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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.07.2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 37/03
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 16 Abs. 6 Satz 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 37/03

vom

21. Juli 2003

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft;

hier: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Basdorf, Schlick und die Richterin Dr. Otten sowie die Rechtsanwältin Dr. Hauger, den Rechtsanwalt Dr. Kieserling und die Rechtsanwältin Kappelhoff am 21. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 1. April 2003 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 27. Juni 2002 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO. Über das Vermögen des Antragstellers war bereits am 10. April 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Hinblick darauf, daß der Antragsteller nicht mehr befugt war, über sein Vermögen zu verfügen, sah die Antragsgegnerin davon ab, die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung anzuordnen.

Mit Schreiben vom 22. November 2002 informierte der Insolvenzverwalter die Antragsgegnerin darüber, daß der Antragsteller seit 1999 "keinerlei geordnete Buchhaltung" durchgeführt und von einem Mandanten am 16. Mai 2002 bar einen Honorarvorschuß von 2.132 € "hinter dem Rücken" des Insolvenzverwalters vereinnahmt habe; zugleich regte er an, über die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung erneut zu befinden.

Unter Hinweis auf dieses Schreiben ordnete die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. März 2003 den Sofortvollzug der Widerrufsverfügung an.

Den gegen den Widerruf gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 1. April 2003 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der am 2. Mai 2003 eingelegten sofortigen Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 2. April 2003 hat der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsmittels wiederherzustellen. Der Anwaltsgerichtshof hat mit Beschlüssen vom 11. April und 7. Mai 2003 diesem Begehren vorläufig bis zum 23. Mai 2003 entsprochen.

II.

Der unmittelbar nach der Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch den Anwaltsgerichthof an diesen gerichtete und nach § 16 Abs. 6 Satz 5 BRAO statthafte Antrag ist, nachdem der Antragsteller gegen den Zurückweisungsbeschluß des Anwaltsgerichtshofs form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt hat, als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verstehen (vgl. § 42 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 6 BRAO). In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats darf die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheids - als Ausnahmefall - nur angeordnet werden, wenn sie im überwiegenden öffentlichen Interesse zu einer schon vor Bestandskraft des Widerrufs notwendigen Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist. Erste Voraussetzung für eine solche Anordnung ist die hohe Wahrscheinlichkeit, daß der Widerrufsbescheid Bestandskraft erlangen wird. Des weiteren ist jedoch zu verlangen, daß die sofortige Vollziehung als Präventivmaßnahme im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Abwehr konkreter Gefahren für die Rechtsuchenden oder die Rechtspflege erforderlich ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2003 - AnwZ (B) 21/03 - und vom 24. September 2001 - AnwZ (B) 34/01 - NJW-RR 2002, 1718 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Widerrufsverfügung Bestandskraft erlangen wird. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird ein Vermögensverfall unter anderem dann vermutet, wenn über das Vermögen des Rechtsanwalts - wie hier - ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Umstände, die diese gesetzliche Vermutung entkräften könnten, sind weder ersichtlich noch vom Antragsteller dargetan.

2. In Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin sind die mangelhafte Buchführung und insbesondere die Entgegennahme von Mandantengeldern "hinter dem Rücken" des Insolvenzverwalters als Beleg für eine konkrete Gefährdung der Rechtsuchenden anzusehen.

Es liegt auf der Hand, daß der Antragsteller dadurch, daß er Vorschußzahlungen auf Honorarforderungen trotz des laufenden Insolvenzverfahrens bar entgegengenommen hat, den Mandanten in die Gefahr brachte, den nicht unerheblichen Betrag von 2.132 € nochmals zur Insolvenzmasse leisten zu müssen (vgl. § 82 InsO). Der Antragsteller hat sich auch vorsätzlich über die Empfangszuständigkeit des Insolvenzverwalters hinweggesetzt. Nach der vom Antragsteller nicht bestrittenen Darstellung des Insolvenzverwalters hatte dieser mit ihm vereinbart, daß sämtliche ausstehenden Honorare auf ein vom Insolvenzverwalter geführtes Anderkonto bei der H. Sparkasse einzuziehen seien und der Antragsteller seine Mandanten bei der Erteilung von Kostennoten dementsprechende Hinweise zu erteilen habe. Diese Abrede hat der Antragsteller mißachtet. Sein Vorbringen, er habe insoweit in einem "entschuldbaren Verbotsirrtum" gehandelt, weil er davon ausgegangen sei, daß sein Mandant den Prozeß gewinnen und nach erfolgter Kostenfestsetzung der vorgeschossene Betrag wieder an diesen zurückfließen werde, entlastet ihn nicht. Prognosen über den Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens sowie Einschätzungen der Liquiditätslage des Prozeßgegners und - im Falle des Obsiegens - Kostenschuldners sind stets, wie jedem Rechtsanwalt bekannt ist, mit mehr oder weniger großen Unsicherheiten verbunden. Daher wird vorliegend durch den Umstand, daß der Mandant des Antragstellers tatsächlich obsiegt und ihm sein Gegner die festgesetzten Kosten erstattet hat, der Eintritt einer konkreten Gefährdung von Mandanteninteressen nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat sich lediglich eine konkrete Gefährdung nicht zu einem dauernden Vermögensschaden des Mandanten verfestigt.

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