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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.01.2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 24/02
Rechtsgebiete: ZPO, FGG, BRAO, BVerfGG


Vorschriften:

ZPO § 91a
FGG § 13a
BRAO § 25
BRAO § 226 Abs. 2
BVerfGG § 35

Entscheidung wurde am 07.05.2003 korrigiert: Verkündungsdatum wurde korrigiert
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 24/02

vom

13. Januar 2003

in dem Verfahren

wegen Zulassung beim Oberlandesgericht

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Dr. Frellesen, den Rechtsanwalt Dr. Kieserling sowie die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff am 13. Januar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird bis zur Erledigung auf 50.000 € und für die Zeit danach auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beantragte im Mai 2001 unter Verzicht auf seine Rechte aus der bisherigen Zulassung beim Amtsgericht und Landgericht D. die Singularzulassung beim Oberlandesgericht H. . Die Antragsgegnerin wies diesen Bescheid mit Beschluß vom 20. Juli 2001 zurück. Die hiergegen gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung und Erlaß einer einstweiligen Anordnung hatten beim Anwaltsgerichtshof keinen Erfolg. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller sein Begehren zunächst weiter verfolgt. Nachdem er zwischenzeitlich bei dem Oberlandesgericht H. zugelassen wurde, haben jedoch beide Seiten unter Verwahrung gegen die Kostenlast die Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

Hiernach war in entsprechender Anwendung von § 91a ZPO, § 13a FGG nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Nach Ansicht des Senats entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die Beantwortung der Frage, ob die sofortige Beschwerde ohne die Erledigungserklärung Erfolg gehabt hätte, setzt die Klärung schwieriger Rechtsfragen voraus; hierzu hätte es einer Anfrage beim Bundesverfassungsgericht bedurft. Ein derartiger Aufwand ist untunlich, wenn es nach Erledigung der Hauptsache nur noch um die Frage geht, wer die Kosten zu tragen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Februar 1954 - III ZR 208/52, NJW 1954, 1038; BAG AP § 91a ZPO Nr. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. § 91a Rn. 26a).

Der Antragsteller hat gewichtige Argumente dafür vorgebracht, daß seine Zulassung beim Oberlandesgericht H. - in der Form einer Singularzulassung - auch noch nach Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2000 (BVerfGE 103, 1 ff. = NJW 2001, 353 ff.) in der Übergangszeit bis zum 30. Juni 2002 zulässig war. Nach dem vorherigen Rechtszustand konnte er, weil er bereits fünf Jahre als Rechtsanwalt zugelassen war, zum Oberlandesgericht zugelassen werden, falls er auf seine bisherige erstinstanzliche Zulassung verzichtete. Daß durch den Spruch des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsposition für die nächsten eineinhalb Jahre verschlechtert wurde, ist dem Urteil nicht unmittelbar zu entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Tenor seiner Entscheidung lediglich ausgesprochen, daß die Vorschrift des § 25 BRAO mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, die Vorschrift für bestehende Zulassungen bis zum 30. Juni 2002 fortgilt, ab 1. Januar 2002 bisher singular beim Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwälte auf ihren Antrag zugleich bei den für den Sitz der Kanzlei zuständigen Amts- und Landgerichten zugelassen werden können und daß § 226 Abs. 2 BRAO ab 1. Juli 2002 hinsichtlich der Beschränkung auf die dort genannten Länder gegenstandslos ist.

Auch die Begründung spricht im wesentlichen dafür, daß lediglich das Verbot der Simultanzulassung für verfassungswidrig angesehen wurde. Von einem Gebot der Simultanzulassung ist nicht die Rede. Das Bundesverfassungsgericht wollte den erstinstanzlichen Anwälten den Zugang zu den Oberlandesgerichten verschaffen, ohne die bestehende Zulassung aufgeben zu müssen, und umgekehrt den beim Oberlandesgericht zugelassenen zusätzlich die Zulassung zu den erstinstanzlichen Gerichten ermöglichen. Es sollten mit anderen Worten in der Form von Zulassungshindernissen bestehende Berufsausübungsbeschränkungen abgebaut werden. Danach liegt es nicht nahe, daß den Anwälten die bisher bestehende Möglichkeit genommen werden sollte, sich aus freien Stücken mit einer Singularzulassung beim Oberlandesgericht zu begnügen. Denn das würde bedeuten, daß eine neue Berufsausübungsbeschränkung geschaffen wird (im Ergebnis ähnlich Römermann BB 2001, 272, 273; Henssler JZ 2002, 337, 338 f.; Schneider AnwBl. 2001, 206, 207; Hartung AnwBl. 2001, 496, 497; ders. MDR 2002, 735, 738).

Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht unter B II seiner Gründe (aaO S. 19) ausgeführt, wegen der vollständigen Auslastung der bisher an den Oberlandesgerichten singular zugelassenen Rechtsanwälte erscheine es problematisch, ihnen zusätzlich die Zulassung in erster Instanz für die Dauer der gesamten Übergangszeit zu ermöglichen, "obwohl neue Singularzulassungen aufgrund der verfassungswidrigen Normen nicht mehr in Betracht kommen". Darin hat die Antragsgegnerin eine Vollstreckungsanordnung im Sinne von § 35 BVerfGG gesehen (ebenso Feuerich ZAP Fach 23 S. 409 ff.), zumal die Ansicht, daß neue Singularzulassungen während der Übergangszeit ausgeschlossen seien, von der Berichterstatterin des Bundesverfassungsgerichts in einem Telefonat mit der Antragsgegnerin bestätigt worden sei. Dieser Auffassung hat sich der Anwaltsgerichtshof angeschlossen.

Die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht im Wege einer Vollstreckungsanordnung gemäß § 35 BVerfGG neue Singularzulassungen für die Übergangszeit ausgeschlossen hat, kann in einem summarischen Verfahren über die Kostentragung nicht geklärt werden. Nach § 35 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung seiner Entscheidung regeln. Zu einer derartigen Vollstreckungsanordnung können auch normersetzende Übergangsregelungen des Gerichts gehören (Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein, BVerfGG 19. Aufl. § 35 Rn. 29, 72; Laumen, Die Vollstreckungskompetenz nach § 35 BVerfGG, Diss. 1997 S. 104 ff.). Wegen ihres normativen Charakters hat das Bundesverfassungsgericht solche Vollstreckungsanordnungen bisher zwar ausdrücklich verlautbart, nämlich entweder in seine Entscheidungsformeln aufgenommen (vgl. z.B. BVerfGE 48, 127, 130; 88, 203, 209; 93, 34, 41) oder nachträglich in einem selbständigen Beschluß ausgesprochen (vgl. BVerfGE 6, 300, 304). Nach einer Auffassung im Schrifttum soll sich aber auch aus der Begründung ergeben können, daß es sich um eine Vollstreckungsanordnung handelt (Umbach/Clemens/Roellecke, BVerfGG § 35 Rn. 43). Im vorliegenden Fall ist den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nicht eindeutig zu entnehmen, ob es eine solche Anordnung erlassen wollte. Zudem ist zu berücksichtigen, daß das Gericht nur unerläßliche Maßnahmen treffen (Bethge, aaO § 35 BVerfGG Rn. 42; Laumen, aaO S. 106) und die Sachentscheidung, die vollstreckt werden soll, nicht modifizieren darf (BVerfGE 68, 132, 140; Umbach/Clemens/Roellecke, BVerfGG § 35 Rn. 11; Laumen, aaO S. 30). Ob es für die Übergangszeit ein Verbot neuer Singularzulassungen als unerläßlich ansah, um einen verfassungsgemäßen Zustand herbeizuführen, lassen die Entscheidungsgründe nicht erkennen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, den bislang ausschließlich zweitinstanzlich tätigen Rechtsanwälten bereite die Umstellung größere Schwierigkeiten als den bisher nur die der ersten Instanz zugelassenen; sie bedürften deshalb in der Übergangszeit eines besonderen Schutzes. Schutzbedürftig waren sie zunächst aber nur insoweit, als es den neuen Konkurrenzdruck durch die erstinstanzlichen Anwälte anging, die nunmehr als Wettbewerber um die zweitinstanzlichen Mandate auftreten können. Ob sie nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts während der Übergangszeit auch des Schutzes gegenüber solchen Wettbewerbern bedurften, die schon immer als Konkurrenten auftreten konnten, und ob das Gericht gegebenenfalls das Schutzbedürfnis als so ausgeprägt ansah, daß deswegen diesen Wettbewerbern neue Restriktionen aufzuerlegen waren, ist offen.



Ende der Entscheidung

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