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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.07.1999
Aktenzeichen: 5 StR 219/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB-DDR, GG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB-DDR § 97
GG Art. 103 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 219/99

vom

26. Juli 1999

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen Totschlags u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 1999 beschlossen:

Tenor:

Die Revisionen der Angeklagten K und Ka gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 2. Juli 1998 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

Die Verurteilungen des Angeklagten K wegen Totschlags in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Rechtsbeugung, und des Angeklagten Ka wegen Beihilfe hierzu halten sachlichrechtlicher Prüfung stand. Der Angeklagte K wirkte als beisitzender Militärrichter beim Obersten Gericht der DDR an den 1979 und 1981 jeweils wegen Spionage im besonders schweren Fall verhängten - und später vollstreckten - Todesurteilen gegen die Offiziere und hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter T und Te mit. Wie das Schwurgericht aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung festgestellt hat, stimmte der Angeklagte K in beiden Fällen für die Verhängung der Todesstrafe. Der Angeklagte Ka , Leiter der Abteilung IA der Militärstaatsanwaltschaft in Berlin (Ost), hatte in beiden Fällen als staatsanwaltlicher Sitzungsvertreter in der Hauptverhandlung die Todesstrafe beantragt.

Rechtsfehlerfrei hat das Schwurgericht festgestellt, daß in beiden Fällen die Annahme der Voraussetzungen eines besonders schweren Falles der Spionage nicht auf Rechtsbeugung beruhte; für diesen Fall war nach § 97 StGB-DDR zur Tatzeit neben zeitiger (nicht unter fünf Jahren) oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe auch Todesstrafe angedroht. In beiden Fällen hat das Schwurgericht die Verhängung der Todesstrafe als Rechtsbeugung in der Form grausamen und überharten Strafens bewertet. Diese Auffassung steht im Einklang mit den Grundsätzen, die der Senat im Urteil vom 16. November 1995 - 5 StR 747/94 - zu Todesurteilen in politischen Strafverfahren in der DDR aufgestellt hat (BGHSt 41, 317). Für die hier zu beurteilenden Tatzeiten - mehr als zwanzig Jahre später als die in jener Entscheidung beurteilten Todesurteile - muß erst recht gelten, daß auch nach dem gemäß Art. 103 Abs. 2 GG maßgeblichen DDR-Recht die Verhängung der extremen Sanktion der Todesstrafe in Fällen, in denen nicht äußerstes Unrecht und schwerste Schuld zu sanktionieren waren, stets als Rechtbeugung zu beurteilen ist. Derart gravierende Delinquenz lag auch aus Sicht der DDR-Justiz in beiden Fällen nicht vor, und zwar augenfällig angesichts des übereinstimmenden Umstandes, daß der von den Verfolgten geplante Verrat noch nicht zur Ausführung gelangt war. Diese Wertung gilt ungeachtet dessen, daß bei dem Verfolgten T , dem ein etwas geringerer "Verratsumfang" zur Last lag (vgl. UA S. 46 f.), nicht nur eine abstrakte Gefährdung, sondern aufgrund von dessen Kontaktaufnahme zum West-Berliner Verfassungsschutz bereits eine gewisse konkrete Gefahr angenommen werden konnte, ferner auch unter Berücksichtigung der bei beiden Verfolgten aus Sicht der DDR-Justiz gegebenen gewichtigen Erschwerungsgründe, die in ihrer hohen verantwortlichen Stellung beim MfS, in dem - insbesondere angesichts eines geplanten Verrats einer Vielzahl von MfS-Agenten - durchaus beträchtlichen Gewicht des jeweiligen Spionagegegenstandes, möglicherweise auch in einem verstärkten Abschreckungsbedürfnis nach der Flucht des MfS-Offiziers S in die Bundesrepublik Deutschland gefunden werden konnten. Ohne Beginn der eigentlichen Verratstätigkeit lag desungeachtet trotz formeller Vollendung des Verbrechenstatbestandes - jedenfalls bei "Tätern" nicht allerhöchster Verantwortlichkeit und bei einem nicht ganz extrem gefährlichen Verratsgegenstand - der höchste Grad von Unrecht und Schuld ersichtlich nicht vor, der bei Todesurteilen allein das Verdikt der Rechtsbeugung hätte hindern können.

Der vor dem Tatrichter vorgebrachte Einwand, Verantwortliche für während des NS-Regimes verhängte Todesurteile hätten eine günstigere Behandlung erfahren als die Angeklagten (vgl. UA S. 45), ist zutreffend (vgl. BGHSt 41, 317, 329 f.); dies vermag den Schuldspruch indes nicht in Frage zu stellen und begründet auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der - zu jeweils vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilten - Angeklagten.



Ende der Entscheidung

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