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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.07.2007
Aktenzeichen: AnwZ (B) 59/06 (1)
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 42 Abs. 1 Nr. 3
BRAO § 42 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 59/06

vom 2. Juli 2007

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Frellesen und Schaal sowie die Rechtsanwälte Dr. Frey, Dr. Wosgien und Prof. Dr. Quaas nach mündlicher Verhandlung am 2. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des ersten Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 3. Mai 2006 und die Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin vom 2. September 2005 aufgehoben.

Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm in beiden Rechtszügen entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wurde 1990 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht S. und 1995 auch bei dem Oberlandesgericht S. zugelassen. Mit Bescheid vom 2. September 2005 widerrief die Antragsgegnerin diese Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts.

II.

Das nach § 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die angegriffene Widerrufsverfügung der Antragsgegnerin hat keinen Bestand.

1. Gerät der Rechtsanwalt in Vermögensverfall, ist seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht (§ 26 Abs. 2 InsO) oder vom Vollstreckungsgericht (§ 915 ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist. Im Übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; Senatsbeschluss vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083 unter II 1 m.Nachw.). Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor.

Die Antragsgegnerin hat die Annahme des Vermögensverfalls allein darauf gestützt, dass der Antragsteller einen Betrag von 30.000 €, den er aus einem gerichtlichen Vergleich in dem Verfahren 9 O /04 Landgericht S. vom 15. April 2005 schuldete, nach Mitteilung des gegnerischen Anwalts noch nicht gezahlt hatte. Die Gerichtsvollzieherin hatte die Zwangsvollstreckung wegen dieser Forderung in die Kanzlei als Gemeinschaftseinrichtung mehrerer Rechtsanwälte abgelehnt und die Antragsgegnerin um die Angabe der Privatanschrift des Antragstellers gebeten. Die Antragsgegnerin hatte daraufhin am 29. Juli 2005 dem Antragsteller ein Anhörungsschreiben unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO übersandt, das der Antragsteller nach seinen Angaben nach Urlaubsrückkehr am 19. August 2005 erhalten hat. Er veranlasste daraufhin noch vor Zustellung der Widerrufsverfügung die vollständige Zahlung dieser Forderung. Nach der Aufstellung des gegnerischen Anwalts ist sie am 7. September 2005 erfolgt.

Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof weiter darauf hingewiesen, dass in der Beschwerdesache B.L. /05 gegen den Antragsteller mit Beschlüssen vom 29. Juni und vom 29. September 2005 Zwangsgelder von 500 € bzw. von 1000 €, und in der Beschwerdesache B.L. /05 mit Beschluss vom 29. September 2005 ein weiteres Zwangsgeld von 500 € festgesetzt worden waren und er in einem weiteren Beschwerdeverfahren das Zwangsgeld von 1.500 € erst im Vollstreckungsverfahren gezahlt habe. Schließlich ist noch vorgetragen worden, dass in vergangenen Jahren, zuletzt 2002, Kammerbeiträge des Antragstellers zwangsweise beigetrieben werden mussten.

Damit ist nicht ausreichend belegt, dass der Antragsteller sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall befunden hat. Die Begleichung von in der Widerrufsverfügung aufgeführten Forderungen führt zwar nicht ohne weiteres zum Wegfall eines zunächst bestehenden Vermögensverfalls. Die im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Widerrufsverfügung erfolgte Zahlung der aufgeführten Forderung indizierte hier aber nicht, dass der Antragsteller sich in ungeordneten Vermögensverhältnissen befand, die er in absehbarer Zeit nicht in der Lage war zu ordnen. Zwar hat der Antragsteller verspätet gezahlt. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen waren - mit Ausnahme der von der Antragsgegnerin aufgeführten Zwangsgeldbeitreibung über 1.500 € in einer Beschwerdesache - aber nicht ersichtlich. Die Zwangsvollstreckung wegen der Forderung von 30.000 € war auch nicht fruchtlos verlaufen, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist, sondern noch gar nicht erfolgt. Die sonstigen Zwangsgelder waren zum Teil erst später festgesetzt worden, ihre Vollstreckung ließ sich zudem durch Erfüllung der dem Antragsteller obliegenden Pflichten abwenden. Da die gesetzliche Vermutung für einen Vermögensverfall, die an eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis anknüpft, nicht greift, kommt auch die mit dieser Vermutung verknüpfte Beweislastumkehr nicht zum Tragen. Die Widerrufsverfügung und der angefochtene Beschluss des Anwaltsgerichtshofs können deshalb auch nicht mit der Begründung bestehen bleiben, dass der Antragsteller es versäumt habe, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Vielmehr muss ein Vermögensverfall nachgewiesen sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Dass der Antragsteller durch einen weiteren erst im Februar 2006, also nach der Widerrufsverfügung abgeschlossenen Vergleich mit der A. Versicherung AG zu weiteren Zahlungen verpflichtet war, ist unerheblich, da der Vermögensverfall zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung vorgelegen haben muss. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Antragsteller diese - späteren - Forderungen zwischenzeitlich getilgt hat.

Ende der Entscheidung

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