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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 5 StR 424/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StGB § 62
StGB § 63
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 424/07

vom 5. März 2008

in dem Sicherungsverfahren

gegen

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. März 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. März 2007 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Beschuldigten hat, wie auch vom Generalbundesanwalt beantragt, Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts leidet die 1967 geborene Beschuldigte mindestens seit 1995 an einer schizophrenen Erkrankung in Form einer paranoiden Psychose, die auf eine organische Ursache (Lues) zurückgeht oder sich endogen entwickelt hat. Im August 1994 zündete die Beschuldigte in der Unterkunft, in der sie damals lebte, Bekleidung ihrer Kinder an. Sie wurde daraufhin nach dem Gesetz für Psychisch Kranke (PsychKG) untergebracht. Das Amtsgericht bestellte ihr einen Betreuer. Die Staatsanwaltschaft stellte das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Brandstiftung ein. Im Jahr 1996 befand sie sich für mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik. Die von verschiedenen Sachverständigen in den Jahren 1995, 1997 und 2002 über die Beschuldigte erstatteten Gutachten wiesen als Diagnose eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie aus.

Zu der Anlasstat hat das Landgericht festgestellt, dass die Beschuldigte sich im April 2006 in ihrer Wohnung mit einer brennenden Zigarette in das Bett legte, einschlief und erst wieder erwachte, als das Bett bereits lichterloh brannte. Sie versuchte vergeblich, das brennende Bett durch die Zimmertür zu schieben. Das Feuer, durch das der Fußboden in Brand geraten und eine Couch teilweise verbrannt war, konnte durch die von einem Zeugen gegen 1.00 Uhr alarmierte Feuerwehr gelöscht werden. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung war die Beschuldigte schuldunfähig.

Die in der Hauptverhandlung auch zur Prognose vernommene Sachverständige, deren Erwägungen sich der Tatrichter angeschlossen hat, hat dargelegt, infolge der Psychose der Beschuldigten, die unter anderem in einer Denkzerfahrenheit zum Ausdruck komme, sei auch in Zukunft damit zu rechnen, dass die Beschuldigte im Zusammenhang mit dem Umgang mit Feuer die jedem klar denkenden Menschen einleuchtenden Vorsichtsmaßregeln missachte. Dass die Beschuldigte seit dem Vorfall im Jahr 1994 unauffällig geblieben sei, stehe nicht entgegen. Dies sei das Ergebnis von Medikation und umfassender Betreuung. Die Krankheit könne jederzeit zum Ausbruch kommen.

2. Die Maßregelanordnung gemäß § 63 StGB wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert die hiervon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind (BGHR StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird (BGHSt 27, 246, 248; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 25). Die Unterbringung darf nicht angeordnet werden, wenn - im Blick auf § 62 StGB - die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit des Täters bieten. Dies ergibt sich aus dem - im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten - Subsidiaritätsprinzip (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 300, 301 m.w.N.).

Bei der hier gegebenen Fahrlässigkeitstat ist schon der Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Anlasstat zweifelhaft. Jedenfalls bedarf unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze bei einer fahrlässigen Anlasstat die Prognoseprüfung besonderer Sorgfalt. Daran fehlt es hier. Die Strafkammer stützt ihre Entscheidung, die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen, auf die Möglichkeit, dass die Beschuldigte in einer Wohneinrichtung des betreuten Wohnens untergebracht werden könne, in der die Beschuldigte weitere Förderung erhalten könne. Es fehlen jedoch Überlegungen dazu, weshalb diese Maßnahmen nicht bereits aufgrund des für die Beschuldigte bestehenden Betreuungsverhältnisses zu verwirklichen sind und die Gefährlichkeit der Beschuldigten dadurch sogar gänzlich beseitigt werden kann. Auch ist unerörtert geblieben, in welchen konkreten Rahmenbedingungen die Beschuldigte seit 1994 straffrei lebte.

Ende der Entscheidung

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