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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 5 StR 273/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 129 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 273/06

vom 8. August 2006

in der Strafsache

gegen

wegen Steuerhehlerei u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. August 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 3. Februar 2006 nach § 349 Abs. 4 StPO

a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass

aa) der Angeklagte S. P. des bandenmäßigen Schmuggels, der Steuerhehlerei in zwei Fällen und der versuchten räuberischen Erpressung schuldig ist,

bb) der Angeklagte F. P. der Steuerhehlerei in zwei Fällen und des Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen schuldig ist,

b) in den Einzelstrafaussprüchen hinsichtlich der Taten 1, 2, 3 und 4 der Urteilsgründe und in den Aussprüchen über die Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.

2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. P. wegen bandenmäßigen Schmuggels, wegen Steuerhehlerei in zwei Fällen und wegen versuchter räuberischer Erpressung, jeweils in Tateinheit mit Bildung einer kriminellen Vereinigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten F. P. hat es - unter Einbeziehung einer einschlägigen Vorverurteilung - wegen Steuerhehlerei in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Bildung einer kriminellen Vereinigung, und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Rechtsmittel haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

a) Nach den Urteilsfeststellungen waren die Angeklagten Mitglieder einer auf Dauer angelegten, arbeitsteilig tätigen und hierarchisch strukturierten Gruppierung, deren Ziel der gewinnbringende Schmuggel und Absatz unversteuerter Zigaretten war. In Verfolgung dieses Ziels beteiligten sich die Angeklagten in einem Fall, für den der Angeklagte F. P. be-reits rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mit zwei weiteren Angehörigen der Gruppierung an der illegalen Einfuhr von 2.240.000 unversteuerten und unverzollten Zigaretten in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaften, indem sie den Weitertransport der über Griechenland eingeschmuggelten Zigaretten nach Deutschland organisierten. Durch diese Tat wurden Einfuhrabgaben in Höhe von 320.000 € hinterzogen (Fall 1 der Urteilsgründe). In zwei weiteren Fällen übergaben die Angeklagten unversteuerte Zigaretten, auf denen Tabaksteuer von knapp 58.000 € bzw. 125.000 € lasteten, aus Lagern in Koblenz bzw. Mühlheim zum Zwecke des Verkaufs an verschiedene Abnehmer (Fälle 2 und 3 der Urteilsgründe). Schließlich verlangte der Angeklagte S. P. unter Anwendung von körperlicher Gewalt und der Androhung weiterer Gewalt vom Zeugen M. 150.000 € als Ausgleich dafür, dass dieser die Zigaretten aus dem ersten Transport gestohlen hatte. Vor der erwarteten Geldübergabe wurde der Angeklagte S. P. festgenommen (Fall 4 der Urteilsgründe).

b) Die Urteilsfeststellungen tragen die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 Abs. 1 StGB) nicht. Die Bundesanwaltschaft hat hierzu in ihrer Zuschrift zutreffend ausgeführt:

"Nach gefestigter Rechtsprechung ist unter einer kriminellen Vereinigung ein auf eine gewisse Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen zu verstehen, die bei Unterordnung des Willens der Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen (vgl. BGHSt 28, 147; 31, 239 f.; BGH NStZ 2005, 377). In organisatorischer Hinsicht ist eine interne Verbandsstruktur dergestalt erforderlich, dass sich die arbeitsteilig koordinierte Durchsetzung der Vereinigungsziele nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht. Hinzukommen muss die subjektive Einbindung der Beteiligten in die internen Willensbildungsprozesse der Vereinigung. Ausgehend von dem Schutzzweck der Vorschrift ist Anwendungsvoraussetzung die Feststellung von verbandsinternen Entscheidungsstrukturen zur Herausbildung eines Gruppenwillens, den die Mitglieder als verbindlich anerkennen und zur Maxime ihres Handelns machen (vgl. BGHSt 31, 239, 240; BGH NStZ 2005, 377; MünchKommStGB/Miebach/Schäfer § 129a Rdn. 30 f.). Nachgerade hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Bande; denn diese muss weder eine fest gefügte Organisations- noch Entscheidungsstruktur zur Herausbildung eines Gesamtwillens der Mitglieder aufweisen (vgl. BGHSt 31, 202, 205; MünchKommStGB/Miebach/Schäfer § 129 a Rdn. 36 [f.])."

Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, verbindet diese, solange der Wille des Einzelnen maßgeblich bleibt und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt, noch nicht zu einer kriminellen Vereinigung. Dies gilt selbst dann, wenn eine Person als Anführer eingesetzt wird, nach dem sich die anderen richten. Der Erfassung krimineller Erscheinungsformen dieser Art dienen Strafbestimmungen, welche die bandenmäßige Begehung bestimmter Straftaten mit höherer Strafe bedrohen (vgl. BGH wistra 2004, 229, 230).

Eine ausreichend feste Verbandsstruktur zur organisierten Herausbildung eines Gruppenwillens, dem sich die Mitglieder unterordnen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Verbindliche Regeln, nach denen Entscheidungen innerhalb der Gruppe zu treffen waren, sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Erkennbar ist lediglich das gemeinsame Ziel, aus den Taten Einnahmen zu erzielen. Soweit der Tatrichter stattdessen maßgeblich auf die hierarchische Struktur der Gruppierung und eine arbeitsteilige Tatausführung abstellt (UA S. 20), kann dies nicht genügen. Auch das von der Strafkammer als Argument für die Annahme einer kriminellen Vereinigung herangezogene konspirative Verhalten der Angeklagten ist kein taugliches Abgrenzungskriterium gegenüber einer bloßen bandenmäßigen Begehungsweise, denn auch Bandenmitglieder werden - worauf die Bundesanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat - häufig derart vorgehen, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.

c) Der Senat ändert den Schuldspruch antragsgemäß dahin ab, dass die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung entfällt. Es ist auszuschließen, dass weitergehende Feststellungen möglich sind, die eine Verurteilung der Angeklagten wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung tragfähig begründen könnten.

d) Da das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung des Straftatbestandes des § 129 Abs. 1 StGB bei allen Steuerstraftaten und beim Angeklagten S. P. darüber hinaus auch bei der versuchten Erpressungstat jeweils unter ausdrücklichem Hinweis auf die mit den Straftatbeständen geschützten "unterschiedlichen Rechtsgüter" strafschärfend berücksichtigt hat, können die zugehörigen Einzelstrafen keinen Bestand haben. Der Wegfall der Einzelstrafen führt zur Aufhebung der Gesamtstrafenaussprüche. Die Feststellungen können indes bei dem hier allein vorliegenden Wertungsfehler insgesamt aufrechterhalten bleiben.

e) Bei Bildung der Gesamtstrafe bezüglich des Angeklagten F. P. wird der neue Tatrichter die Zäsurwirkung des Urteils vom 12. November 2004 zu beachten haben. Die Einzelstrafen aus der (rechtskräftigen) Verurteilung für die Tat vom 27. März 2004 und für die Tat vom 29. Juli 2004 auf der einen Seite und die Strafen für die Taten vom 29. November 2004, 4. Februar 2005, 24. April 2005 und 11. Mai 2005 auf der anderen Seite werden zu zwei getrennten Gesamtstrafen zusammenzuführen sein, die in ihrer Summe die Gesamtfreiheitsstrafe aus dem angefochtenen Urteil nicht überschreiten dürfen (vgl. § 358 Abs. 2 StPO).

Ende der Entscheidung

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