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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 5 StR 556/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 354 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 556/01

vom 9. Januar 2002

in der Strafsache

gegen

wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 10. Juli 2001 aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben jedoch aufrechterhalten.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Leipzig zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Schuld- und Straf- sowie des Maßregelausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Sachverhalt werden jedoch aufrechterhalten.

Nach den Feststellungen besteht bei dem Angeklagten eine schizotype Störung, die sich vor allem in unnatürlichem Mißtrauen und teilweise paranoiden Vorstellungen manifestiert. Daneben liegt bei dem Angeklagten eine dissoziale Persönlichkeitsstörung vor, denn er verfügt über eine geringe Frustrationstoleranz und eine niedrige Schwelle für aggressives Verhalten. Auch sind bei ihm die Folgen eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol nachzuweisen. Zusammenfassend bewertet das sachverständig beratene Landgericht die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten als andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB. "Die Fähigkeit, das Unrecht seines Handelns zu erkennen, sei dadurch jedoch nicht aufgehoben, sondern lediglich eingeschränkt" (UA S. 5).

1. Diese Ausführungen des Landgerichts reichen nicht aus, um die Anwendung des § 21 StGB auf eine verminderte Einsichtsfähigkeit stützen zu können. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn - was hier nicht festgestellt ist - dem Angeklagten auch tatsächlich die Unrechtseinsicht fehlt (BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6). Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist voll schuldfähig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 25 ff.). Fehlt dem Täter dagegen die Unrechtseinsicht und kann ihm ihr Fehlen auch nicht vorgeworfen werden, dann hat er ohne Schuld (§ 20 StGB) gehandelt mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheiden würde (vgl. BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2, 3).

2. Rechtlichen Bedenken begegnet zudem, daß das Landgericht die Voraussetzungen des § 63 StGB unter anderem deshalb als gegeben ansieht, weil "die Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit des Angeklagten gemäß § 21 StGB erheblich vermindert" (UA S. 8) gewesen sei. Das Landgericht hat dabei nicht erkennbar bedacht, daß die Anwendung der §§ 20, 21 StGB nach der Rechtsprechung nicht zugleich auf die Aufhebung der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit gestützt werden kann (BGHSt 40, 341, 349; BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 5 und Schuldunfähigkeit 1).

3. Die Urteilsgründe lassen besorgen, daß die Strafkammer diese rechtlichen Ausgangspunkte nicht zutreffend gesehen hat. Dies führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Leipzig beruht auf § 354 Abs. 2 StPO.

Ende der Entscheidung

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