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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.09.2002
Aktenzeichen: AnwZ (B) 40/01
Rechtsgebiete: BRAO, FAO


Vorschriften:

BRAO § 43 c
FAO § 4
FAO § 5
FAO § 6
FAO § 7
Der zum Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung erforderliche Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Fachgebiet nach §§ 4 bis 6 FAO ist weitgehend formalisiert.

Dem Fachausschuß, der die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer vorbereitet, steht nicht das Recht zu, die fachliche Qualifikation eines Bewerbers, der die den Anforderungen nach §§ 4 bis 6 FAO entsprechenden Unterlagen vorgelegt hat, anhand der bestandenen Lehrgangsklausuren und vorgelegten Arbeitsproben materiell zu überprüfen und dabei aufgetretene Zweifel an der fachlichen Qualifikation zum Anlaß für ein Fachgespräch (§ 7 FAO) zu nehmen.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 40/01

vom

23. September 2002

in dem Verfahren

wegen Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, den Richter Dr. Ganter, die Richterin Dr. Otten und den Richter Dr. Frellesen sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Schott und die Rechtsanwältin Kappelhoff nach mündlicher Verhandlung

am 23. September 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2001 und der Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. April 2000 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin die Befugnis zu erteilen, die Bezeichnung "Fachanwältin für Familienrecht" zu führen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 12.782,30 € (25.000 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 26. März 1993 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragstellerin besuchte in den Jahren 1994 und 1995 bei der Deutschen Anwaltsakademie (DAA) einen "Fachlehrgang Familienrecht", in dem sie drei Klausuren bestand. Am 4. September 1997 beantragte die Antragstellerin die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht. Der bei der Antragsgegnerin gebildete Fachausschuß Familienrecht verlangte Arbeitsproben, welche von der Antragstellerin vorgelegt und vom Ausschuß geprüft wurden. Der Ausschuß teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 8. März 1999 mit, daß er den Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse in den Bereichen Ehegattenunterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich nicht als geführt ansehe, und lud die Antragstellerin zu einem Fachgespräch. Dies lehnte die Antragstellerin ab.

Auf Empfehlung des Ausschusses wies die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 27. April 2000 zurück. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, aufgrund der - im Bescheid näher dargelegten - "Mangelhaftigkeit" der von der Antragstellerin im Rahmen des Fachanwaltslehrgangs erstellten Klausuren und der von ihr vorgelegten Arbeitsproben könne der Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und der besonderen praktischen Erfahrungen nicht als erbracht gelten. Da sich die Antragstellerin geweigert habe, an dem vom Ausschuß anberaumten Fachgespräch teilzunehmen, könne ihr die Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht nicht verliehen werden.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - zugelassene - sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO) und hat auch in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Befugnis, die Fachanwaltsbezeichnung für Familienrecht zu führen, zu Unrecht versagt. Die Antragstellerin hat nachgewiesen, daß sie über die in § 43 c Abs. 1 Satz 1 BRAO in Verbindung mit §§ 1, 2 Abs. 1 FAO geforderten besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen im Familienrecht verfügt, ohne daß es hierfür eines Fachgesprächs nach § 7 Abs. 1 FAO bedurfte.

1. Zutreffend haben die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof das Begehren der Antragstellerin nach den Bestimmungen der Fachanwaltsordnung (FAO) beurteilt, die die von der Bundesrechtsanwaltskammer eingerichtete Satzungsversammlung (§ 191 a Abs. 1 BRAO) aufgrund der ihr in § 59 b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BRAO verliehenen Satzungskompetenz beschlossen hat und die am 11. März 1997 in Kraft getreten ist (Senatsbeschluß vom 21. Juni 1999 - AnwZ (B) 85/98, NJW 1999, 2678 unter II 1 a). Denn die Antragstellerin hat ihren Antrag nach dem Inkrafttreten der Fachanwaltsordnung gestellt. Die Bestimmungen des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (RAFachBezG) vom 27. Februar 1992 (BGBl. I S. 369), die bis zu einer Regelung durch die genannte Berufssatzung weiterhin anzuwenden waren (Art. 21 Abs. 11 des Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994, BGBl. I S. 2278), sind deshalb für den Antrag nicht mehr maßgebend.

