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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.02.2001
Aktenzeichen: 5 StR 15/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 154 | |
StGB § 177 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 19. Februar 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Februar 2001 beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 15. Juni 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte im zweiten Fall (Tatzeit: Winterferien 1995) verurteilt worden ist,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer rechtskräftig verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Es hat ihn für schuldig befunden, im Frühjahr 1993 und in den Winterferien 1995 jeweils die Nebenklägerin, die zur Tatzeit 14 bzw. 16 Jahre alte Enkelin seiner Nachbarin, vergewaltigt zu haben. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuldspruch im ersten Fall unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, führt indes zur Aufhebung des weiteren Schuldspruchs und des gesamten Strafausspruchs.
Der Schuldspruch im ersten Fall, in dem der Angeklagte die Geschädigte durch einen Schlag ins Gesicht zum Geschlechtsverkehr, für den er sie anschließend bezahlte, gefügig gemacht hatte, beruht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung. Durchgreifende sachlichrechtliche Bedenken, daß das Landgericht den Schuldspruch auf die Angaben der Nebenklägerin gestützt hat, bestehen insoweit nicht. Ihre späte Offenbarung des Geschehens hat das Landgericht plausibel erläutert; Behauptungen weiterer maßgeblicher Ungereimtheiten in ihrem Aussageverhalten sind urteilsfremd.
Indes beanstandet die Revision mit Recht, daß der bewußte Einsatz eines Nötigungsmittels im Sinne des § 177 StGB im zweiten Fall nicht ausreichend belegt ist. Den bewußten Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung des Geschlechtsverkehrs hat das Landgericht selbst nicht darin gefunden, daß der Angeklagte das junge Mädchen am Arm gepackt, sie so in die Wohnung gezogen und die Wohnungstür abgeschlossen hatte. Das Landgericht hat angenommen, die Nebenklägerin habe die sexuellen Handlungen ohne Gegenwehr nur deshalb hingenommen, weil sie aufgrund früherer Erfahrungen mit dem Angeklagten Angst vor dessen Gewalttätigkeit verspürt habe. Daß der Angeklagte dies im Sinne einer schlüssigen Drohung zur Tatbegehung ausgenutzt hätte, bleibt unzureichend belegt. Die mit verhältnismäßig geringer Gewalt verübte Vergewaltigung im ersten Fall lag fast zwei Jahre zurück; eine weitere sexuelle Nötigung zum Nachteil der Nebenklägerin, die Gegenstand der einbezogenen früheren Bestrafung des Angeklagten ist, beging dieser nach der hier abgeurteilten zweiten Tat (s. UA S. 11). Soweit das Landgericht auf "vielfache vorherige sexuelle Übergriffe des Angeklagten auf die Geschädigte" abstellt, bei denen er "regelmäßig Gewalt u. a. in Form von Schlägen" angewandt habe (UA S. 5), fehlt es an annähernd konkreten Feststellungen zu Zeit, Frequenz und näheren Begleitumständen. Wiederholte vorangegangene bezahlte sexuelle Handlungen mögen noch ausreichend belegt sein. Bezüglich wiederholter Gewaltanwendung, aus der allein eine bewußte konkludente Drohung mit erneuter körperlicher Gewalt im zweiten Fall herzuleiten war, fehlt es indes jedenfalls schon deshalb an ausreichender Konkretisierung, weil die Nebenklägerin im gleichen Zeitraum von ihrem Stiefvater sexuell mißbraucht wurde, ohne daß festzustellen war, ob der Angeklagte hiervon wußte (UA S. 3), und weil die Nebenklägerin im Zusammenhang mit Erinnerungslücken selbst "eine Verwechslung mit Übergriffen durch ihren Stiefvater befürchtete" (UA S. 8).
Neben der Aufhebung des Schuldspruchs im zweiten Fall und konsequent der Gesamtstrafe ist auch die für den ersten Fall verhängte Einzelstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe mitaufzuheben, da nicht auszuschließen ist, daß ihre Höhe durch den angenommenen größeren Gesamtschuldumfang mitbeeinflußt ist. Im Blick auf den beträchtlichen Zeitablauf, auf das schon fortgeschrittene Lebensalter des nicht vorbestraften Angeklagten und insbesondere auf das wesentliche Anliegen eines Schutzes der Nebenklägerin vor mit dem Verfahren verbundenen weiteren starken Belastungen wird der neue Tatrichter vor Anberaumung der erneuten Hauptverhandlung im Benehmen mit Staatsanwaltschaft und Nebenklage eine Anwendung des § 154 StPO für den aufgehobenen zweiten Fall zu erwägen haben.
Ende der Entscheidung
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