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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.02.2001
Aktenzeichen: AnwZ (B) 7/00
Rechtsgebiete: KO, ZPO, BRAO


Vorschriften:

KO § 107 Abs. 2
ZPO § 915
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8 a.F.
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 114 Abs. 1 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 7/00

vom

12. Februar 2001

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch, die Richter Basdorf, Dr. Ganter und Terno sowie Rechtsanwalt Prof. Dr. Salditt, Rechtsanwältin Dr. Christian und Rechtsanwalt Dr. Wosgien nach mündlicher Verhandlung am 12. Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofes Berlin vom 11. November 1999 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahrenen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der im Jahre 1949 geborene Antragsteller ist seit 1980 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und Landgericht Berlin zugelassen, seit 1985 auch beim Kammergericht. Seit 1990 ist der Antragsteller außerdem Notar. Mit Verfügung vom 13. April 1999 hat die frühere Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F., jetzt: Nr. 7) widerrufen. Durch gesonderte Verfügung vom selben Tage wurde der Antragsteller auch seines Amtes als Notar vorläufig enthoben. Gegen den Widerruf der Zulassung hat der Rechtsanwalt gerichtliche Entscheidung beantragt. Diesen Antrag hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluß vom 11. November 1999 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO); es hat indessen keinen Erfolg.

1. Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Widerrufsverfügung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgebend. Damals lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf vor.

a) Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. (jetzt: Nr. 7) ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird nach dieser Vorschrift vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Konkursgericht oder Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 107 Abs. 2 KO, § 915 ZPO) eingetragen ist. Im übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Rechtsanwalt in schlechte, ungeordnete finanzielle Verhältnisse geraten ist, diese in absehbarer Zeit nicht ordnen kann und außerstande ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. Senatsbeschl. v. 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126).

b) Im Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung befand sich der Antragsteller in Vermögensverfall. Angesichts der Vielzahl der gegen den Antragsteller betriebenen, in dem angefochtenen Beschluß unter I 2 aufgelisteten Vollstreckungsverfahren und der Höhe der diesen Verfahren zugrundeliegenden Forderungen lagen dafür hinreichende Beweisanzeichen vor. Der Antragsteller wendet sich in seiner Beschwerdebegründung zudem selbst nicht gegen die Annahme eines Vermögensverfalls.

c) Er macht lediglich geltend, der Anwaltsgerichtshof habe vorschnell aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls auf eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden geschlossen. Dem ist jedoch nicht so.

Ein Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Rechtsuchenden (Feuerich/Braun, BRAO 5. Aufl. § 14 Rdnr. 60). Die Möglichkeit neuer Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt, über die seine Gläubiger auf für die Mandanten bestimmte Gelder zugreifen können, reicht grundsätzlich dafür aus. Nur wenn ein solcher Zugriff nach den Umständen fernliegt, scheidet ausnahmsweise eine Gefährdung aus.

Ein solcher Umstand ist - entgegen der Ansicht des Antragstellers - nicht darin zu sehen, daß er angeblich seit Anfang 1996 in seinem Briefkopf keine Bankverbindung mehr angibt. Dadurch ist nicht ausgeschlossen, daß Fremdgelder in die Hände des Antragstellers gelangen. Er kann seine Bankverbindung auch mündlich mitteilen oder Fremdgelder in bar vereinnahmen. Selbst wenn er in den letzten Jahren keine Fremdgelder mehr angenommen haben sollte, wäre eine derartige, dem Berufsbild des Rechtsanwalts fremde "Selbstbeschränkung" nach außen nicht erkennbar und ihre Einhaltung nicht kontrollierbar (BGH, Beschl. v. 14. Februar 2000 - AnwZ (B) 13/99; Feuerich/Braun, § 14 BRAO Rdnr. 62, 65).

Auch die von dem Antragsteller angesprochene Möglichkeit, ein Anderkonto einzurichten, bietet keine Gewähr, daß Mandantengelder vor dem Zugriff der Gläubiger bewahrt werden und damit eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen wird. Denn weil es immer wieder vorkommt, daß Zahlungen per Scheck oder in bar erfolgen, hängt es zum einen vom Willen des Rechtsanwalts ab, ob er die erhaltenen Beträge bestimmungsgemäß verwendet oder nicht (BGH, Beschl. v. 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102), und zum anderen vom Zufall, ob Gläubiger - z.B. im Wege einer Taschenpfändung - auf diese Beträge zugreifen.

2. Wenn der Widerrufsgrund nach Erlaß der Widerrufsverfügung zweifelsfrei weggefallen ist, ist dies im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150).

Von einem derartigen Wegfall des Widerrufsgrundes ist der Anwaltsgerichtshof aber mit Recht nicht ausgegangen. Der Antragsteller ist sogar kurz nach Erlaß der Widerrufsverfügung wegen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden. Daran hat sich bis heute offenbar nichts geändert. Der Antragsteller hat auch keine Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten und laufenden Einkünfte vorgelegt, obwohl er darauf hingewiesen worden ist, daß ohne eine solche von einer Konsolidierung seiner finanziellen Verhältnisse nicht ausgegangen werden könne.

Der Antragsteller hat geltend gemacht, er habe seine Schulden nicht vollständig tilgen können, weil er wegen der vorläufigen Amtsenthebung als Notar Einnahmenausfälle gehabt habe. Dieser Vortrag ist unerheblich. Ist ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall und sind die Interessen der Rechtsuchenden dadurch gefährdet, ist die Zulassung auch dann zu widerrufen, wenn die dadurch bewirkte Einschränkung der beruflichen Erwerbsaussichten eine wirtschaftliche Sanierung erschwert.

3. Die vom Antragsteller geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Widerrufsvorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. (Nr. 7 n.F.) teilt der Senat nicht. Der im Widerruf der Zulassung liegende Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) ist zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes gerechtfertigt, soweit die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vorliegen. Im übrigen ist die Ansicht, ein unverschuldeter Vermögensverfall und die damit einhergehende abstrakte Gefährdung von Mandanteninteressen würden härter sanktioniert als die Veruntreuung von Mandantengeldern, unzutreffend. Die Verurteilung eines Rechtsanwalts wegen Untreue hat regelmäßig die Ausschließung aus der Anwaltschaft gemäß § 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO zur Folge (BGH, Beschl. v. 30. Juni 1986 - AnwSt (R) 6/86, BRAK-Mitt. 1986, 232).

Ende der Entscheidung

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