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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.07.1998
Aktenzeichen: 5 StR 302/97
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 136a |
Zur Frage der Verwertbarkeit von selbstblastenden Angaben des Beschuldigten gegenüber einem Mitgefangenen in der Untersuchungshaft (Fortführung von BGHSt 34, 362; 42, 139).
BGH, Urt. v. 21. Juli 1998 - 5 StR 302/97 - SchwG-Berlin
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom 21. Juli 1998
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 21. Juli 1998, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Laufhütte,
Richterin Harms, Richter Basdorf, Richter Nack, Richterin Dr. Tepperwien als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt D als Verteidiger der Angeklagten C
Rechtsanwalt T als Verteidiger des Angeklagten T ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 1996 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld angenommen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben mit einer von beiden Rechtsmittelführern erhobenen Verfahrensrüge Erfolg; eines Eingehens auf die Sachrügen bedarf es daher nicht.
Mit Recht beanstanden die Angeklagten, die die Tat bestritten haben, daß das Landgericht die durch die Zeugin S in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Angeklagten C zum Tathergang ohne nähere Aufklärung ihres Zustandekommens verwertet hat.
I.
1. Die Zeugin S , die in der Berliner Justizvollzugsanstalt für Frauen eine mehrjährige Freiheitsstrafe unter anderem wegen eines Betäubungsmitteldelikts verbüßt, gibt vor, inhaftierten Frauen die Zukunft aus dem Kaffeesatz und aus Zigarettenasche lesen zu können. Sie bezeichnet sich selbst als Wahrsagerin und verspricht ihren Mitgefangenen, durch ihre "übersinnlichen Kräfte" - unter Verwendung der Beschwörungsformel "Mund zu" - Polizei, Staatsanwaltschaft und Richterschaft so zu beeinflussen, daß die Betroffenen ein mildes Urteil erhalten oder freigesprochen werden. Den Einsatz ihrer übersinnlichen Kräfte macht sie jedoch unter anderem davon abhängig, daß ihre Gesprächspartner sich ihr rückhaltlos offenbaren und den Tathergang schriftlich niederlegen. Nach ihren eigenen zeugenschaftlichen Angaben in diesem Ermittlungsverfahren will sie, bevor sie ihr Wissen über die mit der Angeklagten C in der Justizvollzugsanstalt geführten Gespräche sowie über die Ausforschung einer weiteren des versuchten Mordes verdächtigen Frau der Kriminalpolizei zur Verfügung stellte, bereits sieben Jahre mit der Polizei zusammengearbeitet haben. Mit der Angeklagten C haben nach Aussage der Zeugin S , die insoweit von der Angeklagten C nicht in Abrede gestellt wird, acht bis zehn "Sitzungen" stattgefunden, bei denen es der Zeugin S große Mühe bereitet habe, die Angeklagte dazu zu bringen, ihr gegenüber mündlich und schriftlich über ihre Tat zu berichten.
2. Die Verteidiger beider Angeklagter haben in der Hauptverhandlung der Einführung der Angaben der Angeklagten C gegenüber der Zeugin S und der Verwertung dieser Angaben widersprochen. Sie haben in diesem Zusammenhang die Anhörung von Beamten der Ermittlungsbehörden beantragt, die bekunden würden, die Zeugin S sei in der Haft von den Ermittlungsbehörden mit dem Ziel auf die Angeklagte "angesetzt" worden, diese über die ihr zur Last gelegte Tat auszuforschen. Letzteres werde mittelbar durch die Aussagen von Mitgefangenen bestätigt werden. So werde eine Mitgefangene bekunden, daß die Zeugin S ihr gegenüber erklärt habe, sie sei von den Ermittlungsbehörden auf Mitgefangene "angesetzt", wobei ihr zugesichert worden sei, daß sie mit erheblichen Vergünstigungen im Strafvollzug rechnen könne, wenn sie in drei wichtigen - darunter auch dem vorliegenden - Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nützliche Erkenntnisse liefere. Ferner haben die Verteidiger beantragt, mehrere Mitgefangene zu hören, die bekunden würden, die Zeugin S habe ihnen - wie auch im Fall der Angeklagten - nicht nur eine günstige Beeinflussung der Justizorgane versprochen und Bestrafung durch okkulte Mächte angedroht, wenn sie sich ihr gegenüber nicht rückhaltlos offenbarten, sondern sie hätte sie zu Beginn der "Sitzungen" Zigaretten rauchen lassen, die Haschisch und Marihuana in unbekannter Konzentration enthielten. Zum Nachweis dafür, daß bei rauschmittelungewohnten Personen wie der Angeklagten durch das Rauschgiftgemisch Widerstände gegen Suggestionen abgebaut würden, ein Realitätsverlust sowie Denk- und Wahrnehmungsstörungen aufträten, hat die Verteidigung die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Das Landgericht hat den Widerspruch gegen die Vernehmung der Zeugin S über die ihr von der Angeklagten gemachten Angaben zum Tathergang zurückgewiesen und die beantragten Zeugen- und Sachverständigenvernehmungen abgelehnt, da sie aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung ohne Bedeutung seien. Zwar möge es zutreffen, daß