2. § 1 FAO läßt - über die in § 43 c Abs. 1 Satz 2 BRAO gesetzlich zugelassenen Fachanwaltsbezeichnungen hinaus - die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht zu. Diese satzungsmäßige Erweiterung der Fachanwaltsbezeichnungen ist aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 59 b Abs. 2 Nr. 2 a BRAO zulässig.

3. Die materiellen Voraussetzungen für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung sind in §§ 2 bis 14 FAO im Rahmen der auch insoweit verliehenen Satzungskompetenz (§ 59 b Abs. 2 Nr. 2 b BRAO) in Anlehnung an die aufgehobenen Bestimmungen des RAFachBezG geregelt worden. §§ 4 bis 6 FAO bestimmen im einzelnen, auf welche Weise besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen in einem Fachgebiet zu erwerben und nachzuweisen sind. Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin erfüllt.

a) Die Antragstellerin hat durch die von ihr vorgelegten Unterlagen den Nachweis des Erwerbs besonderer theoretischer Kenntnisse im Familienrecht erbracht. Sie hat durch die Zeugnisse der Deutschen Anwaltsakademie vom 4. April 1996 - das "Zertifikat Fachlehrgang Familienrecht" und das "Klausurenzertifikat Fachlehrgang Familienrecht" - in Verbindung mit der ergänzenden Bescheinigung der Deutschen Anwaltsakademie vom 13. September 2002 die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang im Sinne des § 4 Abs. 1 FAO belegt und die in § 6 Abs. 2 FAO (in der seit 1. September 1999 geänderten Fassung dieser Vorschrift) dafür im einzelnen umschriebenen Anforderungen an die vorzulegenden Nachweise erfüllt. Insbesondere hat die Antragstellerin auch nachgewiesen, daß sie sich in dem Lehrgang mindestens drei schriftlichen Lei-stungskontrollen erfolgreich unterzogen hat (§ 6 Abs. 2 c FAO). Drei Aufsichtsarbeiten der Antragstellerin wurden trotz vorhandener Mängel, auf die in den Schlußbeurteilungen zweier Klausuren hingewiesen wurde, als bestanden bewertet. Dies wird von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen.

b) Ebenso hat die Antragstellerin die zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen geforderten Falllisten mit den nach § 6 Abs. 3 FAO erforderlichen Angaben vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß die Antragstellerin, wie es § 5 FAO verlangt, innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 120 Fälle im Familienrecht - davon die Hälfte gerichtliche Verfahren - als Rechtsanwältin selbständig bearbeitet hat. Auch dies ist nicht mehr Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung.

4. Zu Unrecht hält die Antragsgegnerin gleichwohl den Nachweis der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen der Antragstellerin im Familienrecht nicht für erbracht. Die Antragsgegnerin stellt allerdings weder die fachliche Qualifikation des Lehrgangsveranstalters und der Dozenten noch die inhaltliche Ausgestaltung des Lehrgangs und der Klausuraufgaben in Frage und macht auch nicht geltend, daß die Klausurbewertungen unsachgemäß und nicht vertretbar seien. Im vorliegenden Fall ist deshalb nicht zu beurteilen, inwieweit die Antragsgegnerin berechtigt wäre, vorgelegte Nachweise unter diesen Gesichtspunkten in Zweifel zu ziehen.

Sie macht statt dessen geltend, eine dem Ausschuß obliegende fachliche Beurteilung sowohl der bestandenen Lehrgangsklausuren als auch der von der Antragstellerin vorgelegten Arbeitsproben habe Zweifel an einer besonderen Qualifikation der Antragstellerin im Familienrecht hervorgerufen und deshalb die Ladung zu einem Fachgespräch (§ 7 Abs. 1 FAO) gerechtfertigt. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Antragstellerin hatte den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Familienrecht bereits durch die vorgelegten schriftlichen Unterlagen erbracht. Für die Anordnung eines Fachgesprächs bestand deshalb keine Veranlassung (Senatsbeschluß vom 19. Juni 2000 - AnwZ (B) 59/99, NJW 2000, 3648 unter II 2 d zu § 7 Abs. 1 FAO; vgl. auch BGHZ 142, 97, 99 zu § 10 RAFachBezG).

