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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.04.1998
Aktenzeichen: 5 StR 79/98
Rechtsgebiete: StPO, StGB, AO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 265
StGB § 263
StGB § 265b
StGB § 23
StGB § 49
AO § 370 Abs. 3 Nr. 4
AO § 370 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 79/98

vom 21. April 1998

in der Strafsache

gegen

wegen Steuerhinterziehung u. a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. April 1998

beschlossen:

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 23. Oktober 1997 nach § 349 Abs. 4 StPO

1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II 5, 7, 9 und 10 der Urteilsgründe jeweils eines Kreditbetruges statt eines Betruges schuldig ist;

2. im Einzelstrafausspruch zu Fall II 3 und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

II. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Betruges in fünf Fällen und Unterschlagung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, in die eine frühere Verurteilung mit einbezogen worden ist. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Der Ausführung bedarf nur folgendes:

1. Zu Recht beanstandet der Beschwerdeführer, daß die vom Landgericht in den Fällen II 5, 7, 9 und 10 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen nicht ausreichend belegen, daß dem Angeklagten zum Zeitpunkt, als die von ihm getäuschten Banken jeweils die bestehenden Firmenkredite verlängerten, verwertbare Mittel zur Verfügung standen, auf die die Gläubiger hätten zurückgreifen können (vgl. BGHSt 1, 262, 264; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 263 Rdn. 31 m.w.N.). Auf die von der Firma R in Jeddah im Mai 1994 geleistete Anzahlung in Höhe von rund 425.000 DM (vgl. Fall II 6 der Urteilsgründe), von der im Herbst 1994 jedenfalls noch 100.000 DM als liquide Mittel vorhanden waren, kann in diesem Zusammenhang nicht zurückgegriffen werden. Denn diese Zahlung erfolgte nach den Feststellungen an die Firma M GmbH; nur dieser standen die Mittel folglich zur Verfügung. Die dem Angeklagten von den Banken bewilligten Firmenkredite, deren Fortführung er durch seine Täuschungshandlungen erreichte, waren dagegen offenkundig ihm als Inhaber der Einzelfirma eingeräumt worden. Die auf der Einlassung des Angeklagten beruhende Feststellung, er hätte sich im Falle der Kreditkündigungen jeweils anderweitig finanzielle Mittel beschafft (vgl. UA S. 11, 14, 16), reicht nicht aus, einen Schaden der Banken im Sinne des § 263 StGB rechtlich zu begründen. Denn es ist nicht ersichtlich, daß es sich bei den "zu beschaffenden Mitteln" um solche handelte, auf die die Gläubiger des Angeklagten überhaupt hätten zugreifen können. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe legt es vielmehr nahe, daß dem Angeklagten bei Bewilligung der Kreditverlängerungen keine ausreichenden Mittel zur Deckung zur Verfügung standen; die aufgrund der jeweiligen Täuschung gewährte Fortführung der Firmenkredite konnte danach den schon bestehenden Vermögensschaden nicht mehr vertiefen. Der Senat schließt aus, daß insoweit noch weitere sichere Feststellungen zu treffen sind. Er hat den Schuldspruch deshalb in den genannten Fällen jeweils auf den Tatbestand des Kreditbetruges nach § 265b StGB umgestellt, dessen Voraussetzungen nach den Feststellungen erfüllt sind.

§ 265 StPO steht dem nicht entgegen; der Angeklagte hätte sich ersichtlich nicht anders als geschehen verteidigen können.

Die Änderung des Schuldspruchs führt allerdings nicht zur Aufhebung der in diesen vier Fällen verhängten Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten Freiheitsstrafe. Zwar ist der Strafrahmen des § 265b StGB niedriger als der des vom Tatrichter zugrunde gelegten § 263 StGB. Das Landgericht hat jedoch bei der konkreten Strafzumessung bereits sämtliche zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt und sich an der unteren Grenze des Strafrahmens orientiert; eine Geldstrafe kam ersichtlich nicht in Betracht. Der Senat schließt daher aus, daß in diesen Fällen eine noch mildere Strafe verhängt worden wäre.