- die Zeugin S nicht nur mit der Angeklagten, sondern auch mit anderen Mitgefangenen Gespräche über die diesen zur Last gelegten Straftaten geführt und dabei "okkulte Handlungen" vorgenommen habe;
- sie mit Allah gedroht habe (wenn sich die Frauen ihr gegenüber nicht offenbarten);
- sie mit den Betroffenen Haschisch und Marihuana geraucht habe und daß es dabei zu den von der Verteidigung beschriebenen Bewußtseinsveränderungen gekommen sei;
- Beamte, die mit der Zeugin S Kontakt in der Justizvollzugsanstalt aufgenommen haben, von dieser Vorgehensweise der Zeugin Kenntnis hatten;
- die Zeugin S auch bei der Angeklagten so vorgegangen sei und dabei die gleichen Wirkungen wie bei den in den Anträgen der Verteidigung benannten Mitgefangenen erzielt habe.
Darauf komme es aber nicht an. Ein Beweisverwertungsverbot für die Angaben der Angeklagten C gegenüber der Zeugin S ergebe sich aus den genannten Umständen nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 1996 (BGHSt 42, 139) auch dann nicht, wenn die Ermittlungsbehörden Kenntnis von der von der Verteidigung behaupteten Vorgehensweise der Zeugin S gehabt hätten. Maßgeblich sei allein die Frage, ob die Zeugin S die Angeklagte zu Unrecht belastet habe.
3. In den Urteilsgründen sieht es das Landgericht aufgrund der Aussage einer Mitgefangenen für erwiesen an, daß sich die Zeugin S für Aussagen zum Nachteil der Angeklagten und anderer Inhaftierter Vorteile versprochen hat. Es schließt auch nicht aus, daß die Zeugin S einen gewissen Druck auf die Angeklagte ausgeübt, ihr mit der "Rache Allahs" gedroht und ihr Haschisch und Marihuana verabreicht hat. Anhaltspunkte für die Behauptung der Verteidigung, die Zeugin S sei durch die Ermittlungsbehörden als "Polizeispitzel" eingesetzt worden, lägen jedoch nicht vor. Vielmehr habe sich die Zeugin S aus eigenem Entschluß den Ermittlungsbehörden angedient, weil sie sich hiervon Vorteile versprochen habe. Selbst wenn aber der entgegenstehende Vortrag der Verteidigung zutreffe, so ergebe sich daraus nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Beweisverwertungsverbot.
Das Landgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft der beiden Angeklagten wesentlich auf die Aussage der Zeugin S über die ihr von der Angeklagten C mitgeteilten Angaben zum Tatgeschehen, aus denen nach der Überzeugung des Schwurgerichts Täterwissen spricht.
II.
Die Verwertung der Angaben, die die Angeklagte gegenüber der Zeugin S gemacht hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; angesichts der von der Zeugin S bekundeten langjährigen Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und der vom Landgericht aufgrund verschiedener Anhaltspunkte für möglich oder sogar für naheliegend erachteten Befragungsmethoden der "Wahrsagerin" hätte das Schwurgericht die Aussage der Zeugin S der Verurteilung der Angeklagten nicht zugrundelegen dürfen, ohne zuvor aufzuklären, ob sich aus dem Kontakt der Zeugin S zu den Ermittlungsbehörden in Verbindung mit den Umständen der Ausforschung der Angeklagten in der Untersuchungshaft ein Verstoß gegen § 136a Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung ergab. Zwar können die hierfür erforderlichen Feststellungen nach den Regeln des sogenannten Freibeweises erfolgen, so daß es entgegen der Auffassung der Revisionsführer einer förmlichen Bescheidung der von der Verteidigung gestellten Anträge nicht notwendig bedurfte (vgl. BGHSt 16, 164, 166). Vielmehr ist es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters überlassen, wie er sich die Überzeugung vom Zustandekommen einer Beschuldigtenaussage verschaffen will. Gerade bei der Behauptung der Anwendung unzulässiger Vernehmungsmethoden wird es häufig an genügend konkreten Anhaltspunkten fehlen, die den Tatrichter zu umfangreichen Ermittlungen drängen müßten. So lag es hier jedoch nicht, da dem Landgericht bereits aus den Akten Hinweise auf eine Zusammenarbeit der Zeugin mit der Polizei vorlagen und die Zeugin sich dem Landgericht als "schillernde", in der Wahl ihrer Methoden fragwürdige Person darstellte. Vielmehr hat das Landgericht eine Aufklärung der näheren Umstände des Zustandekommens der Aussagen der Angeklagten gegenüber der Zeugin S deshalb unterlassen, weil es sich den Blick für eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung dadurch versperrt hat, daß es für ein Verwertungsverbot aufgrund verbotener Befragungsmethoden einen zu engen Maßstab angelegt hat.
1. Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (BGHSt 42, 139) liegt kein Verstoß gegen die Vorschriften der Strafprozeßordnung vor, der ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben könnte, wenn Ermittlungsbehörden eine Privatperson veranlassen, mit einem Tatverdächtigen ohne Aufdeckung der Ermittlungsabsicht ein auf die Erlangung von Angaben zum Untersuchungsgegenstand gerichtetes Gespräch zu führen. Jedenfalls wenn es um die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht und die Erforschung des Sachverhalts unter Einsatz anderer Ermittlungsmethoden erheblich weniger erfolgversprechend und wesentlich erschwert gewesen wäre, liegt in dem oben genannten Vorgehen auch keine Verletzung allgemeiner, der Strafprozeßordnung übergeordneter und sie ergänzender rechtsstaatlicher Grundsätze. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt sich jedoch, daß diese Leitsätze trotz ihrer allgemein gehaltenen Formulierung ausschließlich den Umstand einer rechtlichen Bewertung unterziehen, daß ein Tatverdächtiger auf staatliche Veranlassung durch eine Privatperson ohne Offenlegung des staatlichen Ermittlungsauftrags ausgeforscht wird. Dieses Verhalten stellt, für sich genommen, - entgegen der Rechtsauffassung der Revisionen - weder einen Verstoß gegen die Belehrungspflichten der §§ 163a, 136 Abs. 1 StPO noch eine Täuschung im Sinne der unmittelbar oder entsprechend angewendeten Vorschriften der §§ 163a, 136a Abs. 1 StPO dar, noch verstößt es gegen den Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" (BGH aaO). Dies besagt jedoch nicht, daß dem Einsatz von Privatpersonen zur Aufklärung von Straftaten keine aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem aus ihm hervorgehenden Grundsatz des fairen Verfahrens abgeleiteten Grenzen gesetzt sind, wenn zur Heimlichkeit der Ausforschung weitere Umstände hinzutreten, die die Freiheit des Beschuldigten, sich über seine Tat zu äußern, zusätzlich beeinträchtigen (BGH aaO S. 154 f.).
2. § 136a StPO stellt die prozeßrechtliche Ausformung des Leitgedankens der Rechtsstaatlichkeit dar, unter dem nach Art. 20 Abs. 3 GG das gesamte Strafverfahren steht (BGHSt 31, 304, 308). Die Norm richtet sich daher grundsätzlich an staatliche Organe, denen jede Beeinflussung der Willensentschließung oder -betätigung des Beschuldigten durch Zwang oder vergleichbar schwere Eingriffe untersagt ist; Verstöße gegen die genannten Verbote ziehen gemäß § 136a Abs. 3 StPO ein Verwertungsverbot nach sich. Da Privatpersonen in keiner vergleichbaren Pflichtenstellung wie Ermittlungsbehörden stehen, unterliegen die von diesen Personen mit Mitteln des § 136a Abs. 1 StPO gewonnenen Angaben regelmäßig keinem Verwertungsverbot (h. M.; vgl. BGHSt 27, 355, 357 Hanack in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 136a Rdn. 9 m.w.N.; kritisch Rogall ZStW 91, 1, 41). Jedoch gebietet es der Schutzzweck des § 136a StPO, in entsprechender Anwendung der Norm ein Verwertungsverbot dann anzunehmen, wenn sich staatliche Behörden die in § 136a Abs. 1, 2 StPO umschriebenen Verhaltensweisen Privater zurechnen lassen müssen. Eine solche - auf Ausnahmefälle beschränkte - Zurechnung kann sich sowohl aus der Art des Zusammenwirkens zwischen den Ermittlungsbehörden und der Privatperson ergeben als auch aus den Umständen, unter denen die Privatperson zu beweiserheblichen Angaben eines Tatverdächtigen gelangt.
