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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.11.2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 27/09
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO
Vorschriften:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 | |
BRAO § 16 Abs. 6 Satz 2 a.F. | |
BRAO § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 a.F. | |
BRAO § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 a.F. | |
BRAO § 36a a.F. | |
BRAO § 42 Abs. 5 Satz 2 a.F. | |
BRAO § 215 Abs. 2 | |
BRAO § 215 Abs. 3 | |
ZPO § 915 |
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,
den Richter Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Lohmann,
den Rechtsanwalt Dr. Frey und
die Rechtsanwältin Dr. Hauger
am 26. November 2009
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Juli 2008 und seiner sofortigen Beschwerde gegen dessen Zurückweisung wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens über diesen Antrag wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit dem 19. Januar 1979 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 10. Juli 2008 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls und erklärte den Widerruf für sofort vollziehbar. Den Antrag auf Aufhebung der sofortigen Vollziehung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
II.
Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
1. Er ist allerdings zulässig. Die Zurückweisung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch den Anwaltsgerichtshof ist zwar nach § 215 Abs. 2 und 3 BRAO i.V.m. § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 1 BRAO a.F. unanfechtbar. Das schließt aber nach § 215 Abs. 2 und 3 BRAO i.V.m. § 16 Abs. 6 Satz 6 Halbsatz 2 BRAO a.F. einen erneuten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht aus, der nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 5 Satz 2 BRAO a.F. bei dem Bundesgerichtshof gestellt werden kann, wenn - wie hier - in der Hauptsache sofortige Beschwerde eingelegt ist (Senat, Beschl. v. 4. März 2009, AnwZ (B) 78/08, [...]).
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
a) Die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids durfte nach der seinerzeit noch maßgeblichen Vorschrift des § 16 Abs. 6 Satz 2 BRAO a.F. nur angeordnet werden, wenn zu erwarten war, dass der Widerruf bestandskräftig wird und sein sofortiger Vollzug im überwiegenden öffentlichen Interesse zur schon vor Bestandskraft des Widerrufsbescheids notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten war (Senat, Beschl. v. 19. Juni 1998, AnwZ (B) 38/98, BRAK-Mitt. 1998, 235, 236; Beschl. v. 18. Oktober 2006, AnwZ (B) 29/06, [...]). Diese Voraussetzungen lagen bei Anordnung der sofortigen Vollziehung vor. Daran hat sich auch im Beschwerdeverfahren nichts geändert. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und der Widerrufsbescheid Bestandskraft erlangen wird, weil die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls zu widerrufen war und der Widerrufsgrund auch nicht im Laufe des Verfahrens entfallen ist. Der sofortige Vollzug ist auch weiterhin geboten.
b) Bei Erlass des angefochtenen Widerrufsbescheids lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vor.
aa) Vermögensverfall nach dieser Vorschrift ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.
bb) Danach befand sich der Antragsteller bei Erlass des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall.
(1) Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt mit 19 Haftbefehlen und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts M. eingetragen. Vermögensverfall wurde deshalb bei dem Antragsteller gesetzlich vermutet. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren auch zerrüttet. Gegen den Antragsteller wurden seinerzeit insgesamt 56 Zwangsvollstreckungsverfahren wegen Beträgen von 34,64 EUR bis 20.924,25 EUR betrieben. Ferner war die Zwangsversteigerung von Immobilien des Antragstellers durch das Amtsgericht M. wegen einer Forderung von 311.789,51 EUR und das Amtsgericht P. wegen einer Forderung von 374.372,90 EUR angeordnet worden. Die Vermieterin des Antragstellers hatte ihre Außenstände in der Kündigung des Mietvertrags über die Kanzleiräume mit 40.000 EUR beziffert. Seinen Mitarbeitern, die im Mai 2008 kündigten, zahlte der Antragsteller zuletzt kein Arbeitsentgelt. Er führte auch die Sozialabgaben nicht ab. Wie es dazu kam und ob der Antragsteller seine missliche Lage eigenen Fehlern zuzuschreiben hat, ist unerheblich; entscheidend ist allein die objektive Lage (BGH, Beschl. v. 24. Oktober 1994, AnwZ (B) 29/94, BRAK-Mitt. 1995, 28 f.; Beschl. v. 1. Februar 2006, AnwZ (B) 71/05, AnwBl. 2006, 356).
