Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 5 StR 88/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

5 StR 88/04

vom 16. März 2004

in der Strafsache

gegen

wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 4. Dezember 2003 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den zur Zeit der Hauptverhandlung 25jährigen Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen und wegen sexueller Nötigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Der Angeklagte war zur Zeit der Taten 14 Jahre und elf Monate bis knapp 16 Jahre alt, das geschädigte Mädchen etwa sechs Jahre jünger. Beide lebten als Pflegekinder in der gleichen Pflegefamilie. Es kam zwischen dem Angeklagten und dem Mädchen bis zum Geschlechts- und Oralverkehr, wobei letzterer dem Kind mit allerdings geringfügiger Gewalt (Festhalten des Kopfes) abgenötigt wurde.

2. Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt hat. Die weiteren Ausführungen des Landgerichts lassen jedoch besorgen, daß es bei Bemessung der Strafe gewichtige schuldmindernde Gesichtspunkte nicht ausreichend bedacht hat.

Dies gilt insbesondere im Blick auf die damalige familiäre Situation des Angeklagten, der - aus desolaten Verhältnissen stammend - mit anderen Pflegekindern, darunter drei Mädchen, in einer geschwisterähnlichen Beziehung zusammenlebte. In dieser Konstellation ist es bereits im Jahre 1991 zwischen dem Angeklagten und den zwei älteren "Pflegeschwestern" zu einverständlichen sexuellen Kontakten in Form von "Doktorspielen" gekommen. Auch vor diesem Hintergrund hätte erörtert werden müssen, ob angesichts der familiären und sozialen Gegebenheiten die Hemmschwelle des Angeklagten erheblich herabgesetzt war. Dabei wäre auch zu bedenken gewesen, daß der Angeklagte bei der ersten Mißbrauchshandlung erst 14 Jahre alt war und der Altersunterschied zwischen ihm und der Geschädigten nicht allzu groß war.

Zudem deuten die Geschehnisse darauf hin, daß die Pflegeeltern ihrer Aufsichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen sind und deshalb die sexuellen Übergriffe des Angeklagten nicht bemerkt haben. Auch als die Geschädigte ihrer Pflegemutter in Ansätzen über das Verhalten des Angeklagten berichtete, hat diese die volle Tragweite der Anschuldigungen verkannt und keine ernsthaften Konsequenzen im Hinblick auf den Angeklagten gezogen.

Was die weiteren nicht einschlägigen Verfehlungen des Angeklagten im Jugend- und Heranwachsendenalter betrifft, geht die Strafkammer zwar zugunsten des Angeklagten davon aus, daß er bis zu der vierten und letzten Tat strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten war. Erst die folgenden Straftaten (Raub, Erpressung, Diebstahl und gefährliche Körperverletzung) führten schließlich 1998 zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, die der Angeklagte zum Teil verbüßen mußte. Letzteres hat ihn offensichtlich so nachhaltig beeindruckt, daß er danach einzig wegen Erschleichens von Leistungen aufgefallen ist. Auch diese günstige Entwicklung hätte bei Bemessung der Jugendstrafe mit dem notwendigen Gewicht berücksichtigt werden müssen. Dies gilt umso mehr, als die nunmehr abgeurteilten Straftaten bereits acht bis zehn Jahre zurückliegen.

Nach alledem ist der Strafausspruch aufzuheben. Bei der erneuten Strafzumessung sollte die in dem angefochtenen Urteil enthaltene Zumessungserwägung, der Angeklagte habe aus Gründen eigener sexueller Befriedigung gehandelt, vermieden werden.

Ende der Entscheidung

Zurück