Eine solche Zurechnung kommt hier insbesondere deshalb in Betracht, weil die Zeugin S die Angeklagte unter den besonderen Bedingungen der Untersuchungshaft ausgeforscht hat.
a) Eine unzulässige Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und damit ein Verstoß gegen die §§ 163a, 136a Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung mit der Folge eines Verwertungsverbots für die so erlangten Erkenntnisse kann nach der Rechtsprechung des Senats (BGHSt 34, 362) schon dann vorliegen, wenn die Ermittlungsbehörden einen Mithäftling, der den Auftrag hat, den Beschuldigten über die diesem zur Last gelegte Tat auszuforschen, in einen so engen Kontakt mit dem Beschuldigten bringen, daß dessen Möglichkeit, sich der Einflußnahme des "Polizeispitzels" zu entziehen, maßgeblich eingeschränkt wird. Der von der Untersuchungshaft ausgehende Zwang, der den Zweck hat, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Strafverfolgung sicherzustellen, darf nicht dazu mißbraucht werden, die Aussage eines Beschuldigten zu beeinflussen, ihn insbesondere zu veranlassen, von seinem Schweigerecht keinen Gebrauch zu machen. In der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs ist eine solche Fallkonstellation ausdrücklich als Beispiel dafür bezeichnet worden, daß dem Einsatz von Privatpersonen bei der Aufklärung von Straftaten rechtsstaatliche Grenzen gesetzt sind (BGHSt 42, 139, 154).
Das Landgericht war daher gehalten zu prüfen, ob und gegebenenfalls unter Einsatz welcher Mittel die Ermittlungsbehörden die Zeugin S auf die Angeklagte "angesetzt" haben. Zwar stellt das Schwurgericht, das mit einer Hilfserwägung ein gezieltes "Ansetzen" der Zeugin S auf die Angeklagte durch die Ermittlungsbehörden in Kenntnis von deren fragwürdigen Vernehmungsmethoden für unerheblich hält, in den Urteilsgründen ohne nähere Begründung fest, daß für die von der Verteidigung behauptete Spitzeltätigkeit der Zeugin keinerlei Anhaltspunkte bestünden. Angesichts der systematischen Vorgehensweise der Zeugin S bei der Ausforschung mehrerer Mitgefangener (Sammeln schriftlicher, von der jeweiligen Gefangenen unterschriebener Selbstbelastungen) und angesichts der von ihr bekundeten langjährigen Zusammenarbeit mit der Polizei kann dieser Wertung aber nicht gefolgt werden.
b) Der Umstand, daß die Ausforschung der Angeklagten in der Untersuchungshaft stattfand, verliert jedoch auch dann nicht seine Bedeutung, wenn sich die Zeugin S - wie vom Landgericht unterstellt - den Ermittlungsbehörden von sich aus als "Polizeispitzel" angedient haben sollte und diese sie unter Inkaufnahme ihrer - den Ermittlungsbehörden bekannten - Methoden haben gewähren lassen. Zwar wäre bei einer solchen Fallgestaltung nicht die Zwangswirkung der Untersuchungshaft gezielt dazu eingesetzt, die Angeklagte zur Selbstbelastung zu veranlassen (vgl. BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 3). Nach dem Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. September 1988 (BGHR StPO § 136a Abs. 1 Zwang 2) sind Ermittlungsbehörden deshalb auch nicht grundsätzlich gehalten, Kontakte zwischen Mitgefangenen zu unterbinden, wenn sich das Verhalten eines Gefangenen darauf beschränkt, das Vertrauen des Beschuldigten zu gewinnen, um ihn auf diese Weise zu einer Tatschilderung zu veranlassen.
Das vom Landgericht unterstellte Vorgehen der Zeugin S ging jedoch darüber hinaus. Danach hat die Zeugin S der Angeklagten unter Ausnutzung abergläubischer Vorstellungen vorgespiegelt, bei Ablegen eines Geständnisses einen günstigen Einfluß auf ihr Strafverfahren zu nehmen, ihr darüber hinaus mit der Rache "höherer Mächte" gedroht, falls sie sich der Zeugin nicht rückhaltlos offenbare. Können bereits diese Vorgehensweisen eine nicht unerhebliche Beeinflussung der Willensfreiheit der Angeklagten in Bezug auf ihr Aussageverhalten darstellen, so gilt dies verstärkt für eine vom Landgericht ebenfalls unterstellte zusätzliche Beeinflussung durch Drogen mit bewußtseinsverändernder Wirkung.
Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob Ermittlungsbehörden bei Kenntnis solcher Ausforschungsmethoden aus Gründen der Erhaltung rechtsstaatlichen Ansehens grundsätzlich gehalten sind, einer (weiteren) Ausforschung von Verdächtigen durch Informanten, die sich hiervon Vorteile versprechen, entgegenzuwirken. Jedenfalls ergibt sich eine solche Verpflichtung für Untersuchungsgefangene aus dem besonderen Gewaltverhältnis, in dem sich diese befinden. Müssen Untersuchungsgefangene im Interesse einer geordneten Strafrechtspflege Einschränkungen ihrer physischen und psychischen Freiheit hinnehmen, so trifft den Staat im Gegenzug die Verpflichtung, sie vor massiven Eingriffen nicht nur in ihre körperliche Integrität, sondern auch in die Freiheit selbstbestimmten Verhaltens zu schützen, denen sie infolge der Haftsituation - anders als bei der Wahl sozialer Kontakte im freien Leben - nur begrenzt ausweichen können (vgl. auch Seebode, Der Vollzug der Untersuchungshaft, 1985, S. 68 f.). Erfüllen staatliche Behörden diese Verpflichtung nicht, obwohl sie von massiven Übergriffen oder gar Straftaten im Zusammenhang mit der Ausforschung Tatverdächtiger durch Mithäftlinge Kenntnis haben oder bei pflichtgemäßer Erfüllung ihrer Aufgaben hätten Kenntnis haben müssen, so ist ihnen das Verhalten ihrer Informanten zuzurechnen. Eine von den Ermittlungsbehörden geduldete oder pflichtwidrig nicht erkannte schwerwiegende Zwangswirkung, wie sie angesichts der Unbestimmtheit der von der Zeugin S geäußerten Drohungen insoweit eher fernliegen mag, bei einer aufgedrängten oder gar erzwungenen Verabreichung von Rauschmitteln, die eine nicht unerhebliche Enthemmung der auszuforschenden Person bewirken, aber zu bejahen wäre, würde daher in entsprechender Anwendung des § 136a Abs. 3 StPO zu einem Verwertungsverbot für die dabei gewonnenen Erkenntnisse der Informantin führen und mußte deshalb vom Landgericht aufgeklärt werden.
Da die in § 136a StPO bezeichneten Vorgehensweisen nur beispielhaft für verbotene Beweismittelgewinnung stehen (vgl. BGHSt 5, 332, 334; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 43. Aufl. § 136a Rdn. 6), kann dahinstehen, ob das den Ermittlungsbehörden zurechenbare Verhalten der Privatperson in der Untersuchungshaft - hier die Verabreichung von Mitteln im Sinne des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO - die Rechtsfolge des § 136a Abs. 3 StPO nach sich zieht (so die überwiegende Literatur; vgl. Fezer JZ 1987, 937; Grünwald StV 1987, 470, 471; Roxin NStZ 1995, 465, 467; 1997, 18 f.; Seebode JR 1988, 426, 430) oder ob erst die von der Untersuchungshaft ausgehende Zwangswirkung, die hier zur Zurechnung des Verhaltens von Privatpersonen führen kann, der angewendeten Methode das entscheidende Gepräge gibt, so daß insgesamt von verbotenem Zwang im Sinne von § 136a Abs. 1 Satz 2 StPO auszugehen ist (vgl. BGHSt 34., 362 f.; zust. Schneider JR 1996, 40I, 407).
III.
Da die vom Landgericht getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des übrigen Akteninhalts nicht ausreichen, um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob die durch die Zeugin S in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben der Angeklagten C einem Verwertungsverbot unterliegen, verweist er die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu neuer Verhandlung an das Landgericht zurück. Zwar erfolgt die Feststellung der für die Anwendung des § 136a StPO maßgeblichen Umstände im Freibeweis, den zu erheben grundsätzlich auch dem Revisionsgericht gestattet ist (BGHSt 16, 164, 166). Art und Umfang der zu erhebenden Beweise, so unter anderem die möglicherweise erforderliche Vernehmung inhaftierter Zeugen, deren persönlicher Eindruck für die Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit von Bedeutung ist, lassen das Revisionsverfahren hierfür jedoch im vorliegenden Fall als ungeeignet erscheinen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2, Unerreichbarkeit 1 bei unzureichender Aufklärung der freibeweislich zu ermittelnden Unerreichbarkeit eines Zeugen durch den Tatrichter).
Ende der Entscheidung
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