a) Die nach § 43 c Abs. 1 und 2 BRAO in Verbindung mit den Bestimmungen der Fachanwaltsordnung von der Rechtsanwaltskammer zu treffende Beurteilung, ob die vom Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen die gesetzlich geforderten besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet nachweisen, ist auch nach Inkrafttreten der Fachanwaltsordnung grundsätzlich einer uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich (Senatsbeschluß vom 19. Juni 2000 - AnwZ (B) 59/99, NJW 2000, 3648 unter II 2 im Anschluß an die frühere Senatsrechtsprechung zum RAFachBezG: BGHZ 142, 97, 99; Beschluß vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 29/96, NJW 1997, 1307 unter II 3 b). Grenzen sind der richterlichen Nachprüfung allerdings insoweit gezogen, als es um prüfungsspezifische Wertungen geht (BGHZ 142, 97, 99; Senatsbeschluß vom 26. Januar 1998 - AnwZ (B) 55/97, BRAK-Mitt. 1998, 153 unter II 5). Dazu gehört die Beurteilung des in einem Inhaltsprotokoll niedergelegten Fachgesprächs (Senatsbeschluß vom 26. Januar 1998, aaO). Auch mag es gerechtfertigt sein, die Entscheidung über die Anordnung eines Fachgesprächs nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen, sofern diese ausnahmsweise - etwa für die Beurteilung außerhalb eines Lehrgangs erworbener theoretischer Kenntnisse (§ 4 Abs. 3 FAO; früher § 8 Abs. 3 RAFachBezG) - eine umfassende Bewertung und Gewichtung der vom Bewerber vorgelegten Nachweise erfordert (BGHZ 142, 97, 99).

Der Rechtsanwaltskammer und dem ihre Entscheidung vorbereitenden Fachausschuß steht damit - auch nach Ablösung des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen durch die Fachanwaltsordnung - in der Regel kein der richterlichen Nachprüfung entzogener, persönlicher Beurteilungsspielraum für die Beantwortung der Frage zu, ob die vom Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen ausreichen, die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zu befürworten, oder ob zuvor ein Fachgespräch anberaumt werden muß. § 43 c BRAO enthält keine Ermächtigung zu einer nicht vollständig kontrollierbaren Abwägung (Senatsbeschluß vom 18. November 1996, aaO unter II 3 b). Die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis (§ 43 c Abs. 2 BRAO) ist vielmehr in vollem Umfang rechtlich gebunden. Darin, daß die Kammer die Befugnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung verleihen kann (§ 43 c Abs. 1 Satz 1 BRAO), liegt nur eine Aussage über die ihr vom Gesetzgeber verliehene Rechtsmacht. Einen eigenen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum hat sie damit - von den oben genannten Ausnahmen abgesehen - nicht erhalten (Senatsbeschluß vom 18. November 1996, aaO unter II 3 b aa). Vielmehr hat jeder Anwalt, der - wie in § 43 c BRAO gefordert - besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat und dies in der dafür in §§ 4 bis 6 FAO vorgesehenen Form nachweist, einen Anspruch darauf, daß ihm die Erlaubnis erteilt wird, die entsprechende Fachanwaltsbezeichnung zu führen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. November 1996, aaO).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Ermächtigungsgrundlage in § 59 b Abs. 2 Nr. 2 b BRAO, auf der die Fachanwaltsordnung beruht. § 59 b Abs. 2 Nr. 2 BRAO ermächtigt nur zur Konkretisierung der in § 43 c BRAO umschriebenen Voraussetzungen für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Fachanwaltsordnung enthält als Satzung - ebenso wie das frühere Gesetz über Fachanwaltsbezeichnungen - nur Ausführungsbestimmungen zu § 43 c BRAO und könnte dem Fachausschuß und der Rechtsanwaltskammer deshalb keine weitergehenden Befugnisse verleihen, als ihnen nach § 43 c BRAO zustehen.

