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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 59/02
Rechtsgebiete: BORA, BRAO, ZPO, FGG


Vorschriften:

BORA § 8
BRAO § 59a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3
BRAO § 223 Abs. 1
BRAO § 43b
BRAO § 201 Abs. 1
ZPO § 91a
FGG § 13a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 59/02

vom 14. Juli 2003

In dem Verfahren

wegen Briefkopfgestaltung, unzulässiger Rechtsausübung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Schlick sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Kieserling und die Rechtsanwältin Kappelhoff nach mündlicher Verhandlung am 14. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde der Antragsteller hat sich die Hauptsache dadurch erledigt, daß die Antragsgegnerin die angefochtenen Bescheide vom 22. Februar 2002 durch Verfügungen vom 2. April 2003 zurückgenommen hat.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und den Antragstellern die ihnen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1 ist eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die Antragsteller zu 2 und 3, beide Rechtsanwälte, sind die Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1.

Die als A. und T. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH firmierende Antragstellerin zu 1 verwendet einen Briefkopf, auf dem unter der am rechten oberen Rand des Briefkopfes befindlichen Kurzbezeichnung A. u. T. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH die Angabe "Rechtsanwälte" nebst (ursprünglich) vier bzw. (nunmehr) sechs Namen enthalten ist; an erster Stelle werden die Namen der Antragsteller zu 2 und 3 genannt. Unter den Namen der Rechtsanwälte befindet sich in gleicher Type und Schriftgröße unter der Angabe "Dipl.-Verwaltungswirtin" der Name G. E. . Diese ist Angestellte der GmbH; sie hat in dieser Eigenschaft nach Weisung und Abstimmung mit den für die Gesellschaft tätigen Rechtsanwälten Verwaltungsverfahren vorzubereiten und durchzuführen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, daß die bei der Antragstellerin zu 1 beschäftigte Diplom-Verwaltungswirtin nicht befugt sei, für die Rechtsanwaltsgesellschaft in deren Namen und Auftrag rechtsberatend tätig zu werden. Sie ist darüber hinaus der Meinung, daß die Briefkopfgestaltung der Anwalts-GmbH gegen § 8 BORA verstoße.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 22. Februar 2002 hat die Antragsgegnerin den Antragstellern untersagt, Geschäftspapiere der A. und T. Rechtsanwaltsgesellschaft zu verwenden, auf denen auf Angestellte und/oder freie Mitarbeiter hingewiesen wird, die nicht zur Ausübung eines in § 59a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BRAO genannten Berufes berechtigt sind, insbesondere solche, auf denen die Diplom-Verwaltungswirtin G. E. aufgeführt ist. Weiterhin hat die Antragsgegnerin den Antragstellern untersagt, durch G. E. für die A. und T. Rechtsanwaltsgesellschaft Rechtsberatung vorzunehmen.

Gegen diese Bescheide haben die Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Der Anwaltsgerichtshof (NJW-RR 2002, 1454) hat die Bescheide insoweit aufgehoben, als den Antragstellern untersagt worden ist, durch die Diplom-Verwaltungswirtin E. Rechtsberatung vorzunehmen. Im übrigen hat er die Anträge zurückgewiesen. Dagegen haben die Antragsteller und die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Verfügungen vom 2. April 2003 hat die Antragsgegnerin die angefochtenen Bescheide "zur Klarstellung" insoweit zurückgenommen, als darin den Antragstellern "ausdrücklich untersagt" worden ist, die Diplom-Verwaltungswirtin im Briefkopf aufzuführen und durch sie Rechtsberatung vornehmen zu lassen.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 7. April 2003 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß sich die Zulassung der sofortigen Beschwerde durch den Anwaltsgerichtshof wohl nur auf die Frage der Briefkopfgestaltung bezieht und sich darüber hinaus durch die Rücknahmeverfügungen vom 2. April 2003 die Hauptsache erledigt haben dürfte.

Daraufhin hat die Antragsgegnerin die von ihr eingelegte sofortige Beschwerde zurückgenommen. Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde der Antragsteller haben diese, entsprechend dem richterlichen Hinweis, die Hauptsache für erledigt erklärt. Dem hat die Antragsgegnerin widersprochen.

II.

Hinsichtlich des form- und fristgemäß eingelegten und auch im übrigen zulässigen Rechtsmittels der Antragsteller (§ 223 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO) ist durch die Rücknahme der angefochtenen Bescheide Erledigung der Hauptsache eingetreten. Dies war im Tenor der Entscheidung, wie von den Antragstellern beantragt, auszusprechen.

1. Ausgehend vom Wortlaut sind die angefochtenen Verfügungen vom 22. Februar 2002 aus Sicht eines verständigen Empfängers als Gebotsverfügungen und nicht lediglich als sogenannte mißbilligende Belehrungen aufzufassen. So haben sie auch die Antragsteller verstanden und unter anderem hieraus die Rechtswidrigkeit der Bescheide hergeleitet. Dies hat im Grunde die Antragsgegnerin selbst eingeräumt. Denn sie hat sich im Beschwerdeverfahren zunächst zu der Klarstellung veranlaßt gesehen, aus den streitgegenständlichen Bescheiden keine Vollstreckungsbefugnisse herleiten zu wollen. Nunmehr hat sie mit Bescheiden vom 2. April 2003 unter Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des Senats, wonach die Bundesrechtsanwaltsordnung dem Vorstand einer Rechtsanwaltskammer keine Rechtsgrundlage dafür gibt, anwaltlichen Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit Ge- und Verbotsverfügungen zu begegnen (Senatsbeschlüsse vom 25. November 2002 - AnwZ (B) 8/02 - NJW 2003, 504 und AnwZ (B) 41/02 - BRAK-Mitt. 2003, 82; zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen), diese Verfügungen, soweit sie eine "ausdrückliche Untersagung" enthalten, zurückgenommen.

