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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.08.1999
Aktenzeichen: 5 StR 207/99
Rechtsgebiete: StGB a.F., StPO
Vorschriften:
StGB a.F. § 253 | |
StGB a.F. § 255 | |
StGB a.F. § 250 Abs. 1 Nr. 2 | |
StPO § 265 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
11. August 1999
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. August 1999, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Basdorf, Richter Nack, Richterin Dr. Gerhardt als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt D als Verteidiger des Angeklagten O ,
Rechtsanwalt B als Verteidiger des Angeklagten H ,
Justizangestellte Bi als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11. Juni 1998, soweit es den Angeklagten O betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Raub schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision sowie die Revision der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten H
werden verworfen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft, soweit sie sich gegen die Verurteilung des Angeklagten H richtet, sowie die dem Angeklagten H durch das Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten O wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten H hat es - unter Freisprechung im übrigen - wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Vorverurteilungen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit der - insoweit vom Generalbundesanwalt vertretenen - Revision gegen die Verurteilung des Angeklagten O wendet, hat sie teilweise Erfolg; das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Schuldspruchänderung und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit der - insoweit vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen - Revision gegen die Verurteilung des Angeklagten H wendet, bleibt das Rechtsmittel erfolglos.
I. Nach den Feststellungen suchten die Angeklagten O und H am 14. Oktober 1997 die Zeugen Ha und N in deren Wohnung auf. Oertel beabsichtigte hierbei, eine - nicht bestehende - Geldschuld "einzutreiben". Zunächst versetzte er dem Zeugen Ha zwei bis drei Schläge, um diesen "von Anfang an so einzuschüchtern", daß er "später seiner Geldforderung freiwillig Folge leisten würde". Als der Zeuge jedoch die Herausgabe von Geld verweigerte, verlangte O , daß er ihm einen "Schuldschein" über 40 DM ausstelle. "Unter dem Eindruck der ... erhaltenen Schläge sowie aus Angst vor weiteren Tätlichkeiten" bestätigte der Zeuge Ha daraufhin auf einem Zettel, daß "O am 15.10.1997 um 10.00 Uhr von ihm 40 DM erhalten" werde. Danach stieß O - um "seiner Geldforderung Nachdruck zu verleihen" - mit den Knien in das Gesicht des Geschädigten, schlug ihn in den Nacken und auf den Rücken und nahm den Zeugen in den "Schwitzkasten". Sodann ergriff er ein auf dem Tisch liegendes Messer und brachte dem Geschädigten auf dessen entblößtem Rücken "zwei kreuzförmige, oberflächliche Schnittwunden" bei. H und die Zeugin N befanden sich während dieses letzten Vorfalls im Nebenzimmer und bemerkten den Einsatz des Messers nicht. Als die Zeugin N zurückkam, forderte O sie auf, mit ihm ins Badezimmer zu gehen. Dort tastete er die Frau nach Geld ab und entnahm ihrem Portemonnaie 17 DM. Die Zeugin ließ dies aus Angst, ebenfalls geschlagen zu werden, und "unter dem Eindruck der vorangegangenen Gewalthandlungen" gegen den Zeugen Ha widerstandslos geschehen. Sodann verlangte O von der Zeugin, daß sie ihm einen Schuldschein über 110 DM ausstelle. "Im Falle der Weigerung drohte er damit, sie und Herrn Ha umzubringen, die Wohnung zu zerstören und in Brand zu setzen". Aus Angst fertigte die Zeugin das geforderte Schriftstück. Während O mit der Zeugin im Bad war, schlug H , der Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Geldforderung des O hatte, dem Geschädigten Ha einmal mit dem Handrücken in das Gesicht, um der Geldforderung des O Nachdruck zu verleihen. Weitere Tathandlungen des H konnte das Landgericht nicht feststellen (UA S. 16).
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Schuldspruchänderung und Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, soweit der Angeklagte O betroffen ist.
