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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 54/08
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat

durch

den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter,

die Richter Dr. Frellesen und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Roggenbuck sowie

die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer, Prof. Dr. Quaas und Dr. Martini

nach mündlicher Verhandlung

am 20. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 13. März 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist am 4. Juli 2000 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen worden. Die Antragsgegnerin widerrief mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 die Zulassung gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Am 19. April 2007 widerrief sie die Zulassung erneut gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO wegen Fehlens der Berufshaftpflichtversicherung und ordnete die sofortige Vollziehung an.

Der Anwaltsgerichtshof hat die hiergegen gerichteten Anträge auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde. Mit Wirkung zum 1. August 2008 schloss der Antragsteller eine Berufshaftpflichtversicherung ab. Die Antragsgegnerin hat daraufhin den Widerrufsbescheid vom 19. April 2007 aufgehoben.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht wegen Vermögensverfalls widerrufen worden.

1.

Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers entscheiden. Der Antragsteller war ordnungsgemäß geladen. Sein Ausbleiben hat er nicht hinreichend entschuldigt. Der Senat hatte ihn konkret darüber belehrt, dass nur ein aussagekräftiges Attest, das Angaben über Art und Schwere der Erkrankung enthält und dem Gericht eine eigene Beurteilung ermöglicht, sein erstmaliges Fernbleiben entschuldigen kann. Die vorgelegten ärztlichen Atteste genügten diesen Anforderungen nicht.

2.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass der angegriffenen Verfügung erfüllt.

a)

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind die Erwirkung von Schuldtiteln und fruchtlose Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Der Vermögensverfall wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.

Zum Zeitpunkt des Widerrufs war der Antragsteller mit vier Haftbefehlen und einer eidesstattlichen Versicherung vom 23. Oktober 2006 im Zentralen Schuldnerverzeichnis B. beim Amtsgericht S. eingetragen, so dass der Vermutungstatbestand gegeben war. Den mehrfachen Aufforderungen der Antragsgegnerin, zu seinen Vermögensverhältnissen detailliert Stellung zu nehmen, war der Antragsteller nicht nachgekommen.

b)

Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern.

2.

Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor. Der Antragsteller ist nach wie vor im Zentralen Schuldnerverzeichnis B. beim Amtsgericht S. eingetragen. Zwar hat er die Forderung der G.

Versicherung (Nr. 3 der Forderungsliste der Antragsgegnerin) beglichen. Auch hat der Antragsteller mit den Gläubigern Rechtsanwaltskammer B. (Nr. 1 der Forderungsliste) und Steuerberater W. H. (Nr. 4 der Forderungsliste) Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen; die von der Rechtsanwaltskammer B. erwirkten Haftbefehle vom 30. November 2005 und vom 19. April 2006 sind gelöscht worden. Keinerlei Angaben hat der Antragsteller jedoch dazu gemacht, wie er die Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in B. (Nr. 3 der Forderungsliste), die sich per 30. November 2007 auf 30.901,74 EUR belief, zu tilgen gedenkt. Das Versorgungswerk hat die Forderung lediglich befristet bis zum 31. Oktober 2009 niedergeschlagen, sich aber vorbehalten, den Anspruch nach Ablauf dieser Frist wieder geltend zu machen und die satzungsgemäßen Säumniszuschläge und Verzugszinsen zu erheben.

Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller bisher nicht dargetan. Eine vollständige Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten und laufenden Einkünfte hat er trotz eines entsprechenden Hinweises durch den Senat nicht vorgelegt. Dies geht zu seinen Lasten. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren keine Angaben zu seinen Einkünften gemacht. Nach seinen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 23. Oktober 2006 lebte er von ALG II, Außenstände aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt bestanden lediglich in Höhe von 800 EUR und Vermögensgegenstände waren nicht vorhanden. Für seine äußerst beengte finanzielle Situation spricht bereits, dass der Antragsteller die Beiträge für die Berufshaftpflichtversicherung bei der G. Versicherung für die Jahre 2001 bis 2003 nicht aufbringen konnte, so dass die Versicherung den Vertrag zum 10. Dezember 2003 kündigte. Für die erst wieder zum 1. März 2006 bei der V. Versicherung abgeschlossene Berufshaftpflichtversicherung konnte der Antragsteller schon die erste Prämie nicht leisten, so dass diese Versicherung auch am 1. März 2006 wieder endete. Ausweislich der eidesstattlichen Versicherung hat der Antragsteller seine Lebensversicherung an das Finanzamt St. abgetreten. Dies spricht dafür, dass er nicht alle bestehenden Verbindlichkeiten im Widerrufsverfahren offenbart hat. Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse kann danach nicht angenommen werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

Ende der Entscheidung

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