Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.05.1998
Aktenzeichen: AnwZ (B) 3/98
Rechtsgebiete: DDR/RAnwG


Vorschriften:

DDR/RAnwG § 4
DDR:RAnwG § 4

Ein Abschluß im Studienbereich Rechtswissenschaften, den ein russischer Staatsangehöriger an einer staatlichen Universität der ehemaligen UdSSR erworben hat, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG für die Zulassung als Rechtsanwalt.

BGH, Beschluß vom 4. Mai 1998 - AnwZ (B) 3/98 - Anwaltsgerichtshof Sachsen-Anhalt


Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein russischer Staatsbürger, schloß ein Studium der Rechtswissenschaften an der Staatlichen Universität K./UdSSR am 16. Juni 1986 mit dem Diplom der Staatlichen Prüfungskommission ab. Damit wurde ihm die Qualifikation "Jurist" zuerkannt. Da er eine Bürgerin der ehemaligen DDR geheiratet hatte, siedelte er im August 1987 nach M. über. Dort war er in der Folgezeit in verschiedenen juristischen Berufen, überwiegend als Justitiar, tätig.

Im Jahre 1991 beantragte der Antragsteller, sein in der UdSSR erworbenes Diplom als dem eines an einer Universität in der ehemaligen DDR ausgebildeten Diplom-Juristen gleichwertig anzuerkennen. Dies lehnte der Antragsgegner ab. Eine entsprechende Verpflichtungsklage und die hilfsweise erhobene Feststellungsklage wurden vom Verwaltungsgericht M. und Oberverwaltungsgericht S. rechtskräftig abgewiesen.

Am 2. Mai 1996 wurde dem Antragsteller gemäß Art. 1 § 1 Nr. 6 des Rechtsberatungsgesetzes die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auf dem Gebiet des Rechts der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR erteilt.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 1996 hat der Antragsteller die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragt. Der Antragsgegner hat den Antrag mit Bescheid vom 12. Mai 1997 abgelehnt. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof am 4. Dezember 1997 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 4 Abs. 1 des Rechtsanwaltsgesetzes (RAG) der ehemaligen DDR vom 13. September 1990 (BGBl. I S. 1504) kann zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, wer in der DDR ein umfassendes Hochschulstudium mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossen hat und außerdem auf mindestens zwei Jahre juristische Praxis in der Rechtspflege oder in einem rechtsberatenden Beruf verweisen kann. Diese Regelung gilt, nachdem das Rechtsanwaltsgesetz durch Art. 21 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (BRAO-NeuordnungsG) vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2278) aufgehoben wurde, mit der Maßgabe weiter, daß Diplom-Juristen, die bei Inkrafttreten des BRAO-NeuordnungsG noch nicht über die notwendige zweijährige Praxis verfügten, diese noch innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes erwerben konnten (Art. 21 Abs. 8 BRAO-NeuordnungsG).

2. Der Antragsteller erfüllt zwar die Voraussetzung einer mindestens zweijährigen juristischen Praxis; er hat aber kein mit dem akademischen Grad eines Diplom-Juristen abgeschlossenes Hochschulstudium in der früheren DDR vorzuweisen. Diese fehlende Voraussetzung kann nicht durch den Studienabschluß der Universität K./UdSSR ersetzt werden.

a) Ob sich dies, wie der Anwaltsgerichtshof gemeint hat, bereits daraus ergibt, daß es die Verwaltungsgerichte im Vorprozeß rechtskräftig abgelehnt haben, die Gleichwertigkeit des an der Universität K./UdSSR erworbenen Diploms mit dem an einer Universität der ehemaligen DDR erworbenen Abschluß als Diplom-Jurist festzustellen, ist zweifelhaft, weil die Verwaltungsgerichte nicht die Frage beantwortet haben, ob die hier in Rede stehenden Studienabschlüsse gleichwertig sind. Sie haben nur ausgesprochen, daß der Antragsteller heute keine Anerkennung (Nostrifikation) als gleichwertig mehr erreichen könne, weil mit dem Untergang der DDR und der UdSSR die völkerrechtlichen Grundlagen entfallen seien. Letztlich kann dies aber offenbleiben. Das gilt ebenso zu der Frage, ob nicht entgegen der Meinung des Anwaltsgerichtshofs eine Gleichwertigkeit gegeben ist, obwohl der Antragsteller bei der Äquivalenzkommission der DDR keinen Antrag auf Anerkennung der Äquivalenz (Nostrifikation) gestellt hat.

b) Dem Anwaltsgerichtshof ist darin zuzustimmen, daß der Antragsteller nicht in den persönlichen Geltungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 8 BRAO-NeuordnungsG fällt.

In § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG wird, wörtlich genommen, darauf abgestellt, ob ein Hochschulstudium "in der DDR absolviert" worden ist. Dieses Verständnis ist zu eng. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat (Beschl. v. 30. Oktober 1995 - AnwZ (B) 26/95, BRAK-Mitt. 1996, 84, 85 unter 2 a), kann auch ein rechtswissenschaftlicher Abschluß einer staatlichen Universität der UdSSR, der von der ehemaligen DDR anerkannt worden ist, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG für die Zulassung als Rechtsanwalt erfüllen. Die frühere Entscheidung des Senats betraf allerdings nur Deutsche aus der früheren DDR, die im sozialistischen Ausland eine rechtswissenschaftliche Ausbildung abgeschlossen haben (Beschl. v. 30. Oktober 1995, aaO S. 86 oben), also nicht den vorliegenden Fall.

