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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.07.2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 52/08
Rechtsgebiete: BRAO, BeamtStG, BBG, GG


Vorschriften:

BRAO § 1
BRAO § 14 Abs. 2
BRAO § 42 Abs. 1
BRAO § 42 Abs. 4
BeamtStG § 33
BeamtStG § 34
BBG § 61
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12
GG Art. 14
Der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO wegen Ernennung zum (Fach-) Hochschulprofessor unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG, Art. 1 ZP 1 EMRK) noch gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer andere Regelungen getroffen worden sind.
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,

die Richter Dr. Ernemann und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Lohmann,

die Rechtsanwälte Dr. Martini, Prof. Dr. Quaas und Dr. Braeuer

nach mündlicher Verhandlung

am 6. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 4. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1996 als Rechtsanwalt zugelassen. Am 12. März 2002 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Professor für lnformationsrecht an der (Fach-) Hochschule D. ernannt, was er weder der Rechtsanwaltskammer K. , in deren Bezirk er seinerzeit zugelassen war, noch der Antragsgegnerin, in deren Bezirk er seit dem 14. August 2006 zugelassen ist, anzeigte. Im Hinblick auf die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14. Februar 2007 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO. Der Antragsteller meint, bei der Ernennung zum Professor verstoße ein Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gegen die Berufs- und die Eigentumsfreiheit sowie den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1, 12 und 14 Abs. 1 GG sowie gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 14 EMRK und den Eigentumsschutz nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (ZP 1 EMRK). Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

II.

Die nach § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO unabhängig von einer Zulassung durch den Anwaltsgerichtshof statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Der Widerruf der Zulassung ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

1.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt zum Beamten auf Lebenszeit ernannt wird und nicht auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Antragsteller vor. Er ist am 12. März 2002 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt worden. Auf die Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hat der Antragsteller nicht verzichtet.

2.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwingt § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO auch dann zu einem Widerruf, wenn dem Rechtsanwalt bei der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit das Amt eines Hochschullehrers übertragen wird. Der Gesetzgeber stellt in § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit auf den Status als Beamter oder Richter auf Lebenszeit oder als Berufssoldat ab und nicht auf das dem Rechtsanwalt dabei übertragene Amt und seine inhaltliche Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit dem Beruf des Rechtsanwalts (Senat, BGHZ 92, 1, 4 f. ; Beschl. v. 13. Februar 1995, AnwZ (B) 77/94, NJW-RR 1995, 888; Beschl. v. 19. Juni 1995, AnwZ (B) 82/94, BRAK-Mitt. 1995, 214; Beschl. v. 18. Oktober 1999, AnwZ (B) 99/98, NJW-RR 2000, 438; vgl. auch Senat , Beschl. v. 26. Januar 1998, AnwZ (B) 62/97, NJW-RR 1998, 1440 f.).

3.

Gegen die dem Widerruf zugrunde liegende Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO als solche und gegen ihre Anwendung auf Rechtsanwälte, die zum Universitäts- oder Fachhochschulprofessor oder (Fach-) Hochschulassistenten ernannt werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben (BGHZ 71, 23, 27 f. ; 92, 1, 5 ; Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 86/90, BRAK-Mitt 1991, 165; Beschl. v. 13. Februar 1995, AnwZ (B) 77/94, NJW-RR 1995, 888; Beschl. v. 19. Juni 1995, AnwZ (B) 82/94, BRAK-Mitt. 1995, 214; Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 10/00, BGH-Report 2001, 748, 750; Beschl. v. 22. April 2002, AnwZ (B) 31/01, MittdtschPatAnw 2002, 382). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt (JZ 1984, 1042; Beschl. v. 14. September 2001, 1 BvR 1462/01 zu Senat , Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 10/00, NJW 2007, 2317; vgl. auch BVerfG NJW 1988, 2535, 2536) . Sie steht auch mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht (Senat , Beschl. v. 18. Oktober 1999, AnwZ (B) 99/98, NJW-RR 2000, 438, 439; Beschl. v. 22. April 2002, AnwZ (B) 31/01, aaO) und Art. 14 EMRK und Art. 1 ZP 1 EMRK in Einklang (EGMR NJW 2007, 3049, 3050 f. - Rechtssache Lederer).