b) Der Argumentation der Antragsgegnerin, der Ausschuß sei zur Sicherung eines qualifizierten beruflichen Standards für die Fachanwaltschaft berechtigt und verpflichtet, die Rechtskenntnisse des Bewerbers anhand der vorgelegten Lehrgangsklausuren und Arbeitsproben persönlich zu beurteilen und dabei erkannte Defizite zum Anlaß für ein Fachgespräch zu nehmen, vermag der Senat nicht zu folgen. Ein so weitgehendes materielles Prüfungsrecht hinsichtlich der fachlichen Qualität der vorgelegten Klausuren und Arbeitsproben, wie es die Antragsgegnerin für den Ausschuß beansprucht, ist weder § 43 c Abs. 2 BRAO noch den Bestimmungen der Fachanwaltsordnung selbst zu entnehmen. Die dem Fachausschuß obliegende Prüfung der theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen anhand der vorzulegenden Nachweise (§ 43 c Abs. 2 BRAO) ist vielmehr weitgehend formalisiert und läßt dem Fachausschuß keinen Raum für eine eigenständige Beurteilung der fachlichen Qualifikation eines Bewerbers, der die in §§ 4 bis 6 FAO geforderten Nachweise erbracht hat. Insbesondere steht es dem Fachausschuß nicht zu, die durch eine erfolgreiche Lehrgangsteilnahme nachgewiesenen besonderen theoretischen Kenntnisse des Bewerbers anhand der bestandenen Lehrgangsklausuren und der vorgelegten Arbeitsproben zu überprüfen und in Zweifel zu ziehen.

aa) § 43 c Abs. 2 BRAO spricht zwar davon, daß ein Ausschuß der Kammer die von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise über den Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen "geprüft" hat, läßt aber den konkreten Inhalt der vorzulegenden Nachweise und damit auch den Gegenstand der Prüfung durch den Ausschuß offen.

bb) Nach §§ 4 bis 6 FAO kann der Rechtsanwalt die gesetzlich geforderten besonderen Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet weiterhin in der Regel bereits durch Vorlage schriftlicher Unterlagen nachweisen, wie es § 43 c Abs. 2 BRAO vorsieht.

Die Voraussetzungen für den Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sind in §§ 4 und 5 FAO in Anlehnung an die früheren Bestimmungen in §§ 8 und 9 RAFachBezG geregelt und insoweit formalisiert, als für den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse eine erfolgreiche Lehrgangsteilnahme (§ 4 Abs. 1 FAO) und für den Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen eine quantitativ bestimmte Anzahl selbständiger Fallbearbeitungen (§ 5 FAO) in der Regel erforderlich, aber auch ausreichend ist (Senatsbeschluß vom 13. März 2000 - AnwZ (B) 25/99, NJW 2000, 1645 zu § 5 FAO). In dieser Formalisierung kommt - nicht anders als früher in den entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes über Fachanwaltsbezeichnungen - zum Ausdruck, daß nicht eine individuell ausgerichtete, dem Ausschuß obliegende Ermittlung des Wissens und der praktischen Fähigkeiten des einzelnen Bewerbers im Vordergrund steht (vgl. Senatsbeschluß vom 18. November 1996, aaO unter II 3 b aa zum RAFachBezG), sondern daß ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung - ohne vorheriges Fachgespräch - besteht, wenn die in §§ 4 und 5 FAO genannten Voraussetzungen durch schriftliche Unterlagen nachgewiesen sind (vgl. BGHZ 142, 97, 102 zu §§ 8, 9 RAFachBezG m.Nachw.; ebenso zu § 4 FAO: Senatsbeschluß vom 19. Juni 2000, aaO unter II 2 d).

Die Fachanwaltsordnung hat insoweit keine Rechtsänderung gegenüber den Vorschriften des RAFachBezG gebracht. Eine ausdrückliche Bestimmung, daß die Antragsgegnerin etwa auch dann, wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und § 5 FAO durch die in § 6 FAO geforderten Unterlagen nachgewiesen sind, noch berechtigt und verpflichtet wäre, die - als bestanden bewerteten - Klausurleistungen auf Mängel hin zu untersuchen und die in der erforderlichen Anzahl nachgewiesenen Fallbearbeitungen anhand von Arbeitsproben auf ihre fachliche Qualität hin zu überprüfen, enthält die Fachanwaltsordnung nicht.

