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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.01.1999
Aktenzeichen: 5 StR 612/98
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 213 | |
StGB § 21 | |
StGB § 23 Abs. 2 | |
StGB § 46 Abs. 3 | |
StGB § 24 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
vom
19. Januar 1999
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar 1999, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Laufhütte,
Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Nack,
Richterin Dr. Tepperwien als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt J ,
Rechtsanwältin K als Verteidiger,
Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Mai 1998 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
Die Freundin des Angeklagten hatte das Intimverhältnis zu ihm beendet. Er zog darauf aus der Wohnung der Frau aus. Gegen seinen Freund M S hatte der Angeklagte aus einem gemeinsamen Geschäft eine Forderung, deren Begleichung er einforderte. Er hegte den Verdacht, daß beide ein intimes Verhältnis miteinander hatten. Am Abend vor der Tat beobachtete der Angeklagte stundenlang das Wohnhaus seiner ehemaligen Freundin. Dabei fand er Anzeichen dafür, daß diese und sein Freund miteinander intim waren. Er wollte "nun Gewißheit haben, ob (beide) tatsächlich ein Verhältnis miteinander haben", und seinen Freund zur Rede stellen. Unter dem Vorwand, er wolle "noch Papiere holen", veranlaßte der Angeklagte seine ehemalige Freundin um 3.30 Uhr, ihn in ihre Wohnung einzulassen. Er sah im Flur die Schuhe seines Freundes, stieß die Frau zu Boden, stürzte in die Wohnung, durchsuchte mit den Worten "ich bringŽ ihn um" alle Zimmer und fand den Gesuchten unbekleidet im Schlafzimmerschrank. Es kam zu einem Handgemenge zwischen den beiden Männern. Dabei stieß der "aus verletztem Stolz, zutiefst empfundener Kränkung, unter anderem aus Eifersucht, und Existenzangst äußerst erregte" Angeklagte seinem Gegner mit bedingtem Tötungsvorsatz ein Kartoffelschälmesser, dessen Herkunft ungeklärt ist, zweimal kraftvoll in den Bauch. Das dem Angeklagten körperlich weit überlegene Opfer spürte die Stiche zunächst nicht und überwältigte den Angeklagten, dem es gleichwohl gelang zu fliehen. Dabei entriß er seiner ehemaligen Freundin, die versuchte, Hilfe zu holen, ein Handtelefon in der Annahme, es sei seines. Das Opfer erlitt u. a. eine Durchstoßung des Dickdarms und einen erheblichen Blutverlust; in der umgehend erfolgten Operation wurde ein künstlicher Darm eingesetzt; das Opfer war ein halbes Jahr arbeitsunfähig.
Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Der Erörterung bedarf nur der Strafausspruch, dessen Aufhebung der Generalbundesanwalt beantragt hat.
1. Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter einen minder schweren Fall des Totschlags nach § 213 StGB ausgeschlossen.
a) Ein Fall der schweren Beleidigung im Sinne des § 213 1. Alternative StGB liegt schon deshalb nicht vor, weil der Freund des Angeklagten bei seinem Verhalten keinen Beleidigungsvorsatz hatte (vgl. BGHSt 34, 37, 38; BGH Urteil vom 30. Oktober 1990 - 5 StR 366/90 -).
b) Auch einen minder schweren Fall des Totschlags im Sinne des § 213 2. Alternative StGB hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint.
aa) Es hat die gebotene Gesamtwürdigung vorgenommen und dabei auch in Rechnung gestellt, daß die beiden vertypten Milderungsgründe wegen erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und wegen Versuchscharakters der Tat (§ 23 Abs. 2 StGB) vorliegen.
Es begründet hier keinen Rechtsfehler, daß der Tatrichter nicht ausdrücklich geprüft hat, ob der Angeklagte durch seine eifersüchtigen Beobachtungen in gleichem Maße betroffen und erregt worden war wie durch eine entsprechende schwere Beleidigung, was der Generalbundesanwalt unter Berufung auf eine Senatsentscheidung (Urteil vom 30. Oktober 1990 - 5 StR 366/90 - Orientierungssatz in StV 1991, 106) beanstandet. Unter dem Gesichtspunkt eines etwa gebotenen Vergleichs mit einer schweren Beleidigung unterscheiden sich die beiden Fälle trotz objektiver Ähnlichkeit schon durch die Art der Beziehung unter den Beteiligten. Es kommt folgendes hinzu: Allerdings brauchen die Milderungsgründe der 2. Alternative des § 213 StGB in ihrem Gewicht nicht denen der 1. Alternative zu entsprechen. Gleichwohl geben die Merkmale des § 213 1. Alternative StGB einen Maßstab für die Auslegung der 2. Alternative dieser Vorschrift (Tröndle, StGB 48. Auflage § 213 Rdn. 2b). Dies gilt insbesondere für das zentrale Merkmal der 1. Alternative, daß der Angeklagte nämlich "ohne eigene Schuld" in die Tatsituation geraten ist. Erkennbar hat der Tatrichter in diesem Sinne, wie der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, bedacht, daß der Angeklagte sich nachts um 3.30 Uhr unter einem Vorwand Zutritt zur Tatwohnung verschaffte, wo er seinen Freund und seine ehemalige Freundin vermutete.
bb) Die tatrichterliche Wendung im Rahmen der Erörterungen zu § 213 StGB, das Handeln des Angeklagten sei "von erheblicher Intensität" gewesen (UA S. 52, ähnlich UA S. 54 im Rahmen der konkreten Strafzumessung), verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot aus § 46 Abs. 3 StGB (vgl. zu Grenzfällen BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2, 6). Der Tatrichter hat (UA S. 54) seine Bewertung auch damit erläutert, daß die Versuchstat kurz vor der Vollendung stand; im übrigen hatte die Tat schwere Folgen - wie die Einsetzung eines künstlichen Darms und lange Arbeitsunfähigkeit des Opfers -, was über die Voraussetzungen des versuchten Totschlags hinausgeht.
2. Auch die konkrete Strafzumessung hält sachlichrechtlichem Prüfungsmaßstab stand. Allerdings findet sich in deren Begründung die Wendung: "Der Angeklagte bemühte sich nach der Tat nicht um das Opfer" (UA S. 54). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es dem Angeklagten nicht angelastet werden darf, daß er das Opfer nicht mit strafbefreiender Wirkung gemäß § 24 StGB gerettet hat (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vollendung 1; BGH NStZ 1983, 217 und 1989, 114; BGH bei Detter NStZ 1990, 176; BGH StV 1995, 634 und 1997, 129; BGH, Beschlüsse vom 11. August 1992 - 4 StR 343/92 -, vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 466/92 -, vom 7. Febru-ar 1995 - 1 StR 1/95 - und vom 26. Februar 1997 - 2 StR 659/96 -) greift hier nicht ein. Der Tatrichter hat mit der genannten Wendung erkennbar darauf Bedacht genommen, daß der Angeklagte nach dem Tatgeschehen seiner ehemaligen Freundin, die dabei war, Hilfe herbeizutelefonieren, das Handtelefongerät entriß und so die Rettung des Opfers beeinträchtigte.
Ende der Entscheidung
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