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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.08.2001
Aktenzeichen: 5 StR 89/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 264
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 StR 89/01

vom

21. August 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. August 2001, an der teilgenommen haben:

Richter Basdorf als Vorsitzender,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 22. September 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Ihm wurde vorgeworfen, am 25. Juli 1998 (Fall 1) und am 2. Oktober 1998 (Fall 2) jeweils die Nebenklägerin, seine Ehefrau, von der er getrennt lebte, in deren Wohnung vergewaltigt zu haben.

Die gegen das freisprechende Urteil gerichteten Revisionen der Staatsanwaltschaft - vertreten vom Generalbundesanwalt - und der Nebenklägerin haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg; auf die von der Nebenklägerin erhobenen Aufklärungsrügen kommt es daher nicht an.

1. Die Beweiswürdigung zum Fall 2, mit der sich das Landgericht nicht von der Glaubhaftigkeit der den Angeklagten belastenden Zeugenaussage der Nebenklägerin hat überzeugen können, hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den Urteilsfeststellungen suchte der Angeklagte die Nebenklägerin am 2. Oktober 1998 unberechtigt in ihrer Wohnung auf, übte mit ihr den Geschlechtsverkehr aus und fesselte sie anschließend an den Beinen. Sofort nachdem er die Wohnung verlassen hatte, rief die Nebenklägerin die Polizei, bezichtigte den Angeklagten unter Hinweis auf noch vorhandene Tatspuren der Vergewaltigung und zeigte zugleich den zuvor nicht offenbarten Fall 1 an. Das Landgericht hat Zweifel an der Richtigkeit ihrer Tatdarstellung nicht zu überwinden vermocht.

b) Nicht grundlegend verfehlt hat der Tatrichter in der gegebenen Be-weissituation, in der im wesentlichen Aussage gegen Aussage stand, seine Beweiswürdigung nach einer bei Glaubhaftigkeitsgutachten üblichen Methodik (vgl. BGHSt 45, 164, 167 f.) ausgerichtet. Zutreffend hat er ferner seine gerade auch in diesem Rahmen bestehende Verpflichtung gesehen, eine Gesamtwürdigung sämtlicher relevanter Beweistatsachen vorzunehmen (vgl. Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 49 f. und 64 m.w.N.). Indes ist der Tatrichter dem nur unvollständig nachgekommen.

Zunächst hat er in Inhalt und Struktur der Aussage der Nebenklägerin rechtsfehlerfrei Indizien für deren Richtigkeit gefunden (UA S. 15 f.). Begründete Zweifel an ihrer Tatschilderung hat er hingegen aus dem Fehlen von Verletzungsspuren und aus dem sonst am Tatort vorgefundenen Spurenbild (UA S. 17 ff.) hergeleitet; insbesondere hat er ein Klebebandstück mit Haaranhaftungen nach seiner Beschaffenheit für unvereinbar mit der Darstellung des Entfesselungsvorganges durch die Nebenklägerin befunden. Der Tatrichter hat es hingegen unterlassen, von ihm als wahrheitswidrig festgestelltes oder als höchst zweifelhaft beurteiltes Aussageverhalten des Angeklagten im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung ausdrücklich zu würdigen. So hatte der Angeklagte im Ermittlungsverfahren zunächst Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau bestritten; nach Ankündigung einer molekulargenetischen Untersuchung hat er dann Geschlechtsverkehr eingeräumt, diesen indes als einverständlich geschildert. Zur Überzeugung der Strafkammer hat er wahrheitswidrig behauptet, seine Ehefrau habe ihn freiwillig in die Wohnung eingelassen, zudem hat er zum Grund, weshalb er überhaupt die Wohnung seiner Frau aufgesucht hatte, die Unwahrheit gesagt. Zum Anlaß der am Körper seiner Ehefrau von der Polizei noch vorgefundenen Fesselung hat er nicht nachvollziehbare Angaben gemacht.

