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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 02.04.2008
Aktenzeichen: 5 StR 633/07
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 633/07

vom 2. April 2008

in der Strafsache

gegen

wegen schwerer Vergewaltigung

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. April 2008, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt, Richter Dr. Raum, Richter Dr. Brause, Richter Prof. Dr. Jäger als beisitzende Richter,

Richterin am Amtsgericht als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt Q , Rechtsanwältin B als Verteidiger,

Rechtsanwalt K als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 1. August 2007 werden verworfen.

Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die hierdurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrem insoweit beschränkten Rechtsmittel mit der Sachrüge lediglich, dass die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe zu niedrig sei. Beide Revisionen bleiben erfolglos.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte lernte die Nebenklägerin im November 2001 in einem Spremberger Bordell kennen. Er ging mit ihr seine erste feste Beziehung ein und heiratete sie am 24. Oktober 2002 in ihrer Heimat Bulgarien. Schon kurz nach der Eheschließung wünschte der Angeklagte, dass sich seine Ehefrau zur Ausführung des Geschlechtsverkehrs mit Handschellen und Ketten bis zur Bewegungslosigkeit fesseln lasse. Die Nebenklägerin ließ sich zunächst hierauf ein, was der Angeklagte als ein einvernehmlich durchgeführtes sexuelles Ritual empfand. Der Nebenklägerin war diese Sexualpraktik aber unangenehm. Sie bat den Angeklagten, hierauf zu verzichten.

Der Angeklagte nutzte indes in vielen Fällen entweder seine körperliche Überlegenheit, den Schlaf oder die Überraschung seiner Ehefrau zu deren Fesselung aus, um sich sexuell zu erregen und den Widerstand der Frau zu brechen. Das Landgericht hat vier - von der Nebenklägerin anhand von Besonderheiten bei mehreren Vernehmungen geschilderte - Taten zur Grundlage seines Schuldspruchs genommen. Es hat dazu im Einzelnen differenzierte Feststellungen getroffen und die Taten unter Zubilligung minder schwerer Fälle (§ 177 Abs. 5 StGB) mit Einzelfreiheitsstrafen von einmal vier und dreimal drei Jahren geahndet.

2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

a) Die Verfahrensrügen versagen.

Das Landgericht hat den Antrag des Angeklagten, über die Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf der nach dem Revisionsvorbringen allein maßgeblichen Grundlage des gestellten Beweisantrags mit zutreffenden Erwägungen wegen eigener Sachkunde zurückgewiesen.

Die weitere Rüge hinsichtlich sachverständig aufzuklärender Spuren am Handgelenk der Nebenklägerin ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Grundlage des Beweisbegehrens (Blatt 30 der Akte) nicht mit vorgetragen worden ist.

b) Die Sachrüge gibt Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:

Die Würdigung der Aussage der Nebenklägerin ist sachlichrechtlich unbedenklich (vgl. BGHSt 44, 153, 158 f.; 45, 164 ff.). Das Landgericht geht auf die Entstehung der Aussage ein (UA S. 26 f.), würdigt das Aussageverhalten (UA S. 19 f.), den Aussageinhalt einschließlich ihrer Mängel (UA S. 20 - 24) und prüft in Betracht kommende Falschbelastungshypothesen (UA S. 24 f.) unter Einbeziehung weiterer, die Aussage stützender Umstände (UA S. 25 f.).

Dass der Angeklagte nicht, wie von ihm behauptet, ein ausdrücklich erklärtes Einverständnis seiner Ehefrau für Durchführung des "Fesselungssex" eingeholt hat, liegt anhand der fehlerfrei festgestellten Tatumstände auf der Hand. Solches war im Falle der Fesselung im Schlaf (Tat 3), der Ausnutzung sexueller Annäherung (Tat 2) und des Überraschungsmoments (Tat 4) ausgeschlossen. Im Fall 1 spricht der geleistete Widerstand gegen ein zuvor erklärtes Einverständnis, zumal der Angeklagte nicht behauptet hat, dass "Fesselungssex" unter Überwindung des Widerstands seiner Frau zu der vormals einvernehmlich durchgeführten Sexpraktik gehört hat.

Das Landgericht hat sich mit sachverständiger psychiatrischer Hilfe davon überzeugt, dass der Angeklagte die Fähigkeit hatte, die Gefühle seiner Ehefrau zu erkennen und auch zu bemerken, ob diese mit den Praktiken einverstanden sei oder nicht. Gründe, sich nicht entsprechend der Einsicht zu verhalten, seien - bis auf die sexuelle Erregung - nicht vorhanden gewesen. Solche hätten sich auch nicht daraus ergeben, dass der Angeklagte "in einer Art ,süchtigen Entwicklung' zur sexuellen Befriedigung stärker und öfter den Drang verspürte, sexuelle Macht und Gewalt gegenüber der Nebenklägerin auszuüben" (UA S. 30).

3. Die auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet. Zwar weist das Landgericht zu deren Begründung lediglich darauf hin, dass die Einsatzstrafe maßvoll erhöht worden sei, um insbesondere der wiederholten und gleichartigen Begehungsweise gerecht zu werden (UA S. 35). Diese Erwägung stellt indes nicht nur auf den wichtigsten, bei der Gesamtstrafenbildung zu beachtenden Gesichtspunkt ab, das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander (vgl. BGHR StGB § 54 Abs. 1 Bemessung 2; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 626), sondern lässt auch den gebotenen Bezug auf - für den Angeklagten keineswegs durchgehend ungünstige - Umstände erkennen, die bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen Berücksichtigung gefunden haben (vgl. BGHSt 24, 268, 270; Schäfer aaO Rdn. 661). Insgesamt liegt die Sanktionierung des Angeklagten angesichts der Lebensverhältnisse zwischen den Eheleuten am oberen Rand des Vertretbaren, was im Vollstreckungsverfahren in den Blick zu nehmen sein wird.

Ende der Entscheidung

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