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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 39/99
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8
BRAO § 42 Abs. 1 Nr. 3
BRAO § 42 Abs. 4
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 39/99

vom

10. Juli 2000

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Dr. Fischer, Terno und die Richterin Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott, Dr. Körner und Dr. Wüllrich auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2000

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 3. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf

100.000 DM

festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1947 geborene Antragsteller ist seit 1976 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amts- und Landgericht H., seit 1981 zudem beim Hanseatischen Oberlandesgericht zugelassen. Mit Verfügung vom 7. Mai 1998 hat die frühere Antragsgegnerin die Zulassung der Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. wegen Vermögensverfalls widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Während des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verfügung vom 7. Mai 1998 angeordnet.

II.

Das Rechtsmittel ist nach § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Gerät der Rechtsanwalt in Vermögensverfall, ist seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F.). Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht (§§ 107 Abs. 2 KO, 26 Abs. 2 InsO) oder vom Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Im übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in schlechte, ungeordnete finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94 - BRAK-Mitt. 1995, 126).

Im Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung befand sich der Antragsteller in Vermögensverfall. Er war wegen mehrerer gegen ihn ergangener Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts H. eingetragen. Demgemäß stritt schon die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2 BRAO a.F. für den Eintritt des Vermögensverfalls. Darüber hinaus waren gegen den Antragsteller zahlreiche - in der angefochtenen Entscheidung näher dargelegte - Schuldtitel erwirkt und Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen worden. Das belegt nachdrücklich, daß der Antragsteller in tiefgreifende wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, die ihn außerstande setzten, seinen finanziellen Verpflichtungen in geordneter Weise nachzukommen. Daß durch den Vermögensverfall die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, hat der Antragsteller nicht darzulegen vermocht.

2. Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Widerrufsverfügung ist zwar grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgebend. Wenn der Widerrufsgrund aber nachträglich zweifelsfrei weggefallen ist, kann dies im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch berücksichtigt werden.

Von einem solchen Wegfall des Widerrufsgrundes ist der Anwaltsgerichtshof aber mit Recht nicht ausgegangen. Zwar hat der Antragsteller die Tilgung mehrerer Forderungen und die Löschung seiner Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nachgewiesen, andererseits aber sind noch während des Verfahrens weitere Verbindlichkeiten bekannt geworden. Die noch verbleibenden Zahlungsverpflichtungen beliefen sich auf etwa 100.000 DM. Deren geordnete Rückführung war nach wie vor nicht sichergestellt.

Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Er ist - wie er selbst einräumt - wegen drei in den Monaten April und Mai 2000 gegen ihn ergangener Haftbefehle wiederum im Schuldnerverzeichnis eingetragen (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 Halbs. 2 BRAO a.F.). Der Antragsteller hat zwar dargelegt, daß jedenfalls sein Hauptgläubiger Dr. H. bereit sei, gegen Zahlung von 73.818 DM den Vollstreckungsauftrag zurückzunehmen und wegen der titulierten Restforderung von 35.829 DM sowie der weiteren Forderung über 150.000 DM monatliche Ratenzahlungen von zunächst 3.000 DM, ab Februar 2001 von 7.500 DM und anschließend (wegen der Forderung über 150.000 DM) von 10.000 DM zu akzeptieren. Er hat jedoch bereits nicht ausreichend belegt, daß er die Einmalzahlung von 73.818 DM ohne die Eingehung neuer Verbindlichkeiten erbringen kann. Denn aus der Erklärung seiner Schwester vom 10. Juli 2000 ergibt sich - entgegen seiner Behauptung - nicht, daß sie ihm den darin genannten Betrag von 80.000 DM schenkweise zur Verfügung stellen werde. Hinzu kommt, daß gegen den Antragsteller weitere Verbindlichkeiten bestehen (u.a. Fa. EOC: nach Angaben des Antragstellers ca. 35.000 DM; Fa. K.: ca. 6.400 DM), hinsichtlich derer der Antragsteller Stundungsvereinbarungen zwar behauptet, aber nicht belegt hat. Soweit der Antragsteller demgegenüber - wie bereits im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof - geltend macht, er habe noch eine offene Honorarforderung über etwa 212.000 DM, ist deren Begleichung nach wie vor ungewiß; die Hoffnung auf eine künftige Besserung der Vermögensverhältnisse ändert am Fortbestand des gegenwärtigen Vermögensverfalls aber nichts. Die nach wie vor bestehende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ergibt sich schließlich bereits daraus, daß der Antragsteller noch während des Verfahrens auf von ihm treuhänderisch verwahrtes Geld zugegriffen hat, um damit Schulden zu tilgen.

Die Beschwerde des Antragstellers ist daher zurückzuweisen, sein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung danach gegenstandslos.

Ende der Entscheidung

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