Die Gesamtwürdigung einer Beweissituation, in der Aussage gegen Aussage steht, bleibt unvollständig, wenn dabei das gesamte Aussageverhalten des bestreitenden Angeklagten nicht mit in die Abwägung einbezogen wird. Dies gilt ungeachtet dessen, daß erwiesenermaßen lügnerisches Bestreiten allenfalls mit Vorsicht als Belastungsindiz zu verwerten ist (vgl. nur BGHSt 41, 153, 156; BGHR StPO § 261 - Überzeugungsbildung 30 und 33 m.w.N.).

Die Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung aus diesem Grunde ergibt sich im vorliegenden Fall jedenfalls daraus, daß das Urteil jede Erklärung darüber vermissen läßt, welche Geschehensvariante zur Tatversion der Nebenklägerin als Anlaß für die durch Spuren sicher festgestellte, vom Angeklagten selbst eingeräumte, aber nicht plausibel erklärte Fesselung der Beine der Nebenklägerin in Frage kommen könnte.

c) Die Beweiswürdigung begegnet aber auch deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die Begründung des Landgerichts, ein Irrtum der Nebenklägerin als Erklärung für ihre unrichtige Darstellung zur Entfesselung liege fern, letztlich kaum nachvollziehbar ist. Die Beobachtungsmöglichkeiten der Nebenklägerin waren bei diesem Vorgang ersichtlich eingeschränkt; schon daher liegen irrtumsbedingte Fehldeutungen nicht ganz fern. Insbesondere bleibt das Landgericht aber jeden alternativen Erklärungsversuch über das vorgefundene Klebebandstück mit Haarspuren schuldig. Die Nebenklägerin hatte in einer für sie überraschend eingetretenen belastenden Situation - kurz zuvor war sie vom Angeklagten mit Klebeband an den Füßen gefesselt worden - die Polizei gerufen; daß sie in dieser Ausgangslage bewußt eine - zudem einigermaßen sorgfältig vorbereitete - falsche Spur gelegt haben sollte, erscheint eher unwahrscheinlich, hätte jedenfalls näherer Erörterung bedurft.

2. Mit der Beanstandung der Beweiswürdigung zu Fall 2 verliert die damit eng zusammenhängende Beweiswürdigung zu Fall 1 ihre Grundlage. Zweifel an einer Täterschaft des Angeklagten im Fall 1 ergeben sich ohne weiteres aus begründeten Zweifeln an der Darstellung der Nebenklägerin zu Fall 2. Da diese indes nicht rechtsfehlerfrei belegt sind, bedürfen beide Tatvorwürfe erneuter tatrichterlicher Überprüfung.

Im Zusammenhang mit Fall 1 wird ein neuer Tatrichter schriftliche Notizen der Nebenklägerin, die diese nach ihren Angaben unmittelbar nach dem Tatgeschehen gefertigt hatte, in Erscheinungsbild und Inhalt im Urteil näher darzustellen haben, wenn er hieraus wiederum durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben herleiten will.

3. Der Senat weist darauf hin, daß der Freispruch im Fall 2 nach der auf die Revision der Staatsanwaltschaft veranlaßten Prüfung weiteren durchgreifenden Bedenken unterliegt: Der Tatrichter, der zu umfassender strafrechtlicher Beurteilung des angeklagten Tatgeschehens verpflichtet war (§ 264 StPO), hat es unterlassen, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten wegen seines festgestellten Begleitverhaltens, wonach er die Wohnung der Nebenklägerin unberechtigterweise betreten und sie gefesselt hatte, - zum einen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Hausfriedensbruchs (von der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung nach § 154a StPO von der Verfolgung ausgenommen; vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 154a Rdn. 24, 27), zum anderen der Freiheitsberaubung, eventuell auch der Körperverletzung - zu überprüfen. Daß insoweit Strafverfolgungshindernisse bestünden oder Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe durchgreifen würden, ist jedenfalls nicht offensichtlich.



Ende der Entscheidung

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