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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 5 StR 51/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 23 Abs. 2
StGB § 49 Abs. 1
StGB § 56 Abs. 2
StGB § 249 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 51/06

vom 26. April 2006

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Raubes u. a.

In dem Rechtsstreitverfahren hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der Sitzung vom 26. April 2006, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin Harms,

Richter Häger, Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt, Richter Schaal als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Oktober 2005 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, bleibt erfolglos.

I.

Nach den Urteilsfeststellungen suchte der mehrfach wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilte Angeklagte Ende April 2005 in seiner Eigenschaft als Fernsehmechaniker die seinerzeit fast 90-jährige, aber noch rüstige später Geschädigte S. auf, deren Fernsehgerät defekt war. Bei dieser Gelegenheit bat ihn die alte Dame, auch ihren Türsummer an der Eingangstür zu reparieren, was der Angeklagte ihr für einen späteren Zeitpunkt zusagte. In der Folgezeit beschlossen der Angeklagte und sein damaliger Kollege A. , Frau S. unter dem Vorwand, den Türsummer reparieren zu wollen, zu bestehlen. Sie wollten ihr Vorhaben erforderlichenfalls unter Anwendung von Drohungen und notfalls auch mit Gewalt durchführen. Der Angeklagte wollte von dem erwarteten Anteil am Beutegeld unter anderem Spielschulden bezahlen.

Am 3. Mai 2005 erschienen der Angeklagte und sein Kollege A. bei Frau S. und gaben vor, den Türsummer reparieren zu wollen. Während sich der Angeklagte zunächst an dem Fernsehgerät zu schaffen machte, an dem wiederum Störungen aufgetreten waren, packte A. die Geschädigte von hinten an den Hals, würgte sie, hielt ihr die Nase zu und drückte ihr etwas auf das Gesicht. Vom Maß der Gewaltanwendung überrascht und in der Absicht, seinen Mittäter aus Angst um das Leben der Geschädigten zu "bremsen" und auch um ihr "die Todesangst zu nehmen", rief der Angeklagte A. zu, "man wolle Frau S. nicht töten, sie vielmehr nur ohnmächtig machen" und holte ein Glas Wasser für das Opfer.

Gleichwohl nutzte er die durch A. geschaffene Lage aus und forderte Frau S. auf, Bargeld herauszugeben und den Tresor zu öffnen. Da ihm das im Tresor aufgefundene Bargeld, der Schmuck und die Kreditkarten nicht reichten, verlangte er nunmehr 20.000 Euro. Frau S. simulierte einen Schwächeanfall, legte sich auf ihr Bett und versuchte, den dort befindlichen Alarmknopf zu drücken. Als der Angeklagte dies bemerkte und sie fragte, ob sie Alarm ausgelöst hätte, antwortete sie mit "Ja" und "Verschwinden Sie schnellstens". Der Angeklagte und sein Mittäter verließen ohne Beute fluchtartig das Haus.

Das Landgericht hat das Vorliegen minder schwerer Fälle verneint und den gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 249 Abs. 1 StGB, begrenzt durch die Mindeststrafe des § 224 Abs. 1 6 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten), zugrunde gelegt. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hält die Strafkammer dem Angeklagten in erster Linie zugute, dass er ein umfassendes, von Reue getragenes Geständnis abgelegt und damit der hoch betagten Geschädigten ein Auftreten in der Hauptverhandlung und eine sie belastende Begegnung mit ihm erspart habe. Weiter ist strafmildernd bedacht worden, dass er die Identität seines den Strafverfolgungsbehörden bis dahin unbekannten Mittäters preisgegeben habe, obwohl er von dessen Seite Sanktionen befürchtete. Schließlich hat sie zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass ihn die erstmals erlittene Untersuchungshaft erheblich beeindruckt habe. Strafschärfend ist gewürdigt worden, dass er das Vertrauen und die Arglosigkeit der Verletzten missbraucht und sie gemeinsam mit dem Mittäter in Todesangst versetzt habe. Darüber hinaus ist ihm angelastet worden, dass er zwei Straftatbestände verwirklicht habe und einschlägig vorbestraft sei.

