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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 5 StR 151/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 177 Abs. 5
StGB § 56 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 151/01

vom

26. Juni 2001

in der Strafsache

gegen

wegen sexueller Nötigung u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2001, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin Harms, Richter Häger, Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt, Richter Dr. Brause als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt B als Verteidiger,

Rechtsanwalt V als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 21. November 2000 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Annahme eines minder schweren Falles (§ 177 Abs. 5 StGB) und erstrebt die Verurteilung des Angeklagten zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Strafe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Die vom Landgericht vorgenommene Bestimmung des Strafrahmens und die Strafzumessung halten rechtlicher Prüfung stand.

1. Daß die Strafkammer einen minder schweren Fall der sexuellen Nötigung gemäß § 177 Abs. 5 StGB angenommen hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorhandenen Fälle so sehr abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten scheint (BGHR StGB § 177 Abs. 2 - Strafrahmenwahl 1, 5, 6, 8, 10). Dabei obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, welches Gewicht er den einzelnen Milderungsgründen im Verhältnis zu den Erschwerungsgründen beimißt. Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Das ist hier nicht der Fall.

Die Strafkammer hat die für ihre Wertung bestimmenden Umstände dargelegt und gegeneinander abgewogen. Dabei hat sie das erhebliche Gewicht der Straferschwerungsgründe - die Brutalität der Tatausführung, den Einsatz mehrerer Tatwerkzeuge und die Todesangst der Nebenklägerin - nicht verkannt. Diesen strafschärfenden Zumessungstatsachen hat das Landgericht jedoch eine Vielzahl von Milderungsgründen gegenübergestellt, die nach seiner Auffassung die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen. Ausschlaggebend waren die Unbestraftheit des 72jährigen Angeklagten, die geringe Intensität der sexuellen Handlungen, die Tatsache, daß er durch sein unmittelbar nach der Tat gegenüber seiner Lebensgefährtin abgegebenes "Geständnis" Hilfsmöglichkeiten für das Opfer habe eröffnen wollen, sowie der Umstand, daß er sich bei Eintreffen der Polizeibeamten sofort zu der Tat bekannt und dieses Schuldgeständnis bei den weiteren Vernehmungen und im Haftprüfungstermin wiederholt habe. Als weitere auch für die Höhe der Freiheitsstrafe bestimmende Milderungsgründe führt die Strafkammer an, daß die Nebenklägerin keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten habe, daß der Angeklagte an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung leide, und schließlich, daß er bei Verlassen des Schuppens das frierende Opfer zugedeckt habe. Angesichts dieser Strafmilderungsgründe ist die vom Landgericht vorgenommene Gewichtung gerade noch vertretbar und daher im Ergebnis vom Revisionsgericht hinzunehmen (zum Zusammentreffen mehrerer Milderungsgründe bei der Strafrahmenwahl vgl. BGHR StGB § 178 Abs. 2 - Strafrahmenwahl 2).

Ein Rechtsfehler liegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht in der vom Landgericht vorgenommenen Bewertung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten. Der Revision ist zwar zuzugeben, daß die ursprünglich umfassend geständigen Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren durch seine Einlassung in der Hauptverhandlung relativiert wurden. Das Landgericht hat jedoch bei der positiven Berücksichtigung des Einlassungsverhaltens des Angeklagten in erster Linie darauf abgestellt, daß er sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt offenbart hat, um eine Befreiung der Nebenklägerin aus ihrer vermeintlich noch anhaltenden Notlage zu ermöglichen. Insgesamt war das Prozeßverhalten des Angeklagten vor dem Hintergrund seiner geständigen Angaben im Ermittlungsverfahren und seiner schwierigen Persönlichkeitsstruktur nicht überzubewerten.

2. Schließlich ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat. Angesichts der festgestellten Strafzumessungstatsachen durfte das Landgericht bei einer Gesamtbetrachtung ohne Wertungsfehler zu dem Ergebnis kommen, daß hierin besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB zu sehen sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Unbestraftheit des Angeklagten, seine altersbedingte erhöhte Haftempfindlichkeit, die sechsmonatige Untersuchungshaft und die besonders günstige Prognose (vgl. BGH StV 1990, 496; BGHR StGB § 56 Abs. 1 - Sozialprognose 5).

3. Durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten (§ 301 StPO) enthält das angefochtene Urteil nicht. Daß die Strafkammer die Frage uneingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten anhand des Tatbildes nicht weiter hinterfragt hat, kann sich angesichts der außerordentlich milden Sanktionierung nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben.

Ende der Entscheidung

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