Dadurch hat die Antragsgegnerin die angefochtenen Verfügungen vollständig zurückgenommen, so daß sich die Hauptsache erledigt hat.

Die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, sie könne die Bescheide, soweit sie eine Regelung treffen, teilweise zurücknehmen und sie im übrigen, soweit sie "Beratungen und Belehrungen" enthalten, aufrechterhalten, geht fehl. Ein Verwaltungsakt kann nach allgemeinen Grundsätzen nur dann teilweise zurückgenommen werden, wenn der abzutrennende Teil als selbständiger Verwaltungsakt bestehenbleiben kann (Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 43 Rn. 181; vgl. auch BVerwG, DÖV 1974, 380, 381). Das ist vorliegend zu verneinen, da der nach der Vorstellung der Antragsgegnerin bestehenbleibende Teil keinerlei Regelungsgehalt mehr hat (vgl. § 35 VwVfG), also nicht mehr als Verwaltungsakt angesehen werden kann.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats, wonach auch mißbilligende Belehrungen hoheitliche Maßnahmen sein können, die nach § 223 Abs. 1 BRAO anfechtbar sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. November 1996 - AnwZ (B) 20/96 - NJW-RR 1997, 759 und vom 17. Dezember 2001 - AnwZ (B) 12/01 - NJW 2002, 608), nichts anderes. Diese Rechtsprechung, die den Begriff der nach § 223 Abs. 1 BRAO anfechtbaren hoheitlichen Maßnahme weiter definiert als den Begriff des Verwaltungsakts im Sinne des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, dient vor allem dazu, die Rechtsschutzmöglichkeiten des betroffenen Rechtsanwalts zu verbessern. Die Intention dieser Rechtsprechung würde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn es unter Zuhilfenahme dieses weiten Maßnahmebegriffs einer Rechtsanwaltskammer ermöglicht würde, einen angefochtenen rechtswidrigen Verwaltungsakt im Wege der Teil-Rücknahme "zu retten", um so das Rechtsmittel des Rechtsanwalts zu Fall zu bringen.

Vergeblich macht die Antragsgegnerin demgegenüber geltend, nur auf dem Wege der von ihr vorgenommenen "Teil-Rücknahme" sei es ihr möglich, eine zeitnahe höchstrichterliche Klärung der im Ausgangsverfahren bereits eingehend thematisierten Frage der Briefkopfgestaltung zu erreichen.

In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, daß es ausnahmsweise statthaft sein kann, vom Anfechtungsantrag zum Feststellungsbegehren überzugehen, wenn sich - wie hier - die auf Beseitigung eines Bescheids gerichtete Hauptsache während des gerichtlichen Verfahrens erledigt hat. Voraussetzung hierfür ist, daß der Antragsteller sonst in seinen Rechten beeinträchtigt wäre und die begehrte Feststellung zugleich geeignet ist, eine Rechtsfrage allgemein zu klären, die sich der Justizverwaltung und dem Antragsteller bei künftigen Gelegenheiten ebenso stellen wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse BGHZ 137, 200, 201 ff; vom 13. Januar 2003 - AnwZ (B) 59/01 und AnwZ (B) 19/02 -; jeweils m.w.N.).

Diese Rechtsprechung stellt ausschließlich auf das Interesse und das Rechtsschutzbedürfnis des antragstellenden Rechtsanwalts ab. Sie ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar. Die Rechtsanwaltskammer kann die von ihr für wünschenswert erachtete gerichtliche Klärung auf andere Weise herbeiführen. Die bis dahin bestehende Ungewißheit über die Vereinbarkeit des anwaltlichen Verhaltens mit dem geltenden Berufsrecht kann allenfalls für den Rechtsanwalt, nicht aber für die Justizverwaltung oder die an deren Stelle zuständige Rechtsanwaltskammer als unzumutbar angesehen werden.

Da die Antragsteller ihrerseits nicht, und zwar auch nicht hilfsweise, Feststellung begehren, daß die von ihnen verwendete Briefkopfgestaltung berufsrechtlich nicht zu beanstanden ist, ist eine Sachentscheidung des Senats nicht veranlaßt. Es kann daher dahinstehen, ob die vorliegende Briefkopfgestaltung unbeschadet der Frage der Anwendbarkeit der §§ 8 ff BORA jedenfalls gegen § 43b BRAO verstößt, weil der irreführende Eindruck erweckt wird, die Diplom-Verwaltungswirtin E. sei Gesellschafterin der Antragstellerin zu 1 oder mit dieser in gemeinschaftlicher Berufsausübung verbunden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Antragsgegnerin ihre sofortige Beschwerde zurückgenommen hat, auf § 201 Abs. 1 BRAO, im übrigen auf § 91a ZPO, § 13a FGG entsprechend. Das Rechtsmittel der Antragsteller hätte, wenn die Antragsgegnerin die angefochtenen Bescheide nicht zurückgenommen hätte, Erfolg gehabt, da, wie bereits ausgeführt, die Bundesrechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Rechtsgrundlage dafür gibt, Pflichtverletzungen eines Rechtsanwalts durch den Erlaß von Ge- oder Verbotsverfügungen zu begegnen.



Ende der Entscheidung

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