Eine weitere Ausdehnung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG dahin, daß Angehörige osteuropäischer Staaten, die in ihrem Heimatland einen juristischen Abschluß - vergleichbar dem des Diplom-Juristen in der früheren DDR - erreicht haben, zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden können, ist nicht möglich. Die Fortgeltung des § 4 RAG beruht auf einer Ausnahmeregelung. Ihre Auslegung hat sich an den Erwägungen auszurichten, die zu der Ausnahmeregelung geführt haben.

Wer zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden will, muß grundsätzlich die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt haben. Da in der früheren DDR keine Möglichkeit bestand, ein Zweites Juristisches Staatsexamen abzulegen, den Juristen in der früheren DDR nach dem Beitritt der neuen Bundesländer aber der Zugang zur Rechtsanwaltschaft eröffnet werden sollte, war für eine Übergangszeit eine vom Deutschen Richtergesetz abweichende Regelung erforderlich (BGH, Beschl. v. 14. März 1994 - AnwZ (B) 70/93, BRAK- Mitt. 1994, 179; v. 30. Oktober 1995, aaO).

Zu diesem Zweck bestimmt Art. 21 Abs. 2 BRAO-NeuordnungsG, daß nach dem Rechtsanwaltsgesetz der früheren DDR zugelassene Rechtsanwälte nunmehr "nach der BRAO zugelassen" sind, und Art. 21 Abs. 8 BRAO-NeuordnungsG ermöglicht es denjenigen, die in der Vergangenheit zwar die Befähigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG erworben haben, die aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BRAO-NeuordnungsG am 9. September 1994 (Art. 22 Abs. 1) noch nicht als Rechtsanwälte zugelassen waren, die entsprechende Zulassung zu erhalten. Diese Regelung ist so auszulegen, daß sie sich verfassungsrechtlich (vgl. Art. 3 GG) unbedenklich in das Recht der Anwaltszulassung einfügt. Danach kann zwar ein Ausländer, der in der früheren DDR den Grad eines Diplom-Juristen erworben hat und die sonstigen Voraussetzungen erfüllt, zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Das gleiche gilt für einen Bürger der früheren DDR, der auf einen von der früheren DDR anerkannten Studienabschluß im osteuropäischen Ausland verweisen kann. Es gilt aber nicht für einen Ausländer, der in seinem Heimatstaat einen derartigen Studienabschluß erworben hat.

Daß der Antragsteller, wie er vorträgt, "letztlich das gleiche berufliche Schicksal (erleide) wie seine damaligen Berufskollegen, die DDR-Juristen, denen zweifelsfrei der Zugang zur Rechtsanwaltschaft ermöglicht" werde, ist unzutreffend. Würde ein von einem "DDR-Juristen" in der UdSSR erworbener Abschluß nicht als Zulassungsvoraussetzung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 RAG anerkannt, könnte jener in seinem Heimatstaat nicht als Rechtsanwalt tätig sein. Der Antragsteller kann dies aber in seinem Heimatstaat Rußland ohne weiteres.

Würde der Antragsteller einem "DDR-Juristen" gleichgestellt, stünde er außerdem bei der Anwaltszulassung besser als ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union. Dieser muß, wenn er in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen werden will, entweder die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz vorweisen oder die Eignungsprüfung nach dem Gesetz über die Eignungsprüfung (EignungsprüfungsG) vom 6. Juli 1990 (BGBl. I S. 1349) bestanden haben (§ 4 BRAO). Davon befreit ihn nicht, daß er in seinem Heimatstaat einen juristischen Hochschulabschluß erlangt hat.

Daß Staatsbürger der ehemaligen DDR durch § 4 RAG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 8 BRAO-NeuordnungsG besser gestellt werden als EG-Ausländer und sogar besser als Bewerber aus den alten Bundesländern (vgl. BGH, Beschl. v. 14. März 1994, aaO) - solche Bewerber können durch einen im Ausland erworbenen Studienabschluß die Befähigung zum Richteramt, und damit zur Rechtsanwaltschaft, nicht erwerben (§§ 5, 112 DRiG) -, rechtfertigt es nicht, diese Privilegierung auf Ausländer auszudehnen. Die Bevorzugung der Deutschen aus der ehemaligen DDR bei der Anwaltszulassung ist als Beitrag dafür gedacht, daß nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit alle Deutschen angemessen an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Rechtspflege beteiligt werden und daß alle möglichst gleiche Zugangschancen zu den juristischen Berufen erhalten. Diese Zielsetzungen lassen sich auf Ausländer nicht im gleichen Maße übertragen.

Dafür, daß der Gesetzgeber des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte die Rechtsstellung von Ausländern ausweiten wollte, gibt es keine Anhaltspunkte. Es ging ihm nur darum, die Rechtseinheit in Deutschland auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte herzustellen (BT-Drucks. 12/4993 S. 1, 46).

Dementsprechend beruht die Senatsentscheidung vom 30. Oktober 1995 (aaO) auf der Erwägung, daß die deutschen Absolventen eines in der ehemaligen DDR anerkannten Auslandsstudiums nur deshalb nicht ausdrücklich in die gesetzliche Regelung einbezogen worden sind, weil sie wegen ihrer sehr geringen Zahl bei den Gesetzesverhandlungen keine Rolle gespielt haben.

Ende der Entscheidung

Zurück