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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 5 StR 53/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB § 56g Abs. 2 Satz 2
StGB § 56g Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 53/01

vom 25. April 2001

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. Mai 2000 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2000 ist gegenstandslos.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihn von weiteren Tatvorwürfen freigesprochen und einen Geldbetrag in Höhe von 175.000 DM für verfallen erklärt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat letztlich keinen Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist allerdings zulässig. Die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 8. Juni 2000 erklärte Rücknahme der Revision ist unwirksam. Dem Schreiben ging folgendes Geschehen voraus:

Im Mai 2000, kurz vor dem Ende der 110 Verhandlungstage währenden Hauptverhandlung haben - ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden - die Berufsrichter der erkennenden Strafkammer mit den beiden Verteidigern und dem Angeklagten ein Rechtsgespräch geführt, in dem der weitere Verfahrensablauf erörtert wurde. Dem Angeklagten ging es darum, keine höhere Freiheitsstrafe als zehn Jahre und sechs Monate zu erhalten, dies auch unter Berücksichtigung des möglichen Widerrufs der Strafaussetzung einer - nicht gesamtstrafenfähigen - Freiheitsstrafe von zwei Jahren, zu der er Anfang 1996 vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilt worden war. Die diese Verurteilung betreffende Bewährungszeit war zwar schon seit mehr als einem Jahr abgelaufen, die Strafe aber noch nicht erlassen.

Der Vorsitzende wies darauf hin, daß ein Widerruf der Strafaussetzung wegen des Ablaufs der Jahresfrist nach § 56g Abs. 2 Satz 2 StGB rechtlich nicht mehr möglich sei. Der Angeklagte zeigte sich nach dem Gespräch teilgeständig und wurde ein oder zwei Verhandlungstage später, wie dargestellt, verurteilt. Der Angeklagte legte dann zwar gegen das Urteil noch Revision ein, nahm diese aber mit Schreiben vom 8. Juni 2000 umgehend zurück, nachdem ihm auf Anfrage seitens des Gerichts mitgeteilt worden war, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht angefochten habe. Alsbald erhielt er dann ein Schreiben der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts, mit dem ihm Gelegenheit gegeben wurde, zu einem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Aussetzung der früher verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren zu widerrufen, Stellung zu nehmen. Der Angeklagte, der aufgrund des Hinweises des Vorsitzenden mit einem (möglichen) Widerruf dieser Strafaussetzung nicht mehr gerechnet hatte, erklärte - wie später auch seine Verteidiger - gegenüber der erkennenden Strafkammer, daß die Revision - ungeachtet der zwischenzeitlichen Rücknahmeerklärung - aufrecht erhalten bleiben solle.

Eine Rechtsmittelrücknahme ist ebenso wie der Rechtsmittelverzicht als Prozeßhandlung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. BGHSt 45, 51, 53; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 - Rechtsmittelverzicht 1, 4, 8, 12, 15, 17). Sie ist jedoch ausnahmsweise dann unwirksam, wenn sie durch Drohung, durch Täuschung oder auch nur - wie hier - durch eine versehentlich unrichtige richterliche Auskunft veranlaßt wurde (vgl. BGHSt 45, 51, 53; BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 - Rechtsmittelverzicht 14; BGH, Beschluß vom 10. Januar 2001 - 2 StR 500/00 - zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).

Die Auskunft des Vorsitzenden, wegen des Ablaufs der Jahresfrist nach § 56g Abs. 2 Satz 2 StGB sei ein Widerruf der früher gewährten Strafaussetzung nicht mehr möglich, war unzutreffend. Er hat, wie im übrigen auch die Verteidiger des Angeklagten, offenkundig übersehen, daß die Vorschrift nur dem Widerruf eines Straferlasses nach § 56g Abs. 1 StGB zeitliche Schranken setzt, hingegen bei einem Widerruf der Strafaussetzung nach § 56f Abs. 1 StGB keine Anwendung findet. Letzterer ist zwar nicht zeitlich unbegrenzt möglich; maßgeblich sind jedoch allein die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Umstand, ob ein Verurteilter darauf vertrauen durfte, daß die Strafaussetzung nicht mehr widerrufen werden würde (vgl. nur Gribbohm in LK 11. Aufl. § 56f Rdn. 47 m.w.N.). Hiernach war ein Widerruf der dem Angeklagten früher gewährten Strafaussetzung vorliegend jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.

Die unrichtige Auskunft des Vorsitzenden war für das weitere Prozeßverhalten des Angeklagten auch ursächlich. Der Angeklagte hat zwar gegen das Urteil zunächst Revision eingelegt. Doch diente diese, wie die im selben Schriftsatz enthaltene Anfrage, ob auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt habe, zeigt, ersichtlich allein dem Zweck, im Falle der Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft selbst nicht mit "leeren Händen dazustehen". Nachdem ihm seitens des Gerichts mitgeteilt worden war, daß die Staatsanwaltschaft das Urteil nicht angefochten habe, nahm der Angeklagte sein Rechtsmittel - auf die Auskunft des Vorsitzenden weiter vertrauend - umgehend zurück. Erst als in der Folgezeit die Strafvollstreckungskammer ihn auf die Möglichkeit hinwies, daß ein Widerruf der Strafaussetzung sehr wohl noch in Betracht komme, erkannte der Angeklagte seinen Irrtum und erklärte sinngemäß, unverzüglich und letztlich mit Erfolg den Widerruf seiner Revisionsrücknahme.

2. Die hiernach zulässige Revision ist jedoch offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der nicht näher ausgeführten Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.



Ende der Entscheidung

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