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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.04.2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 5/04
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 42 Abs. 1 Nr. 3
BRAO § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 5/04

vom 18. April 2005

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Professor Dr. Hirsch, die Richterin Dr. Otten, die Richter Dr. Ernemann und Dr. Frellesen, sowie die Rechtsanwälte Professor Dr. Salditt, Dr. Wosgien und die Rechtsanwältin Kappelhoff nach mündlicher Verhandlung am 18. April 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Senats des Anwaltgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen vom 27. November 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1948 geborene Antragsteller ist seit 1981 als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht und Landgericht B. zugelassen. Von seiner Kanzleipflicht ist er auf seinen Antrag durch Bescheid vom 24. April 2002 befreit worden. Mit Bescheid vom 6. Dezember 2002 hat die Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Nachdem dem Antragsteller nur eine unvollständige Ausfertigung zugegangen war, wurde ihm ein inhaltsgleicher Bescheid, datiert vom 14. Juli 2003, am 16. Juli 2003 zugestellt. Den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof durch Beschluß vom 27. November 2003 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die er mit Schriftsatz vom 28. Februar 2005 begründet hat. II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1. Gerät der Rechtsanwalt in Vermögensverfall, ist seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn .

Diese Voraussetzungen lagen bei Erlaß der Widerrufsverfügung am 6. Dezember 2002 (und auch zum Zeitpunkt der Zustellung im Juli 2003) vor. In der Widerrufsverfügung sind 55 Zwangsvollstreckungsvorgänge aufgeführt, die Verbindlichkeiten des Antragstellers beliefen sich danach auf ca. 89.000 Euro. Soweit der Antragsteller darauf verweist, daß in mehreren Fällen Forderungen doppelt erfaßt worden sind und in einem weiteren dort aufgeführten Fall er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der -GmbH in Anspruch genommen worden ist, verbleiben auch unter Berücksichtigung dieser Beträge (ca. 15.000 Euro) noch in der Vollstreckung befindliche Verbindlichkeiten des Antragstellers von ca. 74.000 Euro.

Schon damit war die Annahme des Vermögensverfalls begründet, auf Eintragungen im Schuldnerverzeichnis, auf die die Widerrufsbegründung auch nicht gestützt worden ist, kam es deshalb nicht an. Allerdings waren in mehreren Fällen gegen den Antragsteller, der seit 2002 in L. beruflich tätig war und mit einer L. er Anschrift auf dem Briefkopf firmierte, vom Amtsgericht L. auch Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung ergangen, die in der Beschwerdeinstanz lediglich wegen örtlicher Unzuständigkeit des Amtsgerichts aufgehoben wurden. Der Beschwerdeführer hatte - teilweise erst in der Beschwerdeinstanz - eingewandt, daß er jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung noch seinen Hauptwohnsitz in B. hatte.

2. Der Widerrufsgrund ist auch nicht nachträglich weggefallen.

Abgesehen davon, daß der Antragsteller einen nachvollziehbaren vollständigen Vermögensstatus nicht vorgelegt hat, läßt sich schon eine vollständige Erledigung der in der Widerrufsverfügung aufgeführten Verbindlichkeiten, die um die doppelt erfassten Beträge reduziert wurden, nicht feststellen:

Zwar sind einige - wenige - Verbindlichkeiten zwischenzeitlich durch Zahlung, Aufhebung usw, erloschen, bei anderen hat der Antragsteller im Jahre 2003 und 2004 Ratenzahlungsvereinbarungen überwiegend schriftlich geschlossen, in einigen Fällen haben sich die Gläubiger offenbar stillschweigend mit Ratenzahlungen einverstanden erklärt (Nr. 6, 13, 15 - 17 , 33, 40, 41, 43, 46, 47, 49, 51, 52, 53). Daß diese Raten gezahlt worden sind, hat der Antragsteller teilweise nachgewiesen, im übrigen in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Noch offen ist auch nach der Aufstellung des Antragstellers aber der Kammerbeitrag 2001 für die Hanseatische Rechtsanwaltskammer, mit der vom Antragsteller erstrebten Aufrechnung hat sich die Antragsgegnerin nicht einverstanden erklärt. Insbesondere können aber auch die Forderungen nicht als erledigt angesehen werden, bei denen - wie ausgeführt - der zunächst erwirkte Haftbefehl wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehoben wurde. In diesen Fällen hat der Antragsteller die Gläubiger regelmäßig Ende Juni 2003 angeschrieben. In den Schreiben hat er unsubstantiierte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht, insoweit die Aufrechnung erklärt und den Gläubigern eine Erklärungsfrist bis Anfang Juli 2003 gesetzt, daß sie auf die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn verzichten. Soweit ersichtlich hat die Mehrzahl der Gläubiger diese Schreiben nicht beantwortet, nach den Angaben des Antragstellers sind in der Folge aber keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr gegen ihn eingeleitet worden. Teilweise ist aber auch ausdrücklich erklärt worden, daß derzeit keine Vollstreckungsmaßnahmen betrieben werden sollen, zu einem späteren Zeitpunkt aber darauf zurückgekommen werden soll (so Schreiben der Stadtsparkasse C. vom 2. Juli 2003).

Während des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof hat die Antragsgegnerin weiter auf ein in dem Verfahren zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers erstattetes Gutachten vom 22. Mai 2003 verwiesen, nach dem die Kosten eines Insolvenzverfahrens durch die freie Masse aus dem Vermögen des Antragstellers nicht gedeckt seien. Die Passiva werden dort mit insgesamt 541.981,41 Euro angegeben, denen Aktiva in Höhe von geschätzt 50.000 Euro gegenüberstehen. Zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist es nicht gekommen, weil die Gläubigerin den Insolvenzantrag zurückgenommen hat, nachdem der Antragsteller den Forderungsbetrag hinterlegt hat. Der Antragsteller hat die Richtigkeit des Gutachtens bestritten, insbesondere sei der Wert des Grundstücks mit 50.000 Euro bei weitem zu niedrig angesetzt worden. Aber auch bei Ansatz eines Wertes von 350.000,-- Euro, wie ihn der Antragsteller für angemessen hält, würden die Passiva die Aktiva noch erheblich übersteigen.

Der Antragsteller ist gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau Miteigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses in B. , das laut Scheidungsvereinbarung an ihn gegen Zahlung von ca. 25.000 Euro und Übernahme der auf dem Grundstück liegenden Belastungen übertragen werden soll. Das Grundstück ist mit Grundschulden, teilweise auch mit Sicherungshypotheken belastet (zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung mit nominell über 600.000 DM). Deren derzeitige Höhe hat der Antragsteller nicht angegeben.

Nach allem ist ein zweifelsfreier Wegfall des Vermögensverfalls, der allein zur Aufhebung des Widerrufs führen könnte, auch unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller seit November 2004 erwirtschafteten Honorare (bis 15.2.2005 brutto 17.138,85 Euro) nicht nachgewiesen.

3. Anhaltspunkte dafür, daß die Interessen des Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall hier ausnahmsweise nicht gefährdet sind, sind nicht gegeben. Die von dem Antragsteller vorgelegten Verträge sind nicht geeignet, die Gefahr eines Zugriffs des Antragstellers auf Fremdgelder weitgehend auszuschließen.

Ende der Entscheidung

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