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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 33/07
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
ZPO § 850c Abs. 1
ZPO § 915
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 33/07

vom 31. März 2008

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Schmidt-Räntsch und Schaal sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich, Dr. Frey und Prof. Dr. Stüer nach mündlicher Verhandlung

am 31. März 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 12. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit dem 4. September 1997 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Durch ein Schreiben der Verwaltung für Finanzen vom 21. Februar 2005 wurden der Antragsgegnerin Steuerschulden des Antragstellers bekannt. Am 18. Mai 2006 wies das Amtsgericht C. den Widerspruch des Antragstellers gegen seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, die das Rechtsanwaltsversorgungswerk wegen Rückständen von 32.814,70 € beantragt hatte, zurück. Mit Beschluss vom 7. Juli 2006 eröffnete das Amtsgericht C. wegen inzwischen auf 39.082,56 € angestiegener Steuerrückstände das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers. Zur Insolvenztabelle wurde noch eine Forderung der a. GmbH von 486,83 € angemeldet. Darüber hinaus bestehen noch Forderungen der B. bank von 3.198,48 € und der An. P. über 5.301,69 €. Mit Bescheid vom 12. Juli 2006 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine sofortige Beschwerde, mit der er die Aufhebung des Widerrufsbescheids beantragt. Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Es hat indes keinen Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Ist der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Verzeichnis eingetragen oder ist das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden, so wird der Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet.

2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids am 12. Juli 2006 vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsteller Schulden von deutlich mehr als 58.000 € und keine Mittel, sie zu begleichen. Er war nach Zurückweisung seines Widerspruchs am 18. Mai 2006 verpflichtet, auf Antrag eines seiner Gläubiger, des Rechtsanwaltsversorgungswerks, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Außerdem war am 7. Juli 2006 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden. Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

3. Der Widerrufsgrund ist auch nicht, was im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), nachträglich weggefallen.

a) Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht konsolidiert. Er hat zwar als Mitarbeiter seiner Verfahrensbevollmächtigten regelmäßig Einkünfte. Sie betragen aber nur zwischen 725,39 € im April 2007 und 991,13 €. Sie liegen regelmäßig unterhalb der Pfändungsfreigrenze nach § 850c Abs. 1 ZPO, die nach den Pfändungsfreigrenzenbekanntmachungen vom 25. Februar 2005 (BGBl. I S. 493) und vom 22. Januar 2007 (BGBl. I S. 64) 985,15 € beträgt. Von diesen Beträgen hat der Antragsteller seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Spielräume zur Rückführung seiner Schulden oder zu einem geordneten Wirtschaften als Rechtsanwalt eröffnet ihm dieses Einkommen nicht. Das stellt der Antragsteller auch nicht in Abrede.

b) Ein Ausnahmefall, in dem die Interessen der Rechtsuchenden ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären, ist entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht gegeben.

aa) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet; dies ist auch in der Regel der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Die Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt auch im Grundsatz nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senat, Beschl. v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925, Tz. 12). Das gleiche gilt für einen Antrag auf Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren (Senat, Beschl. v. 13. März 2000, AnwZ (B) 28/99, NJW-RR 2000, 1228, 1229; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944). Vielmehr kann in aller Regel erst dann, wenn das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss führt, bei dem mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers gerechnet werden kann, das heißt mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts, davon ausgegangen werden, dass nicht nur der Vermögensverfall, sondern auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht (Senat, Beschl. v. 7. Dezember 2004, AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271 unter II 2; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944, 1945; Beschl. v. 16. April 2007, AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619, 620). Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor.

bb) Ein Ausnahmefall, in dem eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts verneint werden kann (dazu Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, aaO unter II 2 c; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 unter II 2; Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 14/05, AnwBl. 2006, 281 f unter II 3; Beschl. v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925), ist ebenfalls nicht gegeben.

Wie der Senat im Anschluss an die Senatsentscheidung vom 18. Oktober 2004 (AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511) klargestellt hat, kann bei einer Anstellung des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts in einer Einzelkanzlei eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch arbeitsvertragliche Beschränkungen der Befugnisse des angestellten Rechtsanwalts grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, weil deren Einhaltung in einer Einzelkanzlei - anders als in einer Sozietät - nicht zuverlässig sichergestellt werden kann (Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559, 560). Für eine abweichende Beurteilung gibt der in der Verhandlung vorgelegte Anstellungsvertrag des Antragstellers mit seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 30. März 2008 keinen Anlass.

Ende der Entscheidung

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