4.

Die von dem Antragsteller vorgebrachten grund- und konventionsrechtlichen Bedenken geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

a)

In der Literatur wird gegen die Rechtsprechung des Senats teilweise eingewendet, dass die Aufgabe eines Hochschullehrers inhaltlich mit dem Beruf des Rechtsanwalts vereinbar sei (Kleine-Cosack, BRAO, 5. Aufl., § 7 Rdn. 95 f.; Bender, NJW 1986, 409, 410 f.; Michalski/Römermann, MDR 1996, 433, 434; Gruber, MDR 1997, 18; Haller, DÖD 1998, 59, 65 f.; Nachbaur, Festschrift Gülzow [1999] S. 93, 99; a. M. Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14 Rdn. 52; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 7 Rdn. 126). Hochschullehrern, so wird geltend gemacht, komme die in Art. 5 Abs. 3 GG grundrechtlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu. Sie könnten deshalb nicht mit den für andere Beamten geltenden Maßstäben gemessen werden. Sie übten ihren Beruf in persönlicher und sachlicher Unabhängigkeit aus, seien weisungsfrei und an Dienstzeiten nicht gebunden (Kleine-Cosack aaO). Dieser Einwand verfehlt das eigentliche Anliegen des Widerrufsgrunds nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO. Das zeigt sich schon darin, dass eine vergleichbare Rechtsstellung nicht nur Hochschullehrern, sondern auch anderen Beamtengruppen, wie etwa den Mitgliedern der Rechnungshöfe oder den Beamten der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung nach § 12 Abs. 2 und 3 SUG, und insbesondere den Richtern zukommt.

b)

Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist bei der Berufung in ein Beamten- oder Richterverhältnis auf Lebenszeit oder in ein Dienstverhältnis als Berufsoldat nicht wegen der inhaltlichen Ausrichtung der konkreten Aufgabe zu widerrufen, die dem Rechtsanwalt in seinem Dienstverhältnis übertragen ist. Ihren Grund hat die Regelung vielmehr in der Unvereinbarkeit der Rechtsstellung eines Beamten oder Richters auf Lebenszeit oder eines Berufssoldaten mit der Stellung als Rechtsanwalt. Das Berufsbild des Rechtsanwalts ist nach § 1 BRAO entsprechend dem Leitbild der freien Advokatur durch die äußere und innere Unabhängigkeit des Rechtsanwalts vom Staat geprägt (BVerfG NJW 2007, 2317, 2318). Demgegenüber stehen Beamte und Richter auf Lebenszeit und Berufssoldaten in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat, das ihnen besondere Pflichten auferlegt. Diese enge Bindung kommt insbesondere in der Verpflichtung zu vollem persönlichen Einsatz (§§ 34 BeamtStG, 61 BBG) für den Staat, den Dienstherrn und seine öffentlichen Aufgaben (§§ 33 BeamtStG, 61 BBG) und im Nebentätigkeitsrecht zum Ausdruck. Die Übernahme und der Umfang anderer Tätigkeiten sind grundsätzlich von der Genehmigung des Dienstherrn abhängig. Eine derartige Bindung an den Dienstherrn steht nicht in Einklang mit der Stellung eines Rechtsanwalts, was der Senat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat (BGHZ 71, 23, 24 f. und 92, 1, 2 f.; Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 86/90, BRAK-Mitt. 1991, 165; Beschl. v. 13. September 1993, AnwZ (B) 22/93, [...]; Beschl. v. 19. Juni 1995, AnwZ (B) 82/94, BRAK-Mitt. 1995, 214; Beschl. v. 18. Juni 2001, AnwZ (B) 10/00, BGH-Report 2001, 748, 749 f.). Ist allein entscheidend die Rechtsstellung als Lebenszeitbeamter als solche, so unterscheidet sich ein verbeamteter Hochschullehrer nicht von anderen Beamten (AGH München BRAK-Mitt. 2001, 239). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, dass die Hochschule selbst Wissenschaftsfreiheit genießt (Art. 5 Abs. 3 GG). Sie ist, anders als z.B. die Kirchen (BVerfG NJW 2007, 2317, 2318), Teil der mittelbaren Staatsverwaltung.