1. Allerdings ist das Landgericht - anders als die Staatsanwaltschaft geltend macht - rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß die Tat zum Nachteil des Zeugen Ha im Versuchsstadium stecken geblieben ist. Zwar kann bereits die erzwungene Ausstellung eines Schuldscheins einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung darstellen. Dies setzt jedoch voraus, daß hierdurch das Vermögen schon konkret gefährdet, also mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist (BGHSt 34, 394, 395 m.w.N.). Dies ist dann der Fall, wenn bereits im Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Sicht des Genötigten konkret mit der Inanspruchnahme durch den nach Aushändigung der Erklärung beweisbegünstigten Täter zu rechnen ist (BGH NStZ-RR 1998, 233). Dafür, daß der Angeklagte O den mit Gewalt erzwungenen Schuldschein gerichtlich durchsetzen wollte, enthält das Urteil keine Anhaltspunkte. Dem Angeklagten kam es ausweislich der gesamten Tatumstände ersichtlich auf die unmittelbare Herausgabe von Geld an. Durch die erzwungene bloße Ausstellung eines Schuldscheins erlitt der Geschädigte unter den hier gegebenen Umständen somit noch keinen wirtschaftlichen Nachteil (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 1).
2. Das Landgericht hat jedoch verkannt, daß der Angeklagte O durch sein Verhalten gegenüber dem Zeugen Ha den Tatbestand der versuchten schweren räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. verwirklicht hat, indem er während der Tatbegehung zur weiteren Durchsetzung seines Erpressungszieles ein Messer ergriff und den Geschädigten damit verletzte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt ein Täter ein Tatmittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. auch dann bei sich, wenn er es zu irgendeinem Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung einsatzbereit bei sich hat, wobei es genügt, daß er das Mittel erst am Tatort ergreift (BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 2 Beisichführen 1, 3, 4 jeweils m.w.N.). Im vorliegenden Fall wollte der Angeklagte auch durch den Einsatz des Messers - wie vom Tatrichter festgestellt (UA S. 15) - seiner Geldforderung Nachdruck verleihen. Seine Äußerung, er wolle den Zeugen "tätowieren", kann angesichts des engen zeitlichen Zusammenhangs mit den vorangegangenen Schlägen nur in diesem Sinne verstanden werden.
3. Hinsichtlich der Tathandlungen einerseits zum Nachteil des Geschädigten Ha und andererseits zum Nachteil der Geschädigten N ist das Landgericht rechtsfehlerhaft von Tatmehrheit ausgegangen. Die Zeugin N hatte Angst, von dem Angeklagten ebenfalls geschlagen zu werden, und ließ deshalb die Wegnahme des Geldes geschehen. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, daß der Angeklagte hierbei unter Aufrechterhaltung und Ausnutzung der zuvor gegen Ha verübten Gewalt gehandelt, diese Situation erkannt und bewußt zum Zwecke der Wegnahme ausgenutzt hat (vgl. BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 3). Er hat somit die verschiedenen strafbaren Handlungen unter Ausnutzung einer einheitlichen, während des gesamten Geschehens fortwirkenden Gewalt vorgenommen (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 1 Konkurrenzen 7). In Fällen dieser Art ist von Tateinheit und nicht von Tatmehrheit auszugehen (vgl. auch BGHR StGB § 249 Abs. 1 Konkurrenzen 1).
4. Soweit der Angeklagte die Geschädigte N mit der Drohung, sie umzubringen und ihre Wohnung in Brand zu setzen, zur Ausstellung eines Schuldscheins genötigt hat, ist dieses Verhalten, das sich rechtlich als versuchte räuberische Erpressung darstellt, vom Landgericht nicht ausdrücklich mitabgeurteilt worden. Insoweit ist das strafbare Verhalten innerhalb der einheitlichen Tat als - den Schuldumfang mitbestimmender - Teil des Schuldspruchs wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu werten.
5. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Dem Angeklagten war bereits mit der Anklage versuchte schwere räuberische Erpressung zur Last gelegt worden. Dabei ging die Anklage ersichtlich davon aus, daß die Handlungen, die zur Ausstellung der Schuldscheine durch die Zeugen Ha und N führten, eine Tat im Rechtssinne darstellen.
Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, daß der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine höhere Strafe ausgesprochen hätte.
III. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung des Angeklagten H richtet, hat sie keinen Erfolg; das Rechtsmittel deckt keinen zu Gunsten - oder zum Nachteil - dieses Angeklagten wirkenden Rechtsfehler auf. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte H den Messereinsatz des Angeklagten O "nicht bemerkt" (UA S. 15). Eine weitere Tatbeteiligung, insbesondere hinsichtlich des Tatkomplexes zum Nachteil der Geschädigten N , konnte ebenfalls nicht festgestellt werden (UA S. 16). Die Verurteilung des Angeklagten (allein) wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung ist deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
IV. Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, wird die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurückverwiesen (BGHSt 35, 267).
Ende der Entscheidung
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