2. Dagegen kann der Strafausspruch wegen versuchter Steuerhinterziehung im Fall II 3 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Das Landgericht hat insoweit den Strafrahmen des § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO zugrunde gelegt und - ohne von der Milderungsmöglichkeit nach §§ 23, 49 StGB Gebrauch zu machen - eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Es hat dazu ausgeführt, es handele sich bei den Fällen II 3 und 4 um besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung, weil der Angeklagte nicht gerechtfertigte Steuervorteile durch Verwenden nachgemachter Belege habe erzielen wollen. Er habe auch "fortgesetzt gehandelt, weil er ... mehrfach falsche Belege eingereicht" habe. Diese Beurteilung hält im Fall II 3 der Urteilsgründe einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert das Merkmal "fortgesetzt" in § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO eine mehrfach wiederholte Begehungsweise (BGHSt 35, 374, 376). Der Täter muß demnach bereits mindestens zwei Steuerhinterziehungen unter Vorlage unrichtiger Belege begangen haben, bevor ihn die schärfere Ahndung aus dem erweiterten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO trifft.

Dies hat das Landgericht im Fall II 3 verkannt. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte zwar bereits im Herbst 1993 anläßlich einer Umsatzsteuersonderprüfung die von ihm zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuer in Höhe von insgesamt rund 57.000 DM mit vier von ihm selbst gefertigten Rechnungen belegt und damit eine Erstattung durch das Finanzamt bewirkt (Fall II 1 der Urteilsgründe). Diese Steuerhinterziehung allein reichte jedoch nicht aus, um im Fall II 3 der Urteilsgründe bereits einen besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO anzunehmen. Denn insoweit handelte es sich bei der Vorlage gefälschter Rechnungen für die Einzelfirma beim Finanzamt Erfurt zur Erlangung unberechtigter Steuererstattungen über rund 350.000 DM erst um die einmalige Wiederholung der aus Sicht des Angeklagten erfolgreichen Vorgehensweise.

Auch die Tatsache, daß der Angeklagte beim Finanzamt Erfurt eine Vielzahl gefälschter Rechnungen und Ausfuhrbescheinigungen für die Voranmeldungszeiträume August 1993 bis Juni 1994 vorlegte, ändert an dieser Beurteilung nichts; denn die betreffenden Voranmeldungen wurden mit den unrichtigen Belegen nicht nacheinander, sondern zusammen mit Schreiben vom 21. August 1994 dem Finanzamt übersandt, so daß rechtlich nur eine einheitliche Handlung gegeben ist. Erst im dritten Fall (II 4 der Urteilsgründe), in dem der Angeklagte nunmehr als Geschäftsführer der Firma M GmbH mit Schreiben vom 1. September 1994 Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate November 1993 bis Juni 1994 unter Vorlage von dreiundzwanzig gefälschten Einkaufsrechnungen mit entsprechenden gefälschten Ausfuhrbescheinigungen beim Finanzamt Wiesbaden vorlegte, um für die GmbH auf diese Weise rund 370.000 DM Vorsteuererstattung ungerechtfertigt zu erlangen, waren die Voraussetzungen für die Anwendung des erhöhten Strafrahmens nach § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO gegeben.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dafür nicht erforderlich, daß der Täter auch subjektiv von Anfang an die Vorstellung hat, er werde in Zukunft mehrfach Steuern auf die bezeichnete Art verkürzen. Der vom Gesetzgeber vorgesehene höhere Strafrahmen, der eine bestimmte steuerschädliche Begehungsweise voraussetzt, um dadurch den gefährlicheren Täter schärfer bestrafen zu können (BGHSt 35, 374, 376 f.), ist unter diesem Gesichtspunkt auch dann gerechtfertigt, wenn der Täter zunächst mit einem auf den Einzelfall bezogenen Vorsatz handelt und seine Vorgehensweise gegenüber dem Finanzamt "ausprobiert", um sodann im Fall des Erfolges sein steuerschädliches Verhalten mehrfach fortzusetzen. Andererseits gibt es - entgegen der Auffasssung des Generalbundesanwalts - auch keine Rückwirkung der strafschärfenden Voraussetzungen des Regelfalls nach § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO im Hinblick auf die dem dritten Fall zeitlich vorangehenden Einzelfälle der Steuerhinterziehung. Davon unberührt bleibt allerdings die Beurteilung eines solchen Einzelfalles als unbenannter besonders schwerer Fall, was indessen einer eingehenden Begründung bedürfte.

b) Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Strafzumessung im Fall II 3 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der verhängten Einzelstrafe; damit entfällt auch die Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht völlig ausschließen, daß der Tatrichter bei zutreffender Strafrahmenwahl eine geringere Strafe verhängt hätte.

Ende der Entscheidung

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