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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 5 StR 315/06
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 2 | |
StPO § 349 Abs. 4 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2006
beschlossen:
Tenor:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 16. Dezember 2003 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen und Bestechung in zwei Fällen verurteilt ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung in sieben Fällen, gemeinschaftlicher Bestechung in einem Fall sowie wegen Bestechung in einem weiteren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Verfahrensbeanstandungen und die gegen den Schuldspruch gerichteten sachlichrechtlichen Angriffe des Beschwerdeführers bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft vom 18. August 2006 ohne Erfolg. Zur Klarstellung lässt der Senat in der Urteilsformel die Kennzeichnung von Taten als gemeinschaftlich begangen entfallen (vgl. BGHSt 27, 287, 289; vgl. auch Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 260 Rdn. 24 m.w.N.).
2. Der Strafausspruch kann insgesamt keinen Bestand haben, weil sich das Landgericht in den Urteilsgründen nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob im vorliegenden Fall eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben war.
Zwar muss ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben. Ergeben sich indes bereits aus den Urteilsgründen die Voraussetzungen einer solchen Verzögerung, hat das Revisionsgericht auf die Sachrüge hin einzugreifen. Das Gleiche gilt, wenn sich bei der auf die Sachrüge veranlassten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung drängen mussten, so dass ein sachlichrechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt (BGHSt 49, 342).
So verhält es sich hier, denn das Landgericht hätte bei der vorliegenden außergewöhnlich langen Verfahrensdauer erörtern müssen, ob eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gegeben war. Dies gilt in ganz besonderem Maße im Hinblick auf die bereits in den Jahren 1992 bis 1995 begangenen Taten der Steuerhinterziehung. Das insoweit ausweislich der Urteilsgründe schon seit 1996 gegen den Angeklagten geführte Ermittlungsverfahren wurde bereits am 6. Oktober 1998 mit Anklageerhebung abgeschlossen. Gleichwohl - und ohne dass sich das Urteil zu dem dazwischen liegenden Zeitraum verhält - eröffnete das Landgericht das Hauptverfahren erst am 25. Januar 2002. Auch das Ermittlungsverfahren wegen der dem Angeklagten zur Last gelegten Bestechungstaten aus den Jahren 1994 und 1995 wurde bereits am 15. August 2000 mit Anklageerhebung abgeschlossen. Die Hauptverhandlung fand dagegen erst vom 25. April bis zum 16. Dezember 2003 statt und begann damit erst mehr als viereinhalb Jahre nach Erhebung der Anklage wegen des Vorwurfes der Steuerhinterziehung und mehr als zweieinhalb Jahre nach Anklageerhebung wegen des Tatvorwurfes der Bestechung. Bei dieser Sachlage hätte sich das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung nicht damit begnügen dürfen, den "verhältnismäßig lange zurückliegenden Tatzeitraum" (UA S. 122) und die "Belastungen, denen der Angeklagte durch das seit 1996 andauernde Strafverfahren einschließlich der acht Monate dauernden Hauptverhandlung ausgesetzt war" (UA S. 117) lediglich pauschal strafmildernd in Ansatz zu bringen. Vielmehr hätte es die Gründe für die lange Verfahrensdauer, insbesondere diejenige nach Anklageerhebung, die sich nicht ohne weiteres aus der Komplexität des Verfahrensgegenstandes ergibt, erörtern und im Falle einer - hier nicht fern liegenden - rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung das Maß der gebotenen Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret bestimmen müssen (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 16).
Trotz der angesichts des festgestellten Sachverhalts erkennbar moderaten Strafzumessung kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil, soweit es den Beschwerdeführer betrifft, auf diesem Erörterungsmangel beruht. Gegen ihn sind die verhängten Strafen ohnehin deswegen deutlich zu ermäßigen, weil das Verfahren seit Urteilserlass erheblich verzögert worden ist. Das Urteil ist den Verteidigern des Angeklagten im Februar/März 2004 zugestellt worden und wurde von diesen noch im März 2004 begründet. Die Verfahrensakten gingen gleichwohl erst im Juli 2006 bei der Bundesanwaltschaft ein und wurden dem Senat erst im August 2006 vorgelegt. Dies ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 166; wistra 1999, 261). Die Gründe für diese Verfahrensverzögerung liegen ersichtlich im Bereich der Justiz.
3. Im Rahmen der neuen Strafzumessung wird das Landgericht die im angefochtenen Urteil versäumte Festsetzung der Tagessatzhöhe für die Einzelgeldstrafen (vgl. BGHSt 30, 93) nachzuholen haben.
Ende der Entscheidung
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