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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.06.2002
Aktenzeichen: 5 StR 60/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 338 Nr. 1
StPO § 265 Abs. 4
StPO § 229 Abs. 2
StPO § 228 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 60/02

vom 25. Juni 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Mordes

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 2. Juli 2001 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet (vgl. zum Maßstab BGHR StPO § 349 Abs. 2 Verwerfung 6). Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts merkt der Senat folgendes an:

1. Die Besetzungsrüge nach § 338 Nr. 1 StPO bleibt - ihre Zulässigkeit unterstellt - in der Sache erfolglos. Der Richter, der nach der kammerinternen Geschäftsverteilung anstelle der weiteren ordentlichen Beisitzerin der Schwurgerichtskammer, die seine Vertretung wahrnahm, zur Mitwirkung berufen gewesen wäre, war durch Urlaub an drei von Anfang an terminierten Sitzungstagen verhindert (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 1 Vertreter 2). Zumal angesichts einer ähnlichen, letztlich nicht wesentlich abgeänderten vorherigen Urlaubsplanung des Richters, wie sie sich aus dem Gerichtsbeschluß auf den Besetzungseinwand ergibt, liegen Anhaltspunkte für eine Besetzungsmanipulation angesichts des bestehenden Urlaubsanspruchs des verhinderten Richters und mangels jeglicher Anzeichen, die gegen eine sachgerechte Terminierung der Sache sprechen könnten, nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, wonach der Richter gehalten gewesen wäre, zu versuchen, den ihm zustehenden Erholungsurlaub ohne Terminskollision mit dieser Sache zu nehmen.

2. Die Ablehnung der Aussetzung der Hauptverhandlung nach dem Verteidigerwechsel läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere steht die Ermessensentscheidung des Schwurgerichts, die Hauptverhandlung nicht nach § 265 Abs. 4 StPO auszusetzen, sondern mit den neuen Wahlverteidigern fortzusetzen, entgegen der Meinung der Revision nicht im Widerspruch zu den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 2. Februar 2000 - 1 StR 537/99 - (BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene 6) aufgestellten Grundsätzen: Zur Wahrung der Verteidigungsinteressen des Angeklagten (vgl. dazu auch BGHR StPO § 265 Abs. 4 Verteidigung, angemessene 7) hat das Schwurgericht - soweit nicht in einem Fall auf eine erneute Zeugenvernehmung verzichtet worden ist - sämtliche gehörten Zeugen und Sachverständigen nochmals vorgeladen und den neuen Wahlverteidigern, die über den bisherigen Inhalt der Beweisaufnahme jeweils durch die Berichterstatterin informiert worden waren, die uneingeschränkte Möglichkeit zur Befragung der Zeugen und Sachverständigen eingeräumt.

Im übrigen bestand im vorliegenden Fall im Vergleich zu dem Prozeßgeschehen, das der genannten Leitsatzentscheidung zugrundelag, nicht ein derart gewichtiger Anlaß zu gerichtlicher Rücksichtnahme auf die Verteidigungsbelange des Angeklagten. In jenem Verfahren war immerhin ein Interessenkonflikt offengelegt worden, der den Verteidigerwechsel erfordert hatte; hier wurde eine schwerwiegende Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und seinen bisherigen Wahlverteidigern ohne jeden inhaltlichen Beleg lediglich behauptet. Zudem war hier einer der beiden neuen Wahlverteidiger vom Beginn des Ermittlungsverfahrens an bis unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung bereits als Verteidiger tätig gewesen; seine umfassende Unterrichtung über den bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung durch einen der abgelösten Wahlverteidiger war sichergestellt.

Soweit die Revision eine Befangenheit der mitwirkenden Richter aufgrund der Ablehnung der Verfahrensaussetzung geltend macht und einen weitergehenden Anlaß für die Aussetzung in der Verfahrensweise des Vorsitzenden im Zusammenhang mit Identifizierungen des Angeklagten durch Zeugen sieht, ist auf die entsprechenden offensichtlich unbegründeten Anträge seitens des Tatgerichts zutreffend reagiert worden.

