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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.03.2002
Aktenzeichen: AnwZ (B) 69/00
Rechtsgebiete: BRAO
Vorschriften:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
4. März 2002
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Schlick sowie die Rechtsanwälte Dr. Wüllrich, Dr. Frey und die Rechtsanwältin Dr. Hauger nach mündlicher Verhandlung am 4. März 2002
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle vom 24. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51.129,19 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der 1940 geborene und seit 1972 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Antragsteller ist seit August 1975 bei dem Amtsgericht P. und dem Landgericht O. als Rechtsanwalt zugelassen. Im April 1975 wurde er zum Notar bestellt. Durch Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts O. vom 15. Oktober 1998 wurde der Antragsteller vorläufig und mit Verfügung vom 16. Februar 1999 endgültig seines Amts als Notar enthoben, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdeten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO). Der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung wurde durch rechtskräftig gewordenen Beschluß des Oberlandesgerichts C. - Senat für Notarsachen - vom 31. Mai 1999 zurückgewiesen.
Mit Verfügung vom 11. März 1999 hat der damals noch zuständige Präsident des Oberlandesgerichts O. die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 8, jetzt: Nr. 7 BRAO) widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Widerrufsverfügung ist zu Recht ergangen.
a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Senatsrspr., vgl. Beschluß vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94 - BRAK-Mitt. 1995, 126).
b) Bereits vor Erlaß der Verfügung war es zu zahlreichen und häufig erfolglosen - in der Widerrufsverfügung und in der Beschlußbegründung des Anwaltsgerichtshofs im einzelnen aufgeführten - Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen, und zwar vor allem in den Jahren 1997 und 1998. So hatte allein die B. Ersatzkasse in diesen beiden Jahren mehr als zehn Vollstreckungsaufträge wegen aufgelaufener Beitragsrückstände erteilt. Darüber hinaus hatte der Antragsteller im fraglichen Zeitraum nach eigenen Angaben Bankverbindlichkeiten von ca. 578.000 DM.
c) Davon, daß trotz Vorliegens eines Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung ausnahmsweise nicht gefährdet gewesen seien, kann keine Rede sein. Der Antragsteller war bereits am 5. Mai 1998 wegen Untreue in drei Fällen vom Amtsgericht P. zu einer Gesamtgeldstrafe von 85 Tagessätzen zu je 50 DM verurteilt worden, weil er die aus der Einziehung von Mandantenforderungen vereinnahmten Geldbeträge nicht unverzüglich ausgekehrt hatte.
2. Wenn der Widerrufsgrund nach Erlaß der Widerrufsverfügung zweifelsfrei weggefallen ist, ist das im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch zu berücksichtigen. Von einem solchen zweifelsfreien Wegfall ist der Anwaltsgerichtshof jedoch zu Recht nicht ausgegangen.
Zwar sind dem Antragsteller aus einem Grundstücksverkauf und aus der Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags im Dezember 1999 und Anfang 2000 erhebliche Mittel zugeflossen, die er zur Schuldentilgung verwenden konnte. Auch hat es der Anwaltsgerichtshof in einer Gesamtschau für durchaus möglich gehalten, daß das dem Antragsteller noch verbliebene Aktiv-, insbesondere Grundvermögen die bestehenden Verbindlichkeiten übersteigt. Gleichwohl hat der Anwaltsgerichtshof eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse in einem solchen Maße, daß dem Antragsteller eine geordnete Rückführung aller gegen ihn gerichteten Verbindlichkeiten zweifelsfrei möglich sein werde, zu Recht verneint.
Auch nach Rückführung und Umschuldung der Darlehensverbindlichkeiten infolge des Grundstücksverkaufs hat der Antragsteller nach eigenen Angaben mehr als 2.300 DM monatlich an Zins- und Tilgungsraten zu erbringen. Dem stehen erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen aus der Anwalts- und Notartätigkeit gegenüber (Jahresabschlüsse 1997 und 1998: Nettoumsätze von ca. 181.000 und 150.000 DM, Jahresüberschüsse von ca. 7.700 und 9.800 DM), wobei wegen des Wegfalls des Notariats trotz sinkender Kosten mit weiteren Gewinnrückgängen zu rechnen war und ist. Hinzu kommt, daß - wie der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - trotz entsprechender gerichtlicher Auflagen der Antragsteller in mehr als 15 Fällen nicht bzw. nicht ausreichend die Erfüllung der gegen ihn geltend gemachten Forderungen dargetan oder nachgewiesen hat; lediglich die unter Nummer 12 des angefochtenen Beschlusses erwähnte Geldstrafe dürfte mittlerweile beglichen sein.
