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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 5 StR 74/07
Rechtsgebiete: StPO, BtMG, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 29a Abs. 1
BtMG § 29a Abs. 2
StGB § 21
StGB § 49 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 74/07

vom 10. Mai 2007

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. November 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch im Fall II. 2. der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg. Das Rechtsmittel ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Das Landgericht hat aufgrund des Geständnisses des zu den Tatzeiten kokainabhängig gewesenen Angeklagten folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der Angeklagte kaufte am 26. September 2001 200 g und am 29. November 2001 weitere 100 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 40 %. Er streckte das Rauschgift und verkaufte dieses - bis auf einen selbst konsumierten Teil von ungefähr je einem Zehntel - gewinnbringend weiter. Das Landgericht hat für diese Taten die Annahme minder schwerer Fälle gemäß § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt.

b) Der Angeklagte war ferner im Auftrag des mit ihm befreundeten Rauschgifthändlers A. gegen eine zugesagte angemessene Entlohnung am 19. und 20. November 2001 zur Abwicklung eines Kokainverkaufs von 1 kg für 58.000 DM zwischen in Bremen ansässigen Verkäufern und in Hannover befindlichen Käufern wie folgt tätig:

Der Angeklagte reiste mit dem Pkw nach Bremen. Dort weigerte sich der Verkäufer, dem Angeklagten das Rauschgift ohne sofortige Bezahlung zu übergeben. Deshalb vereinbarte der Angeklagte telefonisch ein Treffen mit dem Käufer in Hannover, bei dem der Angeklagte den vereinbarten Kaufpreis erhalten und diesen in Bremen gegen Aushändigung des Kokains übergeben sollte. Der Angeklagte wartete in Hannover mehrere Stunden auf den Rauschgiftkäufer. Als dieser sich trotz des Drängens des Angeklagten weigerte, mit ihm gemeinsam nach Bremen zu fahren, meinte der Angeklagte, dass die Durchführung des geplanten Drogengeschäfts endgültig gescheitert sei. Er kehrte nach Berlin zurück.

Das Landgericht hat für diese Tat (Fall II. 2. der Urteilsgründe) ein mittäterschaftliches unerlaubtes Handeltreiben angenommen, weil der Angeklagte den Transport und die Weitergabe der Betäubungsmittel und des Kaufpreises zwischen Bremen und Hannover frei und nach eigenem Gutdünken durchführen sollte und er selbstständig Kontakt zu Lieferanten und Abnehmern aufgenommen und versucht hat, zwischen diesen zu vermitteln, um das Geschäft in Erwartung einer Belohnung erfolgreich abzuschließen. Das Landgericht hat für diese Tat ebenfalls die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt und aus dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG auf die Einsatzfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten erkannt.

2. Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass im Fall II. 2. der Urteilsgründe das Handeln des Angeklagten über eine bloße Kuriertätigkeit hinausgegangen ist. Wenigstens die vom Angeklagten eigenständig vorgenommene Vermittlungstätigkeit belegt eine unmittelbare Beteiligung des Angeklagten am Verkauf und Ankauf des Rauschgifts. Solches begründet ein täterschaftliches Handeltreiben (vgl. BGH NJW 2007, 1220, 1221, zur Aufnahme in BGHSt bestimmt; vgl. auch BVerfG - Kammer - NJW 2007, 1193, 1194).

Indes kann der Strafausspruch nicht aufrechterhalten bleiben. Das Landgericht hat lediglich den strafschärfenden Umstand des Handeltreibens mit der harten Droge Kokain in der Absicht, die nicht geringe Menge vielfach zu überschreiten, als für die Anwendung des Regelstrafrahmens bestimmend herangezogen und folgende Milderungsgründe ohne weitere Erwägung als unerheblich bewertet: nicht ausschließbare erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit wegen Kokainabhängigkeit, Geständnis, Unbestraftheit zur Tatzeit, straf- und drogenfreie Lebensführung seit einer Verurteilung vom 1. Juli 2002 zu einer inzwischen erlassenen Freiheitsstrafe, Fehlschlag der lange zurückliegenden Tat, vom Angeklagten nicht zu verantwortende lange Verfahrensdauer und die Selbststellung des Angeklagten nach Kenntniserlangung von einem Haftbefehl in diesem Verfahren.

Bei dem hier vorliegenden besitzlosen Betäubungsmittelhandel, der erheblich zurückliegenden Tatzeit und den weiteren aufgeführten - ausschließlich gewichtigen - Milderungsgründen ist das alleinige Abstellen auf eine hohe Grenzwertüberschreitung zur Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung auch vor dem Hintergrund des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes des Revisionsgerichts (vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268) Ausdruck einer defizitären, durchgreifend bedenklichen Gesamtabwägung (vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung, unvollständige 2; BGH, Beschluss vom 24. August 1995 - 4 StR 463/95, insoweit nicht in BGHR BtMG § 30 Abs. 2 Strafrahmenwahl 4 abgedruckt; BGH NStZ-RR 1997, 50, 51).

Die festgesetzte Einsatzstrafe hat demnach keinen Bestand. Deren Aufhebung zieht auch die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich. Die übrigen - sehr maßvollen - Freiheitsstrafen von einem Jahr und von neun Monaten können bestehen bleiben. Den ihnen zugrunde liegenden Taten wohnt auch ein erheblicher Erfolgsunwert inne (vgl. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 580), der die Strafrahmenwahl des Landgerichts hier trägt.

3. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler nicht. Der neue Tatrichter wird die Strafe im Fall II. 2. des landgerichtlichen Urteils und die Gesamtfreiheitsstrafe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zumessen können, die freilich um solche ergänzbar sind, die den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen.

Ende der Entscheidung

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