3. Das Urteil beruht nicht darauf, daß am 19. Juli 2000 der Vorsitzende und nicht, wie in § 228 Abs. 1 Satz 1 StPO vorgeschrieben, das Gericht über eine Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 StPO entschieden hat. Der Angeklagte ist hierdurch ersichtlich nicht benachteiligt worden. Die entsprechende Terminierung war mit der Verteidigung abgestimmt, die jener Unterbrechungsanordnung daher auch nicht widersprochen hat. Danach liegt zudem auf der Hand, daß die Terminierung auch mit sämtlichen Mitgliedern des Gerichts abgestimmt war. Es besteht kein Anlaß, die Grundsätze von BGHSt 33, 217, wonach ein Beruhen des Urteils auf einem Verfahrensfehler der hier vorliegenden Art regelmäßig auszuschließen ist (vgl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 228 Rdn. 17; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 228 Rdn. 28), in Frage zu stellen.

4. Die auf fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages gestützte Verfahrensrüge (§ 244 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 StPO) scheitert jedenfalls daran, daß es sich bei dem Antrag mangels ausreichend bestimmter Bezeichnung der Beweismittel nicht um einen Beweisantrag gehandelt hat (vgl. BGHSt 40, 3, 6 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 21; Gollwitzer aaO § 244 Rdn. 108; jeweils m. w. N.). Die Benennung einer unbestimmten Vielzahl instruierter Vertreter der Betreiber in einem Gutachtenanhang genannter - dort tatsächlich undeutlich, teils naheliegend unvollständig aufgelisteter - Internetseiten läßt - zumal ohne nähere Erläuterung, die weder dem Antrag noch der Revisionsbegründung beigegeben ist - die erforderliche eindeutige Individualisierung der Zeugen vermissen, deren Vernehmung in dem Antrag begehrt wurde. Da die Beweisbehauptung im Widerspruch zur Aussage des vernommenen Sachverständigen stand, an dessen Sachkunde das Schwurgericht nicht zweifeln mußte, war das Gericht zu einer Ermittlung solcher Zeugen aus Aufklärungsgründen nicht verpflichtet. Abgesehen davon scheitert die Zulässigkeit der Rüge als Aufklärungsrüge an denselben Mängeln der Beweismittelindividualisierung, die dem in der Hauptverhandlung gestellten, in der Revisionsbegründung insoweit nicht etwa nachgebesserten Antrag anhaften (vgl. dazu BGHSt 2, 168; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7, 9).

Hiernach kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit der Rüge nicht bereits insgesamt wegen Unvollständigkeit des Sachvortrags (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) scheitert, weil der Beschwerdeführer, der es für angezeigt gehalten hatte, als Reaktion auf den beanstandeten ablehnenden Gerichtsbeschluß ein Ablehnungsgesuch gegen die Berufsrichter anzubringen, in dem er jenen Beschluß als beispiellose, den Anschein von Willkür tragende Zwischenentscheidung bezeichnete, die Entscheidung hierüber verschwiegen hat; es liegt auf der Hand, daß deren Begründung weitere mindestens ergänzende Erwägungen zur Beurteilung des Antrags enthalten hat. Ebenfalls kann dahinstehen, ob es - wie der Generalbundesanwalt meint - angesichts einer aufs Geratewohl aufgestellten Behauptung auch an einer regelgerechten Beweisbehauptung mangelt, damit auch insoweit nur ein Schein-Beweisantrag anzunehmen ist (vgl. Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 44), und ob schließlich ohnehin ein Beruhen des Urteils auf der Bescheidung des Antrags sicher ausscheidet.

5. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts ist sachlichrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer fehlerfreien Gesamtwürdigung der gegebenen - den Angeklagten insbesondere im Blick auf das Spurenbild am Tatort vor dem Hintergrund seiner Selbststellung und seiner hierbei gemachten Angaben schwer belastenden - Beweislage. Auf der Grundlage der auch zur inneren Tatseite rechtsfehlerfrei getroffenen Tatsachenfeststellungen ist die Annahme eines Verdeckungsmordes nach Maßgabe von BGHSt 35, 116 nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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