlich aus der maßgeblichen Sicht der obersten Dienstbehörde - funktional - primär an der Gefahrenabwehr ausgerichtet und dient nicht der Verfolgung strafbarer Handlungen als Teil der Strafrechtspflege. Vielmehr soll der Polizei, wie auch im vorliegenden Fall, die weitere Verwendung der Vertrauensperson für eine künftige Zusammenarbeit gesichert werden. Darüber hinaus dient sie dem Schutz von höchstpersönlichen Rechtsgütern, insbesondere von Leib und Leben des gesperrten Zeugen. Grund und Zielrichtung der Sperrerklärung sind daher maßgeblich vorbeugender und gefahrenabwehrender, nicht jedoch repressiver Art.
4. Die dagegen angeführten Argumente des vorlegenden Oberlandesgerichts sind zwar von beachtlichem Gewicht, können indes die darauf gestützte Rechtsauffassung nicht überzeugend begründen.
a) Daß die präventiv-polizeilichen Zwecke, auf welche die Sperrerklärung gestützt wurde, gegenüber dem Tätigwerden des Innenministers "auf dem Gebiet der Strafrechtspflege" nachrangig seien, trifft weder im vorliegenden Fall noch allgemein zu. Der Innenminister hat seine Sperrerklärung auch auf die Gefahr von "Sanktionen" gegen den Zeugen "bis hin zur Tötung" gestützt; eine solche Gefahr jedenfalls ist kein der Strafverfolgung gegenüber nachrangiger Zweck (zu den Abwägungskriterien vgl. BGHSt 39, 141, 145). Im übrigen hat der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung beim Verdeckten Ermittler (§ 110b Abs. 3 StPO; s. auch § 110d StPO) die Geheimhaltung von dessen Identität zu weitergehenden präventiven Zwecken (§ 110b Abs. 3 Satz 3 StPO: "insbesondere dann") ausdrücklich vorgesehen (vgl. BGHSt 41, 36). Der Staatsanwalt und der Richter können zudem dessen Einsatz gegen den Willen der Polizei nicht anordnen, sondern ihm nur zustimmen, und zwar auch deshalb, weil die Polizei hierbei die Gefährdung des Verdeckten Ermittlers beurteilen und verantworten muß.
b) In bezug auf solche, von der obersten Dienstbehörde mit der Sperrerklärung verfolgte Zwecke der Gefahrenabwehr ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit die sachnähere Gerichtsbarkeit. Dies gilt unbeschadet dessen, daß bei der verwaltungsrechtlichen Entscheidung auch die Belange des Strafverfahrens ein wesentliches Entscheidungskriterium sind. Das Argument des vorlegenden Oberlandesgerichts, die Strafgerichte seien insofern sachnäher, als es die Beurteilung der Auswirkungen auf die Sperrerklärung auf das (konkrete) Strafverfahren anbelangt, trifft zwar zu. Denn die Sperrerklärung greift - als Reflex ihres präventiven Zweckes - in erheblicher Weise in die Strafrechtspflege ein, weil die nach § 244 Abs. 2 StPO gebotene gerichtliche Aufklärung sowie die Verteidigung behindert werden können. Daraus ergibt sich aber zugleich, daß es sich gerade nicht um eine Maßnahme der Strafrechtspflege handelt. Der Bundesgerichtshof (BGHSt 39, 141) hat deshalb entschieden, daß auch eine rechtmäßige Sperrerklärung nicht zu einem Beweisverbot führt. Sie bedeutet nur, daß das mit der Sache befaßte Gericht die Weigerung der Behörde, die Identität eines Zeugen zu offenbaren, hinnehmen muß; ein notwendiges Korrektiv bilden daher die streng zu handhabenden Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Beweiswürdigung bei anonymen Zeugen. Daß es sich nicht um eine Maßnahme der Strafrechtspflege handelt, folgt auch daraus, daß dann, wenn das Gericht aus den Akten oder aus sonstigen Erkenntnisquellen die Identität des Zeugen kennt, die Sperrerklärung als solche seiner Ladung und Vernehmung nicht entgegensteht (BGHSt 39, 141).