(2) Der Antragsteller hat den zuletzt genannten Beweisanzeichen nur die nicht konkretisierte und zudem auch nicht belegte Behauptung entgegengesetzt, er habe Honorarforderungen von 600.000 EUR. Das genügte nicht. Bei geordneten Vermögensverhältnissen wären solche Honorarforderungen beizeiten durchgesetzt und rechtzeitig zur Tilgung von Schulden eingesetzt worden. Hinzukommt, dass gegen den Antragsteller die Vermutung des Vermögensverfalls streitet. Diese kann der Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine umfassende Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegt (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; Beschl. v. 29. September 2003, AnwZ (B) 68/02, [...]; Beschl. v. 12. Januar 2004, AnwZ (B) 26/03, unveröff.; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221 [Ls]). Das ist nicht ansatzweise geschehen.
cc) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Antragsteller ausnahmsweise anders war, bestanden nicht. Der Antragsteller hatte vielmehr seine Angestellten nicht mehr bezahlt und die Sozialabgaben nicht mehr abgeführt.
c) Der Antragsteller hat auch nicht nachgewiesen, dass der Widerrufsgrund im Verlaufe des Verfahrens entfallen ist.
aa) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfällt (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Das setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083, 2084). Die gegenteilige Ansicht des Antragstellers trifft nicht zu. Der Berücksichtigung eines Fortfalls des Widerrufsgrundes liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rechtsanwalt andernfalls nach Bestätigung des Widerrufs sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Das gilt aber nur, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt (BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2007, AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 = [...], Tz. 8; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14 Rdn. 60), dem eine entsprechende Mitwirkung nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 36a BRAO a.F. (heute § 32 BRAO i.V.m. § 26 Abs. 2 VwVfG) obliegt. Dieser Nachweis ist nicht geführt.
bb) Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht konsolidiert. Das Amtsgericht M. hat im Gegenteil am 5. September 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet. Vermögensverfall wird deshalb nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO jetzt auch aus diesem Grund bei dem Antragsteller vermutet. Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind geordnete Vermögensverhältnisse erst wiederhergestellt, wenn das Insolvenzverfahren entweder mit einem bestätigten Schuldenbereinigungsplan oder mit der durch das Insolvenzgericht angekündigten Restschuldbefreiung abgeschlossen ist. Daran fehlt es.
cc) Auch eine Gefährdung der Rechtsuchenden besteht fort.
(1) Sie entfällt nach der Rechtsprechung des Senats im Grundsatz nicht schon durch die Insolvenzeröffnung und die damit eintretende Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senat, Beschl. v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925, Tz. 12; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Vielmehr muss die begründete Aussicht bestehen, dass das Insolvenzverfahren in absehbarer Zeit beendet wird und die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse erwarten lässt. Deshalb ändert auch der bloße Antrag auf Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren an dem Fortbestand einer Gefährdung der Rechtsuchenden nichts (Senat, Beschl. v. 13. März 2000, AnwZ (B) 28/99, NJW-RR 2000, 1228, 1229; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Die Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt vielmehr erst, wenn dem Rechtsanwalt die Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts förmlich angekündigt worden ist (Senat, Beschl. v. 7. Dezember 2004, AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 3; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944; Beschl. v. 16. April 2007, AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619, 620). Nichts anderes gilt für den Abschluss des Verfahrens durch die Bestätigung eines Schuldenbereinigungsplans. Auch in dieser Konstellation lässt nicht schon die - hier zudem nicht belegte - Behauptung von Einnahmen die Gefährdung der Rechtsuchenden entfallen. Vielmehr muss ein solcher Plan vorgelegt und die begründete Aussicht auf seine Bestätigung durch die Gläubiger und das Insolvenzgericht bestehen. Dazu fehlt hier jede konkrete Darlegung.
(2) Schließlich liegt auch ein Ausnahmefall, in dem eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts verneint werden kann (dazu Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, a.a.O. unter II 2 c; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 unter II 2; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 14/05, AnwBl. 2006, 281 f. unter II 3; Beschl. v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925), nicht vor. Wie der Senat im Anschluss an die Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2004 (AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511) klargestellt hat, kann bei einer Anstellung des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts in einer Einzelkanzlei eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch arbeitsvertragliche Beschränkungen der Befugnisse des angestellten Rechtsanwalts grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, weil deren Einhaltung in einer Einzelkanzlei - anders als in einer Sozietät - nicht zuverlässig sichergestellt werden kann (Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, 560; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, [...]). Zu einer abweichenden Beurteilung gibt der - ebenfalls nicht konkretisierte und nicht belegte - Vortrag des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 2. Juni 2009 keinen Anlass.
d) Der sofortige Vollzug des Widerrufs ist auch weiterhin zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden, insbesondere die Mandanten des Antragstellers, zwingend geboten. Der Antragsteller hat die Interessen seiner Mandanten konkret gefährdet. Er hat seine Kanzlei nicht, wie er meint, geordnet aufgelöst. Er hat seine Mitarbeiter vor ihrer Kündigung nicht mehr bezahlt und die für sie anfallenden Sozialabgaben nicht mehr abgeführt. Er hat sich am 8. Mai 2008 in stationäre psychiatrische Behandlung begeben, ohne einen Vertreter zu bestellen oder dies bei der Antragsgegnerin anzuregen. Dazu kam es erst auf Grund von Beschwerden bei der Antragsgegnerin. Der von der Antragsgegnerin bestellte Vertreter hat die Kanzlei in desolatem Zustand vorgefunden. Der Antragsteller unterstützt den Abwickler seiner Kanzlei bei seiner Aufgabe auch nicht. Außerdem sind in einem Fall Mandantengelder nicht ausgekehrt worden.
Ende der Entscheidung
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