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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.12.1998
Aktenzeichen: 5 StR 584/98
Rechtsgebiete: StPO, StGBa.F., StGB
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 | |
StGB a.F. § 223a Abs. 1 | |
StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative | |
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG | |
StGB § 21 | |
StGB § 49 Abs. 1 | |
StGB § 2 Abs. 3 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
9. Dezember 1998
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Dezember 1998 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 3. Juli 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere (allgemeine) Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge einen Teilerfolg und ist im übrigen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Angeklagte drang zur späten Abendzeit, mit einem Baseballschläger bewaffnet, in das Wohnhaus des Nebenklägers ein. Wie von ihm erwartet, traf er dort auf den Nebenkläger und die Zeugin L, seine vormalige Geliebte, die sich von ihm abgewandt und dem Nebenkläger zugewandt hatte. Der Angeklagte fand die beiden im Schlafzimmer auf dem Bett, jeweils nur mit einem Slip bekleidet, vor. Er sagte auf türkisch: "Jetzt stirbst du", schlug dreimal bei bedingtem Tötungsvorsatz gezielt und heftig mit dem Baseballschläger auf den Kopf des Nebenklägers. Beim dritten Schlag zerbrach der Baseballschläger. Der Angeklagte meinte angesichts des am Kopf stark blutenden Nebenklägers, "das hat gereicht", rechnete mit dessen Versterben und schlug deshalb (etwa mit dem großen Keulenbruchstück) nicht weiter zu. Er kümmerte sich nicht um den Nebenkläger, sondern zerrte und schob die nur mit dem Slip und einer inzwischen ergriffenen Jacke bekleidete Zeugin aus dem Haus und auf den Beifahrersitz seines Fahrzeugs. Er "wollte sie mitnehmen, damit sie ihm ihr Verhalten erkläre." Auf der folgenden Autofahrt redete die Zeugin auf den Angeklagten ein, "er möge umdrehen, da der Nebenkläger sicher Hilfe benötige. Der Angeklagte reagierte darauf zunächst nicht. Erst nach ungefähr zweiminütiger Fahrt entschloß er sich, die Zeugin auf ihren Wunsch zurückzufahren, damit sie sich um den Nebenkläger kümmere. Der Angeklagte setzte die Zeugin vor dem Haus (des Nebenklägers) ab. Er gab ihr dabei auf, den Nebenkläger ins Krankenhaus zu bringen und ihm danach mitzuteilen, was mit dem Nebenkläger los sei. Anschließend fuhr der Angeklagte nach Hause." Die Zeugin verbrachte den Nebenkläger, der nicht wußte, was passiert war, ins nächste Krankenhaus, wobei sie sich in ihrer Aufregung zunächst verfuhr. Nach einer Erstversorgung der Kopfwunde wurde der Nebenkläger noch in der Nacht in eine Fachklinik geflogen, wo eine neurochirurgische Notfalloperation stattfand. Das Schädelfraktursystem war potentiell lebensgefährlich. Das Leben des Nebenklägers wurde gerettet. Schwere körperliche und soziale Beeinträchtigungen sind zurückgeblieben.
I. Der Schuldspruch kann aus sachlichrechtlichen Gründen keinen Bestand haben.
1. Es liegt ein beendeter Totschlagsversuch vor. Von diesem ist der Angeklagte nach § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative StGB mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten.
Er hat die Vollendung der Tat verhindert. Hierfür genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß der Täter eine neue Kausalkette in Gang setzt, die für die Nichtvollendung der Tat mitursächlich wird (BGHSt 33, 295, 301; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 1 und 5; BGH, Beschluß vom 28. Oktober 1998 - 5 StR 176/98 -, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Dabei ist bedeutungslos, daß - wie hier - auch andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur Verhinderung der Tatvollendung beigetragen haben (BGH NJW 1985, 813, 814). Ohne Belang ist auch, daß der Täter - wie hier - zunächst nicht rettungswillig war, sich gar zunächst vom Tatort entfernt hat (BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, beendeter 1; BGH StV 1983, 413; BGH, Beschluß vom 24. Juni 1993 - 5 StR 366/93 -; vgl. auch BGH NStZ 1981, 388), daß er zunächst sogar hilfsbereite Dritte von der Rettung abgehalten hat (BGH StV 1994, 304). In Fällen wie den vorliegenden, in denen die Rettung auf den Täter zurückzuführen ist, ist es auch unerheblich, ob der Täter mehr als von ihm getan zur Rettung hätte leisten können (BGHSt 33, 295, 301; BGH NJW 1985, 813, 814 und 1986, 1001, 1002; BGH StV 1981, 396, 397).
2. Der Senat muß deshalb den Schuldspruch ändern. Der Umstellung des Schuldspruchs auf gefährliche Körperverletzung gemäß § 223a Abs. 1 StGB a.F.; § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB i.d.F. des 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) steht die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diesen Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
II. Auch der Strafausspruch muß danach aufgehoben werden. Eine Aufrechterhaltung der sehr milden Freiheitsstrafe von vier Jahren ist schon deshalb nicht möglich, weil das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hat, was auf der Grundlage des Ausgangsstrafrahmens des § 223a Abs. 1 StGB a.F. (§ 2 Abs. 3 StGB) zu einer Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten führen würde. Auf diese Strafe selbst zu erkennen, ist dem Senat verwehrt. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht.
Ende der Entscheidung
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