c) Die so verstandene Funktion der die Sperrerklärung aussprechenden obersten Dienstbehörde wird auch nicht dadurch verändert, daß damit in ein laufendes Strafverfahren eingegriffen wird. Von der Sperrerklärung gehen lediglich die oben genannten rechtlichen und tatsächlichen, von der Strafjustiz hinzunehmenden Folgen für das Strafverfahren aus. Diese Auswirkungen der zu präventiven Zwecken getroffenen Sperrerklärung lassen, worauf es ankommt, die Maßnahme selbst jedoch nicht zu einer spezifisch justizmäßigen werden. Dies zeigt auch ein Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen. So qualifiziert die Verweigerung einer sozialrechtlichen Auskunft für strafprozessuale Zwecke nach § 68 SGB-X durch eine Sozialbehörde die Maßnahme trotz ihrer der Sperrerklärung entsprechenden Wirkung auf das Strafverfahren nicht als Justizverwaltungsakt (Meyer aaO S. 298). Auch die auf § 5 Abs. 2 StUG gestützte Sperrerklärung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR stellt keine unmittelbar der Strafrechtspflege dienende Maßnahme dar und ist auf dem Verwaltungsrechtsweg anzufechten (KG NStZ 1993, 45, 46).
5. Die von einem Teil der Befürworter des Rechtswegs nach §§ 23 ff. EGGVG zur Begründung ihrer Auffassung vorgebrachte Erwägung, daß es sich bei dem für die Entscheidung über die Sperrerklärung maßgeblichen § 96 StPO um eine Norm des Strafprozeßrechts handelt (OLG Hamburg NJW 1982, 297, 298; OLG Stuttgart NStZ 1985, 136, 137), vermag eine andere Sichtweise nicht zu rechtfertigen. § 96 StPO stellt inhaltlich keine strafprozessuale Vorschrift dar, sondern schränkt (ausdrücklich) die Vorlegung und Auslieferung von Akten und anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken und (analog) die Erteilung von entsprechenden Auskünften an die Strafjustiz aus - der Strafrechtspflege nicht grundsätzlich untergeordneten - Gründen des Staatswohls und der Gefahrenabwehr ein (vgl. BGHSt 38, 237; BGHSt 39, 141).
Ob das für den Verwaltungsrechtsweg sprechende Argument des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 75, 1), gegen derartige Verletzungen biete das Strafverfahren keinen hinreichenden Schutz, weil die Strafprozeßordnung - im Gegensatz etwa zu § 99 Abs. 2 VwGO - den Prozeßbeteiligten nicht die Möglichkeit gebe, eine auch für die oberste Dienstbehörde verbindliche Entscheidung des Prozeßgerichts darüber zu erlangen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verweigerung der Vorlage von Akten gegeben sind, im Hinblick auf die von BGHSt 38, 237 eröffnete Möglichkeit der Beschlagnahme von Behördenakten noch Gewicht hat, braucht der Senat bei seiner hier vertretenen Auffassung nicht zu entscheiden. Eine Beschlagnahme gegen den Willen der aktenführenden Behörde wird in Fällen der vorliegenden Art - wenn überhaupt - erst dann in Betracht kommen, wenn eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Entscheidung vorliegt.
6. Nichts anderes ergibt sich auch dadurch, daß die Staatsanwaltschaft in die Zusicherung der Vertraulichkeit gegenüber der V-Person eingewilligt hat. An solche Vertraulichkeitszusagen der Exekutive sind die Gerichte nicht gebunden (BGHSt 39, 141). Zudem ist nicht die Zusicherung der Vertraulichkeit, sondern die Sperrerklärung gerichtlich zu überprüfen. Nach Ziffern 1.1 bis 3 der "Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen und Verdeckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung" (RiStBV Anlage D) dient überdies die Zusicherung der Vertraulichkeit ebenfalls dem Schutz von Rechtsgütern des Zeugen vor Gefahren, die von der Offenlegung seiner Identität ausgehen, sowie dessen Erhalt als Aufklärungsmittel für künftige Verfahren.
