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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: AnwZ (B) 78/05
Rechtsgebiete: BRAO


Vorschriften:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

AnwZ (B) 78/05

vom 15. September 2008

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Präsidenten Prof. Dr. Tolksdorf, die Richter Dr. Ernemann, Dr. Schmidt-Räntsch und Schaal sowie die Rechtsanwältinnen Dr. Hauger und Kappelhoff und den Rechtsanwalt Dr. Wüllrich am 15. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1996 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14. Juli 2004 hat die Antragsgegnerin seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den gegen den Zulassungswiderruf gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Zulassung des Antragstellers ist mit Recht widerrufen worden. 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Diese Voraussetzungen waren bei Erlass des angegriffenen Bescheides erfüllt. a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (BGH, Beschl. v. 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002 - AnwZ (B) 28/01, NJW 2003, 577). Dies wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen ist. b) Die Voraussetzungen für die Vermutung lagen zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung vor. Denn der Antragsteller war mit neun Haftbefehlen zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis eingetragen. Am 24. Juni 2004 hatte er die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

(1) Entgegen der Auffassung des Antragstellers kommt es für den Eintritt der an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis anknüpfenden Vermutung nicht darauf an, ob die den Haftbefehlen zugrunde liegenden, titulierten Forderungen berechtigt waren. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO knüpft an die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis die Vermutung des Vermögensverfalls, weil diese regelmäßig zum Verlust der Kreditwürdigkeit führt. Dies rechtfertigt die Annahme, dass ein Schuldner, soweit er dazu imstande ist, seine Gläubiger befriedigen wird, um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und erst recht den Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung ihrer Abgabe zu vermeiden. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner glaubt, seine Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt (BGH, