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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: AnwZ (B) 65/03
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 65/03

vom 17. Mai 2004

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Deppert, den Richter Dr. Ganter, die Richterin Dr. Otten, den Richter Dr. Ernemann sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Salditt, Dr. Schott und Dr. Wosgien nach mündlicher Verhandlung am 17. Mai 2004 beschlossen.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 23. Mai 2002 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9. September 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1980 als Rechtsanwalt in B. zugelassen. Er war darüber hinaus seit 1990 zum Notar bestellt.

Mit Verfügung vom 27. Juni 2001 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Zuvor war bereits wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers seine vorläufige Amtsenthebung als Notar angeordnet worden. Diese Verfügung ist bestandskräftig geworden (BGH, Beschluß vom 8. Juli 2002 - NotZ 2/02).

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Widerruf der Zulassung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft ist mit Recht widerrufen worden.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlaß der angegriffenen Verfügung der Antragsgegnerin erfüllt.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der Widerrufsverfügung und dem angefochtenen Beschluß zu Recht festgestellt worden.

Der Antragsteller räumt im gerichtlichen Verfahren ein, daß die in der Widerrufsverfügung aufgeführten Forderungen in Höhe von rund 165.000 DM damals bestanden und es wegen dieser Forderungen zu verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen gekommen war. Dem Vorbringen des Antragstellers, seine Aktiva hätten die Verbindlichkeiten bei weitem überstiegen, ist der Anwaltsgerichtshof zu Recht nicht gefolgt. Dagegen bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nichts vor. Er beruft sich hier nur noch auf eine nachträgliche Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse.

b) Anhaltspunkte dafür, daß der Vermögensverfall des Antragstellers die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdete, lagen bei Erlaß der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern. Ob sich diese Gefahr im Einzelfall realisiert hat, bedarf im Rahmen des Widerrufsgrundes nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO keiner Beurteilung, weil die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dieser Vorschrift bereits durch den Vermögensverfall indiziert wird. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts zu ersehen.

2. Ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrundes durch Konsolidierung der Vermögensverhältnisse, auf den sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren beruft, wäre zwar im laufenden Verfahren noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356; BGHZ 84, 149), liegt aber hier nach den zutreffenden Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs nicht vor. Sowohl im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof als auch im Beschwerdeverfahren hat es der Antragsteller - trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise - an der hierfür grundsätzlich unerläßlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse fehlen lassen, namentlich an der Vorlage einer vollständigen - durch Nachweise zu belegenden - Übersicht über die zur Zeit bestehenden Verbindlichkeiten, über erfolgte und für die Zukunft vereinbarte Tilgungen und über laufende Einkünfte (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluß vom 17. Dezember 2001 - AnwZ (B) 9/01).

Der von der Antragsgegnerin vorgelegten Aufstellung der Präsidentin des Kammergerichts vom 28. Februar 2002 über zu diesem Zeitpunkt bestehende Verbindlichkeiten und ergangene Vollstreckungsmaßnahmen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Aus dem Umstand, daß bis dahin und auch später noch sogar die Vollstreckung wegen geringfügiger Forderungen fruchtlos verlief, hat der Anwaltsgerichtshof zu Recht geschlossen, die laufenden Honorareinnahmen hätten es dem Antragsteller nicht ermöglicht, wenigstens laufende Verbindlichkeiten oder geringfügige Altschulden zu tilgen.

Der Antragsteller macht geltend, entgegen der Annahme des Anwaltsgerichtshofs habe er die teilweise Tilgung der Steuerrückstände nicht mit den ausgezahlten Rückkaufswerten der Lebensversicherungen, sondern mit einem ausgezahlten Erbauseinandersetzungsguthaben bewirkt. Darauf kommt es nicht an. Entscheidend ist die Gesamthöhe der nach der teilweisen Tilgung verbleibenden Verbindlichkeiten. An dieser ändert es nichts, falls das Vorbringen des Antragstellers zutrifft. Gegebenenfalls stünden zwar die Rückkaufswerte zur Deckung der restlichen Steuerschuld zur Verfügung; umgekehrt wäre dann aber die titulierte Forderung der Inge Sch. , die der Anwaltsgerichtshof als mit den Mitteln des Erbauseinandersetzungsguthaben getilgt angesehen hat, noch offen.

Nach der teilweisen Tilgung der Steuerschuld des Antragstellers vollstreckte das Finanzamt K. noch wegen einer Steuerschuld von mehr als 50.000 €. Daß er mit dem Finanzamt eine Vereinbarung zur Abwendung der Vollstreckung und Tilgung der Forderung getroffen habe, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Sein Vorbringen, die Steuerschuld mindere sich durch Verlustvorträge wegen im Jahr 1999 nachgezahlter Kanzleimiete, ist - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat -unerheblich.

Zu Recht hat der Anwaltsgerichtshof die behaupteten Honorarforderungen des Antragstellers in Höhe von 76.387,58 € als nicht hinreichend werthaltig angesehen. Dem Antragsteller ist es bislang nicht einmal gelungen, diese Ansprüche in dem bescheidenen Umfang zu realisieren, der es ihm ermöglicht hätte, die gegen ihn laufenden Vollstreckungsmaßnahmen wegen geringerer Forderungen abzuwenden. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei den Ansprüchen um liquide Vermögenswerte handelt, die einem Vermögensverfall des Antragstellers entgegenstünden.

Das behauptete Sparguthaben des Antragstellers bei der D. Bank hat der Anwaltsgerichtshof nicht berücksichtigt, weil der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen derzeit nicht darüber verfügen kann. Da er bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof nichts unternommen hat, sich diese Verfügungsmöglichkeit zu verschaffen, hat der Anwaltsgerichtshof angenommen, daß der Antragsteller den Einsatz dieser Mittel entweder nicht beabsichtigte oder nicht dazu imstande sei. Dagegen hat der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz nichts vorgebracht.

Gegen eine nachträgliche Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers spricht endlich, daß er aufgrund eines am 26. August 2003 ergangenen Haftbefehls zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung (AG T. , 32 M /03) in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden ist.

Aus alledem ergibt sich, daß auch die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden fortbesteht.



Ende der Entscheidung

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