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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.10.2009
Aktenzeichen: 5 StR 171/09
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 267 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 28. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. November 2008 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in neun Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten unter Einbeziehung einer Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 27. Juli 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Zudem hat es auf eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Betruges in 87 Fällen, davon in 61 Fällen in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten und wegen versuchten Betrugs erkannt. Die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

Das angefochtene Urteil unterliegt insgesamt der Aufhebung, da es in mehrfacher Hinsicht nicht den Mindestanforderungen entspricht, die an die Urteilsgründe auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, nach einer Verfahrensabsprache ergangen ist; es weist dabei Rechtsfehler auf, die sich auch zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben können.

Allein die Bereitschaft des Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet das Gericht nicht von der Pflicht zur Aufklärung und Darlegung des Sachverhalts, soweit dies für den Tatbestand der dem Angeklagten vorgeworfenen Gesetzesverletzung erforderlich ist (vgl. BGHSt 50, 40, 49 f.; BGH NStZ-RR 2007, 307, 309; NStZ 2009, 467). Das angefochtene Urteil erfüllt diese unerlässlichen Mindestvoraussetzungen nicht.

1.

Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil es keine in sich geschlossene Darstellung eines in der Hauptverhandlung festgestellten Tatgeschehens zu den einzelnen den Angeklagten angelasteten Fällen enthält (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 3 und 10). So verhält es sich hier:

a)

Die Strafkammer hat sich damit begnügt, lediglich den konkreten Anklagesatz wortwörtlich einzurücken. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen an eine Urteilsbegründung hier nicht. Der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft erschöpft sich in einer Zusammenfassung der Einzeltaten in mehrspaltigen Tabellen und einer vorangestellten knapp gehaltenen Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten. Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt, bei einer Vielzahl von gleichgelagerten Straftaten davon abzusehen, die konkreten Sachverhalte der Einzeltaten mitzuteilen und diese in einer Liste zusammenzufassen, in der die jeweiligen Betrugstaten - wie hier - nach Tatzeit, -ort, Geschädigten und Betrugsschaden individualisiert werden (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 6; BGH NStZ 2008, 352). Auch dann müssen die Urteilsgründe aber erkennen lassen, welche der festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen können (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung 10; Meyer-Goßner/Appl, Die Urteile in Strafsachen 28. Aufl. Rdn. 281 ff.).

b)

Zudem sind die festgestellten Tatsachen in wesentlichen Teilen unvollständig. Insbesondere zu den angeklagten Fällen 1 bis 5 fehlt mit Ausnahme der tabellarischen Angaben zum "Datum", "Geschädigten", "Konto" und "Schaden" jeder Anhalt zum konkreten Vorgehen des Angeklagten und zur subjektiven Tatseite. Ersichtlich hat die Strafkammer hier den entsprechenden Teil des Anklagesatzes versehentlich nicht mit eingerückt.

c)

In welchen Fällen tateinheitlich auch ein Urkundsdelikt ausgeurteilt ist, wird im Urteil nicht gekennzeichnet.

2.

Auf Grund der genannten grundlegenden Mängel besorgt der Senat selbst bei Teilen der Feststellungen, die von den genannten Rechtsfehlern nicht betroffen zu sein scheinen, dass sich die Rechtsfehler in der tatgerichtlichen Überzeugungsbildung auch auf sie ausgewirkt haben. Auf die ebenfalls erheblichen Bedenken begegnende Darstellung der Strafzumessung kommt es hier mithin nicht mehr an.

3.

Ergänzend bemerkt der Senat:

a)

Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, dass eine maßgeblich aus Tabellen bestehende Sachverhaltsdarstellung jedenfalls dann eine revisionsgerichtliche Nachprüfung vereiteln und daher zur Aufhebung führen kann, wenn eine Vielzahl von Einzelfällen weder chronologisch geordnet noch nummeriert dargestellt werden; das gilt insbesondere, wenn einige Taten zwischenzeitlich nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind und ein Abgleich mit der Anklageschrift nicht mehr ohne weiteres möglich ist.

b)

Sämtliche Einzelstrafen wurden dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, wobei das Urteil lediglich ausführt, dass "der Angeklagte jeweils gewerbsmäßig handelte". Die stichwortartige Erklärung der Einzelfälle lässt teils schon die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit zweifelhaft erscheinen. Zudem hat das Landgericht bei seiner Wertung und mithin bei der Bemessung der Einzelstrafen weder erkennbar bedacht noch erörtert, dass die Indizwirkung eines Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden kann, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint (BGH wistra 2008, 474, 476 m.w.N.). Das neue Tatgericht wird zu bedenken haben, dass in einer Reihe von Fällen die vom Angeklagten erstrebte Bereicherung und der Schaden unter 100 EUR, teilweise sogar unter 50 EUR lagen und dass weitere, auch gewichtige Strafmilderungsgründe gegeben sind (vgl. BGH wistra 2009, 272).

c)

Zu beachten ist weiter, dass in die erste gebildete Gesamtfreiheitsstrafe nach den gegenwärtigen Feststellungen lediglich sieben Einzelstrafen einzubeziehen sind. Soweit das angefochtene Urteil von neun Einzelstrafen ausgeht, übersieht es beim Einrücken und "Würdigen der Anklageinhalte", dass infolge einer von ihr möglicherweise zutreffend vorgenommenen, nicht aber erörterten materiellrechtlichen Zusammenfassung der angeklagten Einzelfälle 24 und 25 sowie 26 und 27 zwei Taten entfallen sind.

d)

Das neue Tatgericht wird im Rahmen der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) für die zu bildenden Gesamtfreiheitsstrafen das länger zurückliegende Ende der Tatserie im Jahre 2006 und die Entwicklung des Angeklagten in der Folgezeit zu erörtern haben. Auch daran ermangelt es dem angefochtenen Urteil.

Ende der Entscheidung

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