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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 5 StR 249/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 2
StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 249/07

vom 10. Oktober 2007

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Dezember 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Die Begründung, mit der das Landgericht von der Regelwirkung der Vergewaltigung für die Annahme eines besonders schweren Falles ausgeht und den Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB zugrunde legt, hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die angestellten Erwägungen werden den Besonderheiten des Falles, die sich aus der Vorgeschichte sowie aus dem Tatablauf ergeben, nicht in jeder Hinsicht gerecht; insoweit erweist sich die gebotene Gesamtwürdigung als lückenhaft.

Das Landgericht hat eine Ausnahme von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei der Tat um eine "klassische Vergewaltigung" handele. Dabei hat die Strafkammer offensichtlich im Blick gehabt, dass sich in Fällen des Vaginalverkehrs - ebenso wie beim Oral- und Analverkehr - das Tatbestandsmerkmal "besonders erniedrigen" für die Annahme des Regelbeispiels der "Vergewaltigung" in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB grundsätzlich von selbst versteht und es daher insoweit keiner Prüfung und Darlegung der Einzelumstände der Tat bedarf (vgl. BGHR StGB § 177 Abs. 2 Strafrahmenwahl 12; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 67a u. 69). Das Vorliegen einer in diesem Sinne "klassischen Vergewaltigung" macht eine umfassende Prüfung des gesamten Tatbilds einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit aber nicht entbehrlich.

An dieser umfassenden Betrachtung fehlt es. Denn die Strafkammer lässt im Rahmen ihrer Erwägungen einen wesentlichen strafmildernden Gesichtspunkt unerwähnt. Sie berücksichtigt nicht, dass die später Geschädigte - wenn auch unbeabsichtigt - mit ihrem Verhalten nicht unerheblich zur Entwicklung des Geschehens beigetragen hat. Dass der Angeklagte sich bis kurz vor der Tat noch Hoffnungen auf weiterführende intime Kontakte mit der Nebenklägerin machte, bleibt auch angesichts des Umstands, dass sie ihn zunächst nicht in die Wohnung lassen wollte, jedenfalls nachvollziehbar. Denn die zuvor in der Gaststätte ausgetauschten intensiven Zärtlichkeiten waren eindeutig sexuell motiviert. Die Tatsache, dass die Nebenklägerin schließlich doch kein Interesse mehr an dem Angeklagten hatte, hielt sie diesem bewusst verborgen, da sie seine Annäherungen weiterhin zuließ. Vor diesem Hintergrund war aus seiner Sicht verständlich, dass er sich in der Wohnung der Nebenklägerin erneut um sexuellen Kontakt mit ihr bemühte. Zwar mag dies in keiner Weise zu entschuldigen, dass er den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten erzwang, nachdem er den entgegenstehenden Willen der Frau erkannt hatte, lässt seine Tat jedoch in milderem Licht erscheinen.

Bei einer diesen erheblich strafmildernden Gesichtspunkt umfassenden Gesamtschau ist es jedenfalls nicht fernliegend, das Vorliegen eines besonders schweren Falls zu verneinen und den Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen. Angesichts des Gewichts der Milderungsgründe und der Tatsache, dass die Nebenklägerin selbst ihr Verhalten während des Tatgeschehens nachträglich als nicht wehrhaft und energisch genug einschätzt, erscheint zudem nicht völlig ausgeschlossen, dass zumal vor dem Hintergrund der Anwendung nur sehr geringer Gewalt einer der Ausnahmefälle angenommen werden könnte, in denen trotz Verwirklichung eines Regelbeispiels im Sinne des § 177 Abs. 2 StGB bei entfallender Regelwirkung der Strafrahmen für den minder schweren Fall angewendet werden kann (§ 177 Abs. 5 StGB); der neue Tatrichter wird dies jedenfalls prüfen müssen.

Einer Aufhebung der dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bedarf es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt.

Ende der Entscheidung

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