Ein dahingehendes fachliches Prüfungsrecht der Antragsgegnerin ist auch nicht mittelbar daraus abzuleiten, daß der Bewerber nunmehr - anders als nach §§ 8, 9 RAFachBezG - alle Aufsichtsarbeiten und ihre Bewertungen dem Antrag beizufügen (§ 6 Abs. 2 c Satz 4 FAO) und auf Verlangen des Fachausschusses anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen hat (§ 6 Abs. 3 Satz 2 FAO). Diese Bestimmungen dienen - wie die Vorschrift des § 6 FAO insgesamt - nur dem Nachweis der in § 4 Abs. 1 und § 5 FAO für den Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen geregelten Voraussetzungen, ermächtigen den Ausschuß aber nicht dazu, den Erwerb besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen trotz des dafür erbrachten - formalisierten - Nachweises materiell zu überprüfen und in Frage zu stellen.

Der Sinn der Bestimmung des § 6 Abs. 2 c Satz 4 FAO liegt darin, daß der Ausschuß hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten nachprüft, ob die Angaben in dem Zeugnis des Lehrgangsveranstalters über die Gegenstandsbereiche und Bewertungen der Klausuren zutreffend sind und den Anforderungen des § 6 Abs. 2 c Satz 1 FAO in Verbindung mit §§ 8 bis 14 FAO entsprechen. Anhand der nach § 6 Abs. 3 Satz 2 FAO vorzulegenden Arbeitsproben kann etwaigen Zweifeln an den in den Falllisten enthaltenen Angaben des Bewerbers zu den einzelnen Fällen und deren selbständiger Bearbeitung durch ihn nachgegangen werden. Nicht dagegen ist aus diesen beiden Bestimmungen herzuleiten, daß dem Bewerber auch dann, wenn er die Voraussetzungen der §§ 4 bis 6 FAO erfüllt, abweichend von der früheren Rechtslage ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung noch nicht zusteht, sondern dies darüber hinaus davon abhängen soll, ob der Fachausschuß sich anhand der vorgelegten Nachweise auch persönlich von einer besonderen fachlichen Qualifikation des Bewerbers zu überzeugen vermochte.

Ein solches zusätzliches Erfordernis für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung über die Voraussetzungen nach §§ 4 bis 6 FAO hinaus ergibt sich auch nicht aus § 7 Abs. 1 FAO. Wenn dort davon die Rede ist, daß der Ausschuß zum Fachgespräch lädt, wenn er seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand nach dem "Gesamteindruck der vorgelegten Zeugnisse und schriftlichen Unterlagen nicht abgeben" kann, so hat dies nur Bedeutung für die Fälle, in denen die Voraussetzungen nach §§ 4 bis 6 FAO nicht bereits durch die schriftlichen Unterlagen nachgewiesen sind, der Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich erscheint (vgl. Senatsbeschluß vom 18. November 1996, aaO unter II 3 c a.E. zu § 10 RAFachBezG).

Sind die besonderen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen im Fachgebiet dagegen nach Maßgabe der §§ 4 bis 6 FAO - wie hier - bereits durch die schriftlichen Unterlagen nachgewiesen, dann kann (und muß) der Ausschuß seine (befürwortende) Stellungnahme zu dem Antrag gegenüber dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer auch nach der Regelung des § 7 Abs. 1 FAO abgeben, ohne Veranlassung zu haben, ein Fachgespräch anzuordnen (Senatsbeschluß vom 19. Juni 2000, aaO unter II 2 d).

Da es somit an einem rechtfertigenden Grund für die Ladung der Antragstellerin zum Fachgespräch fehlte, hätte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Fachanwaltsbezeichnung für das Familienrecht schon aufgrund der von ihr vorgelegten, für den Nachweis besonderer Kenntnisse und Erfahrungen nach §§ 4 bis 6 FAO ausreichenden schriftlichen Unterlagen verleihen müssen.

Die Antragsgegnerin hat nichts vorgetragen, was aus einem anderen Grund eine weitere Sachaufklärung erforderlich machen könnte. Solche Umstände sind auch für den Senat nicht erkennbar. Daher ist die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Begehren der Antragstellerin zu entsprechen.

Da die Antragstellerin den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse im Familienrecht erst im Beschwerdeverfahren durch die ergänzende Bescheinigung der Deutschen Anwaltsakademie vom 13. September 2002 geführt hat, entspricht es nicht der Billigkeit, eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten anzuordnen (§ 40 Abs. 4 BRAO i.V.m. § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Ende der Entscheidung

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