c)

Anders als der Antragsteller meint, steht dem Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO nicht entgegen, dass er nach dem Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft keine Erfahrung in der anwaltlichen Praxis mehr sammeln könnte. Ob es darauf ankommt, kann offen bleiben. Jedenfalls könnte der Antragsteller im Rahmen seiner Hochschullehrertätigkeit eine für seine Forschung und Lehre inhaltlich gleichwertige praktische Erfahrung durch die Nutzung der Vertretungsmöglichkeiten nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz sammeln (AGH München BRAK-Mitt. 2001, 239). Er hat ferner die Möglichkeit, seine Stellung als Beamter auf Lebenszeit aufzugeben und seine Hochschullehrertätigkeit als Lehrbeauftragter oder Honorarprofessor oder im Angestelltenverhältnis fortzusetzen (zu diesem Gesichtspunkt: BGH, Beschl. v. 22. April 2002, AnwZ (B) 31/01, MittdtschPatAnw 2002, 382; AGH München BRAK-Mitt. 2001, 239), was § 70 Abs. 3 und 4 hess. HochschulG ausdrücklich erlaubt. Ein solches Lehrverhältnis verlangt von dem Hochschullehrer zwar auch die getreuliche Erfüllung seiner Lehr- und Forschungsverpflichtung. Es bindet ihn aber nicht so eng an den Staat, wie dies bei den Lebenszeitbeamten der Fall ist (dazu BVerfG NJW 2007, 2317, 2318; AGH München BRAK-Mitt. 2001, 239) und wird von § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO nicht erfasst (Feuerich/ Weyland, aaO, § 14 Rdn. 51; Henssler/Prütting, aaO, § 14 Rdn. 23). Es wäre allein an § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO zu messen und in diesem Rahmen, von hier nicht gegebenen Sonderfällen abgesehen, nicht zu beanstanden (BVerfGE 87, 287, 324 f.; NJW 1995, 951, 952) , wenn die Lehr- und Forschungstätigkeit in tatsächlicher Hinsicht den nötigen Freiraum für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs bietet.

d)

Der Widerruf der Zulassung führt auch nicht deswegen zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte des Antragstellers oder seine Rechte nach der Europäischen Menschenrechtskonvention, weil das österreichische Recht (§ 20 Nr. 1 RAO) eine Lehrtätigkeit auch im Beamtenverhältnis nach dem österreichischen Beamten-Dienstrechtsgesetz für mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbar erklärt. Das deutsche Recht verschließt einem Rechtsanwalt die Wahl eines Zweitberufs als Hochschullehrer nicht. Es lässt dies zur Sicherung der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege nur nicht im Beamten-, Richter- oder Berufssoldatenverhältnis zu, das den Rechtsanwalt zu besonderer Treue gegenüber dem Staat verpflichtet und damit seine Unabhängigkeit gefährden würde. Diese Entscheidung aber ist von dem Ermessensspielraum der Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention gedeckt (EGMR NJW 2007, 3049, 3050 f. - Rechtssache Lederer).

e)

Weder grundrechtlich (Senat , Beschl. v. 22. April 2002, AnwZ (B) 31/01, MittdtschPatAnw 2002, 382; ebenso AGH München BRAK-Mitt. 2001, 239) noch konventionsrechtlich (EGMR NJW 2007, 3049, 3050 f. - Rechtssache Lederer) zu beanstanden ist schließlich die unterschiedliche Behandlung gegenüber Steuerberatern (§ 46 Abs. 2 StBerG) und Wirtschaftsprüfern (§ 20 WiPrO), bei denen die Ernennung zum Professor unter Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht zu einem Widerruf der Zulassung oder zu einer Tätigkeitsbeschränkung führt (§ 57 StBerG, § 43a Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2 WiPrO). Dieser Unterschied findet seinen sachlichen Grund darin, dass nur Rechtsanwälte umfassend zur Rechtsberatung befugt sind und diese im Interesse der Rechtsuchenden als staatsfreie unabhängige Organe der Rechtspflege zu erbringen haben (EGMR NJW 2007, 3049, 3050 f. - Rechtssache Lederer).

Ende der Entscheidung

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