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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.02.2001
Aktenzeichen: AnwZ (B) 4/00
Rechtsgebiete: BRAO, KO, ZPO
Vorschriften:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 a.F. | |
KO § 107 Abs. 2 | |
ZPO § 915 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
12. Februar 2001
In dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Terno sowie Rechtsanwalt Prof. Dr. Salditt, Rechtsanwältin Dr. Christian und Rechtsanwalt Dr. Wosgien nach mündlicher Verhandlung am 12. Februar 2001
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 6. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Der im Jahre 1956 geborene Antragsteller ist seit 1985 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Landgericht Berlin zugelassen, seit 1990 auch beim Kammergericht. Durch Verfügung vom 29. April 1998 hat die frühere Antragsgegnerin die Zulassung des Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 8, jetzt Nr. 7 BRAO) widerrufen und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet. Den hiergegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 6. Oktober 1999 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO); es hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1. Die Widerrufsverfügung ist zu Recht ergangen.
a) Bei ihrer gerichtlichen Nachprüfung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgebend. Damals befand sich der Antragsteller in Vermögensverfall. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. (jetzt: Nr. 7) ist ein solcher zu vermuten, wenn der Rechtsanwalt in das vom Konkursgericht (§ 107 Abs. 2 KO) oder vom Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Im übrigen liegt ein Vermögensverfall dann vor, wenn der Rechtsanwalt in schlechte, ungeordnete finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st.Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).
b) Bei Erlaß der angefochtenen Verfügung waren im zentralen Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht Schöneberg gegen den Antragsteller fünf Haftbefehle zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingetragen. Die dadurch begründete Vermutung des Vermögensverfalls hatte der Antragsteller nicht entkräftet.
aa) Er hatte vielmehr zunächst eingeräumt, aus "mehr oder weniger kleinen Forderungen" Schulden in Höhe von 92.791,34 DM und daneben gegenüber "Großgläubigern" Schulden in Höhe von 300.187,99 DM zu haben. Davon ist dann zwar angeblich bis März 1998 ein Teil in Höhe von ca. 250.000 DM getilgt worden. Der Rest, unter anderem die Forderungen, die zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geführt hatten, war aber offen geblieben.
bb) Vergeblich macht der Antragsteller geltend, die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis hätten nicht erfolgen dürfen, weil sie auf unrichtigen Zwangsvollstreckungsprotokollen beruht hätten. Der zuständige Gerichtsvollzieher habe die Fruchtlosigkeit der Zwangsvollstreckung festgestellt, ohne dem Hinweis des Antragstellers auf hohe Außenstände Beachtung zu schenken. Dieses Verhalten des Gerichtsvollziehers war nicht zu beanstanden, weil er nicht in Forderungen des Schuldners vollstrecken darf.
cc) Daß trotz Vorliegens eines Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise nicht gefährdet seien, hatte der Antragsteller nicht dargetan.
2. Wenn der Widerrufsgrund nach Erlaß der Widerrufsverfügung zweifelsfrei weggefallen ist, ist dies im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen eines solchen Wegfalls hat der Antragsteller indes nicht dargetan.
a) Von den fünf Haftbefehlen, die im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung im Schuldnerverzeichnis eingetragen waren, sind es vier immer noch. Daß weitere fünf hinzugekommen sind, spricht - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat - gegen eine zwischenzeitliche Konsolidierung der finanziellen Verhältnisse des Antragstellers.
b) Dieser hat in seinem Schriftsatz vom 9. September 1998 - dessen angebliche Nichtberücksichtigung durch den Anwaltsgerichtshof er vornehmlich beanstandet - eingeräumt, es seien gegen ihn noch Forderungen in Höhe von 46.847,01 DM offen. Tatsächlich muß nach seinen eigenen Angaben davon ausgegangen werden, daß noch weitere Forderungen in Höhe von insgesamt 207.304,88 DM unerledigt sind (D., L., D. Bank, D. T., H., Sch.-Klinik, L.).
Der Antragsteller hat diese Beträge in seiner Zusammenfassung nicht berücksichtigt, weil die entsprechenden Forderungen entweder nicht (mehr) ernsthaft geltend gemacht (D., D. Bank, L.) oder durch eine Bürgschaft abgesichert (L.) oder "nicht nachvollziehbar" (D.), unbedeutend (H.) oder in anderer Weise abgedeckt (Sch.-Klinik) seien. Diese Wertungen sind jedenfalls zum größten Teil nicht stichhaltig. Soweit Gläubiger derzeit keine Zwangsvollstreckung betreiben, kann das seinen Grund darin haben, daß sie wegen der Eintragungen des Antragstellers im Schuldnerverzeichnis resignieren. Das Stillhalten der D. Bank - die mit einer Forderung in Höhe von 180.000 DM der größte Gläubiger des Antragstellers ist - beruht nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers auf der Erwartung, "daß der Antragsteller seiner anwaltlichen Tätigkeit weiterhin erfolgreich nachgehen kann". Damit kann der Antragsteller die Voraussetzung für ein künftiges anwaltliches Tätigwerden, nämlich geordnete finanzielle Verhältnisse, nicht nachweisen. Schließlich ist der Antragsteller, wenn ein Bürge für ihn einspringt, damit nicht etwa seiner Schuld ledig; vielmehr hat er nunmehr den Bürgen als neuen Gläubiger (§ 774 BGB).
c) Die Behauptung des Antragstellers, ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügung vom 29. April 1998 wäre es ihm gelungen, auch die "Restschulden von 46.847,01 DM" zu tilgen, ist spekulativ. Der Antragsteller war nicht gehindert, sein Aktivvermögen zu verwerten, um die - tatsächlich erheblich höheren (siehe oben zu b) - Schulden zu erledigen. Außer der Veräußerung der Ferienwohnung auf der Insel Föhr - die den Antragsteller instandgesetzt hat, einen Teil seiner Gläubiger, aber eben nicht alle, zu befriedigen - hat er aber nichts erreicht.
d) Mit dem Hinweis auf sein Aktivvermögen kann der Antragsteller deshalb nicht belegen, er sei wirtschaftlich wieder gesund. Der wertvollere Teil seines Grundvermögens ist verwertet. Ob die Honoraraußenstände - angeblich über 700.000 DM - und der Anspruch auf die Rückzahlung der Gesellschaftseinlage aus seiner früheren Sozietät werthaltig sind, erscheint mehr als zweifelhaft, nachdem sich der Antragsteller - wie er behauptet hat - seit Jahren erfolglos um die Realisierung dieser Ansprüche bemüht. Das Kanzleiinventar kann nicht mit dem Versicherungswert angesetzt werden. Für gebrauchte Möbel und Geräte dürfte - wenn überhaupt - nur ein bescheidener Erlös erzielt werden können. Es verbleibt danach nur das Guthaben aus dem Bausparvertrag bei der D. Bank. Daran dürfte der Bank indes ein AGB-Pfandrecht zustehen.
e) Vergeblich verweist der Antragsteller schließlich auf seine Aussichten, in eine große überörtliche Sozietät als Mitglied aufgenommen zu werden. Selbst wenn dies ohne Kapitaleinsatz möglich gewesen sein sollte - wozu der Antragsteller nichts mitteilt -, setzte die Verwirklichung dieses Vorhabens nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers "selbstverständlich (einen) positiven Abschluß dieses Verfahrens" voraus. Insofern gilt das gleiche, was auch schon zum Stillhalten der D. Bank bemerkt worden ist: Der Antragsteller kann zum Nachweis der Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nicht Umstände geltend machen, die ihrerseits diese Konsolidierung gerade voraussetzen.
Ende der Entscheidung
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