Die Strafaussetzung begründet das Landgericht damit, dass der Angeklagte in geordneten persönlichen Verhältnissen lebe und sozial integriert sei. Die positive Kriminalprognose werde auch durch die Beiordnung eines Bewährungshelfers gestützt, der dem Angeklagten zur weiteren Stabilisierung zur Seite gestellt werde. Die besonderen Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB sieht die Kammer im Wesentlichen im Zusammentreffen der bereits bei der Strafzumessung angeführten Strafmilderungsgründe, wobei zusätzlich noch darauf abgestellt wird, dass der Angeklagte, der mit 33 Jahren erstmalig eine derart gravierende Tat begangen hat, zum ersten Mal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

II.

Der Strafausspruch und die Strafaussetzung zur Bewährung halten rechtlicher Prüfung noch stand.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Strafrichters, dessen Aufgabe darin besteht, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täter gewonnen hat, die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen; das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn sie gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 10 m.w.N.).

In diesem Sinne weisen die Urteilsausführungen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer dem Geständnis des Angeklagten ein erhebliches strafmilderndes Gewicht beigemessen hat. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte in diesem Zusammenhang allerdings erörtert werden müssen, ob der Angeklagte aufgrund der am Tatort gesicherten daktyloskopischen Spuren nicht ohnehin hätte überführt werden können. Zwar trifft es grundsätzlich zu, dass einem Geständnis nur geringeres Gewicht zukommt, wenn Leugnen aufgrund der Beweislage ganz aussichtslos wäre (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 46 Rdn. 50 m.w.N.). Der Generalbundesanwalt weist in diesem Zusammenhang aber zutreffend darauf hin, dass nicht nachgeprüft werden könne, ob hier ein Bestreiten aufgrund der Spurenlage aussichtslos gewesen wäre, weil die Beschwerdeführerin den Inhalt des daktyloskopischen Gutachtens nicht mitgeteilt hat (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen hatte sich der Angeklagte bereits vor der Tat im Einverständnis mit dem späteren Opfer in deren Haus aufgehalten und kann bei dieser Gelegenheit Spuren hinterlassen haben; auch hat er sich nach den Feststellungen bei der Tat spätestens nach Hantieren an dem Fernsehgerät Handschuhe übergezogen.

Dass die Strafkammer dem Geständnis auch deshalb besonderes Gewicht beigemessen hat, weil dem betagten Opfer hierdurch eine Vernehmung in der Hauptverhandlung erspart geblieben ist und der Angeklagte darüber hinaus trotz befürchteter Racheakte seinen Mittäter benannt hat, ist im Blick auf den weiten Beurteilungsrahmen des Tatrichters aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Angesichts der Ausführungen der Strafkammer zum Tatbild, zum Alter der Geschädigten, zum Eindringen in deren engsten, besonders geschützten Lebensraum und den hieraus abgeleiteten Strafschärfungsgründen ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht zu besorgen, das Landgericht könne die Bedeutung der Tat für das Opfer nicht ausreichend gewürdigt haben.

Der Staatsanwaltschaft ist allerdings zuzugeben, dass die verhängte Freiheitsstrafe außerordentlich milde ist. Sie ist jedoch im Hinblick auf die Gewichtung der Strafzumessungserwägungen, die ersichtlich auch auf dem Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten beruhen, nicht unvertretbar milde und entfernt sich noch nicht in unzulässiger Weise von ihrer Bestimmung des gerechten Schuldausgleichs. Die Strafzumessung des Tatrichters ist im Übrigen auch in Zweifelsfällen bis an die Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, selbst wenn eine andere Entscheidung - wie hier - näher gelegen hätte (vgl. BGHR StGB § 23 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 12 m.w.N.).

Dasselbe gilt für die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung. In diesem Zusammenhang führt der Generalbundesanwalt zutreffend aus, dass den diesbezüglichen Erwägungen der Strafkammer ausreichend zu entnehmen ist, dass sie die Vorstrafen des Angeklagten und die weiteren ihn belastenden Umstände bei der Annahme besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB nicht außer Betracht gelassen hat. Schließlich gebietet nach den getroffenen Feststellungen auch die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der erkannten Strafe nicht (§ 56 Abs. 3 StGB).



Ende der Entscheidung

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