3. Es ist weiter nicht ersichtlich, daß der Widerrufsgrund im Laufe des Beschwerdeverfahrens zweifelsfrei entfallen ist. Trotz gerichtlichen Hinweises hat es der Antragsteller an der hierfür grundsätzlich unerläßlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse (vgl. Feuerich/ Braun, BRAO 5. Aufl. § 14 Rn. 59) fehlen lassen, namentlich an der Vorlage einer vollständigen Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten, über - zu belegende - erfolgte und für die Zukunft vereinbarte Tilgungen und über laufende Einkünfte.
a) In seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2001 hat der Antragsteller dargetan und mit Kontoauszügen belegt, daß er bezüglich der gegenüber der Sparkasse E. und der Volksbank P. bestehenden Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt mehr als 300.000 DM im Jahre 2000 die vereinbarten Raten ordnungsgemäß erbracht hat. Auf alle sonstigen, in der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs dargestellten Forderungen geht der Antragsteller nicht näher ein.
b) Gegen den Antragsteller sind während des Beschwerdeverfahrens weitere Verfahren in Gang gesetzt bzw. abgeschlossen worden:
aa) Auf Antrag des J.-Stifts P. hat das Amtsgericht P. am 29. Dezember 2000 gegen den Antragsteller einen Vollstreckungsbescheid über 2.147,88 DM zuzüglich Zinsen erlassen. Der Antragsteller hat hierzu angegeben, daß nach seiner Rechtsauffassung diese Forderung nicht begründet sei, er sich aber gegen sie letztlich im Interesse seiner Mutter nicht mehr gewehrt habe. Daß der Antragsteller diese - titulierte - Forderung mittlerweile erfüllt hat, ist nicht ersichtlich.
bb) Durch Urteil des Landgerichts O. vom 9. Februar 2001 ist der Antragsteller dazu verurteilt worden, die Mitglieder einer Erbengemeinschaft von Pflichtteilsansprüchen in Höhe von über 49.000 DM freizustellen. Die hiergegen eingelegte Berufung des Antragstellers hatte nur teilweise Erfolg; das Oberlandesgericht hat durch - rechtskräftiges - Urteil vom 21. August 2001 den Freistellungsanspruch der Klage auf 45.284,29 DM herabgesetzt.
cc) Auf Antrag der Rechtsanwälte Dr. C. und Dr. K. hat das Amtsgericht O. am 9. Februar 2001 gegen den Antragsteller einen Vollstreckungsbescheid über 3.192,26 DM nebst Zinsen erlassen. Der Antragsteller macht geltend, es sei insoweit eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, die Raten würden vereinbarungsgemäß bezahlt. Nachweise oder Belege hierfür hat der Antragsteller nicht vorgelegt.
dd) Auf Antrag der H. Th. W. GmbH & Co. hat das Amtsgericht O. am 16. Februar 2001 gegen den Antragsteller einen Vollstreckungsbescheid über einen Gesamtbetrag von 2.295,30 DM nebst Zinsen erlassen. Auch insoweit behauptet der Antragsteller, ohne einen Nachweis zu führen, es sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden.
ee) Durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts P. vom 11. Mai 2001 ist der Antragsteller verurteilt worden, an das J.-Stift P. weitere 1.866,10 DM nebst Zinsen zu zahlen.
c) Auch die Vorgänge nach Abschluß des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof belegen hinreichend, daß der Antragsteller nach wie vor nicht in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Da sich aus der vom Antragsteller vorgelegten Übersicht der Ertragssituation der Anwaltskanzlei ergibt, daß in dem Zeitraum Mai 2000 bis April 2001 Ausgaben in Höhe von 89.557,62 DM Einnahmen in Höhe von lediglich 88.102,85 DM gegenüberstehen, steht nicht zu erwarten, daß sich hieran zukünftig etwas ändern wird.
d) Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2002 hat der Antragsteller mitgeteilt, daß er am 15. Januar 2002 einen Grundstücksverkauf vorgenommen habe und der Kaufpreis in Höhe von 75.000 € am 13. Februar bei ihm eingegangen sei.
Dessen ungeachtet belaufen sich, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, seine Bankverbindlichkeiten immer noch auf ca. 200.000 DM.
Angesichts der schlechten Ertragssituation der Kanzlei und der Höhe der noch offenen Darlehensverbindlichkeiten steht zu erwarten, daß dem Antragsteller auch künftig eine geordnete Rückführung aller gegen ihn gerichteten Verbindlichkeiten nicht möglich sein wird.
Ende der Entscheidung
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