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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.04.1999
Aktenzeichen: 5 StR 275/98
(2)
Rechtsgebiete: StPO, StGB, GVG, StrEG
Vorschriften:
StPO § 154 Abs. 2 | |
StPO § 154 Abs. 1 Nr. 1 | |
StGB § 55 Abs. 1 | |
StGB § 55 | |
StGB § 58 Abs. 1 | |
StGB § 56 Abs. 2 Satz 1 | |
GVG § 132 Abs. 3 Satz 3 | |
StrEG § 4 Abs. 1 Nr. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
20. April 1999
in der Strafsache
gegen
wegen Brandstiftung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 1999 beschlossen:
Das Verfahren wird gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht Neuruppin hat mit Urteil vom 10. Februar 1998 gegen den Angeklagten wegen einer im Dezember 1996 begangenen Brandstiftung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt; es hat ihn "unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Stralsund - 3 Ls 186/96 - vom 8. April 1997 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Der einbezogenen, zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Stralsund lag eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit (teils versuchter) Steuerhinterziehung zugrunde; die Verhängung von Einzelstrafen ist in jenem Urteil nicht ausgewiesen.
Die Revision des Angeklagten führt zur Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO.
1. Die Gesamtstrafenbildung im angefochtenen Urteil steht im Ergebnis im Einklang mit dem Senatsurteil vom 10. April 1997 - 5 StR 507/96 - (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Einbeziehung 6 = NStZ 1997, 385), wonach auch in Fällen unterbliebener Einzelstraffestsetzung bei einer Vorverurteilung eine Anwendung des § 55 Abs. 1 StGB unter Zugrundelegung der denkbar günstigsten Einzelstrafen als zulässig und geboten erachtet wird. Gleichwohl kann der Senat die - zu Schuldspruch und Einzelstraffestsetzung sonst offensichtlich unbegründete - Revision des Angeklagten nicht verwerfen; daran hindert ihn, die Gesamtstrafe betreffend, entgegenstehende Rechtsprechung anderer Strafsenate zur Unanwendbarkeit des § 55 Abs. 1 StGB in Fällen dieser Art (Beschluß des 2. Strafsenats vom 26. März 1997 - 2 StR 107/97 -, BGHSt 43, 34; Beschluß des 3. Strafsenats vom 6. Dezember 1995 - 3 StR 550/95 -, BGHSt 41, 374; Beschluß des 4. Strafsenats vom 19. Juni 1998 - 4 StR 230/98 -, BGH NStZ-RR 1998, 296 -).
2. Auf die Anfrage des Senats vom 7. Dezember 1998 (abgedruckt in wistra 1999, 99 und NStZ 1999, 185) haben der 2. Strafsenat mit Beschluß vom 15. Januar 1999 - 2 ARs 535/98 - und der 4. Strafsenat mit Beschluß vom 23. Februar 1999 - 4 ARs 11/98 - an ihren Auffassungen festgehalten. Der 3. Strafsenat (Beschluß vom 13. Januar 1999 - 3 ARs 17/98 -) tritt einer Einzelstrafbestimmung in der einzubeziehenden Sache nach dem Zweifelsgrundsatz ebenfalls nach wie vor entgegen; er hält indes in Fällen dieser Art die Einbeziehung der Gesamtstrafe - ähnlich wie bei Einbeziehung einer "Hauptstrafe" nach DDR-Strafrecht - für angezeigt (das entspräche der Verfahrensweise des Landgerichts im vorliegenden Fall, so daß auch danach hier die Revision zu verwerfen wäre). Auch jener Lösung ist der 4. Strafsenat in seiner Antwort nach § 132 Abs. 3 Satz 3 GVG ausdrücklich entgegengetreten, und zwar unter Heranziehung von Argumenten aus einem Beschluß des mit dem Streit um die Rechtsfrage nicht unmittelbar befaßten 1. Strafsenats vom 3. Februar 1999 - 1 ARs 14/98 - .
3. Zwar hält der Senat seine ursprüngliche Auffassung nach wie vor für vorzugswürdig. Er könnte sich auch der Auffassung des 3. Strafsenats anschließen; die aufgeführten Gegenargumente erscheinen wenig stichhaltig, sie würden bei rechtskräftig tateinheitlich abgeurteilten Serienstraftaten mit langer Gesamttatzeit in ähnlicher Weise auftreten.
Indes stellt der Senat seinen Rechtsstandpunkt zurück. Er hält eine Vorlage der streitigen Rechtsfrage an den Großen Senat für Strafsachen hier für untunlich. Der Anwendungsbereich des § 55 StGB, zumal in seiner Ausgestaltung durch die Rechtsprechung, ist insgesamt überaus kompliziert (vgl. nur BGH, Beschluß vom 2. Februar 1999 - 1 StR 3/99 -) und - wie die Sanktionierung von Mehrfachtätern im Erwachsenenstrafrecht insgesamt - dringend reformbedürftig. Hier wirkt sich die Nichtvorlage nur zugunsten des Angeklagten aus.
4. Naheliegend müßte - da eine Einbeziehung der zweijährigen Gesamtfreiheitsstrafe, die gesondert bestehen bleibt, nicht in Betracht kommt - auf die Revision des Angeklagten nach dem Verschlechterungsverbot (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 4) die für die Brandstiftung verhängte Einzelstrafe auf ein Jahr Freiheitsstrafe reduziert werden. Da der Angeklagte in dieser Sache mehr als ein Jahr Untersuchungshaft verbüßt hat, stellte sich die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nicht (die den Senat bindende Auffassung der anderen Strafsenate hätte sonst im vorliegenden Fall in konsequent gebotener Vernachlässigung der Obergrenze aus § 58 Abs. 1, § 56 Abs. 2 Satz 1 StGB die Verhängung von insgesamt drei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung ermöglicht).
Nachdem der Angeklagte auf - grundsätzlich mögliche (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG) - Entschädigung verzichtet hat, erscheint bei dieser Sachlage die vom Generalbundesanwalt nach Erfüllung dieser Voraussetzung beantragte Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO wegen des nicht beträchtlichen Gewichts der noch zulässigen Sanktion neben der nicht einbeziehungsfähigen Gesamtstrafe vorzugswürdig.
Ende der Entscheidung
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