7. Schließlich gebietet auch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, Fälle der vorliegenden Art im Verwaltungsrechtsweg zu klären. Die Zuweisung der in § 23 EGGVG bestimmten Streitigkeiten an die ordentlichen Gerichte soll nämlich "ein Durcheinander und Gegeneinander der verschiedenen Gerichtsverfahren" verhindern (BVerwGE 6, 86, 89; 47, 255). Genau ein solches "Durcheinander und Gegeneinander" ist inzwischen durch die divergierende Rechtsprechung eingetreten.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Anfechtung einer Sperrerklärung der obersten Dienstbehörde nach § 96 StPO der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Soweit ersichtlich, betreffen die Entscheidungen zwar die Vorlage von Akten und nicht - wie hier - einen Antrag auf Auskunfterteilung. In der Sache kann das aber keinen Unterschied machen, wie Hilger (NStZ 1984, 145 und NStZ 1985, 138) überzeugend dargelegt hat.
b) Entsprechendes gilt für die ganz oder teilweise verweigerte Aussagegenehmigung nach § 54 Abs. 1 StPO i.V.m. § 39 Abs. 3 BRRG, § 62 Abs. 1 BBG bzw. den entsprechenden Landesbeamtengesetzen. Nach herrschender Meinung muß die Verweigerung vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden (BVerwGE 18, 58; 34, 252; 66, 39; Nack aaO Rdn. 12 m.w.N.).
c) Bei Zugrundelegung der Auffassung des vorlegenden Gerichts und der meisten Oberlandesgerichte wäre für die Anfechtung einer Verweigerung der Aktenauskunft über die Identität eines geheimgehaltenen Zeugen entsprechend § 96 StPO der Rechtsweg nach § 23 ff. EGGVG gegeben. Wenn mit demselben Ziel der Identifizierung des Zeugen die Vorlage der entsprechenden vertraulichen Akten nach § 96 StPO verweigert würde, ist nach Auffassung der Verwaltungsgerichte der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Gleiches gilt, wenn zur Identifizierung des Zeugen der dessen Identität kennende Polizeibeamte als Zeuge gehört werden soll und diesem die Aussagegenehmigung gänzlich oder teilweise verweigert wird. Obgleich sachlich stets dasselbe Aufklärungsziel verfolgt wird, und auch die Gründe für die Sperrerklärung oder Verweigerung der Aussagegenehmigung ganz oder im wesentlichen gleich sind, wären zwei verschiedene Rechtswege gegeben.
8. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluß vom 27. Mai 1997 (NJW 1997, 2165) beanstandet, daß bei dem - insoweit vergleichbaren - Problem bei Durchsuchungen die Rechtsmittel in schwer zu durchschauender Weise mehrfach gespalten sind und von den Fachgerichten uneinheitlich gehandhabt werden. Die Fachgerichte treffe daher eine besondere Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 GG zur Klärung einer unübersichtlichen Rechtslage. Es kommt hinzu, daß Rechtswegregelungen im besonderen Maße von Zweckmäßigkeitserwägungen des Gesetzgebers bestimmt sind. Sie dienen einer sachgemäßen Arbeitsverteilung unter den verschiedenen Gerichtszweigen. Sie gehen von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Gerichtszweige aus (BVerwGE 47, 255).
Die Klärung der unübersichtlichen Rechtslage gebietet es hier, die Vorlegungsfrage so zu fassen (vgl. BGHSt 41, 376), daß die mit der Sperrerklärung des Innenministers regelmäßig verbundenen und gleich zu behandelnden Fallgestaltungen zur Aufdeckung der Identität des geheimgehaltenen Zeugen einheitlich entschieden werden. Der Senat entscheidet daher:
Für Streitigkeiten, die eine vom Innenminister als oberster Dienstbehörde nach Maßgabe des § 96 StPO erlassene Sperrerklärung zum Gegenstand haben mit dem Ziel, die geheimgehaltene Identität einer Auskunftsperson in dem betreffenden Strafverfahren aufzudecken, ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Ende der Entscheidung
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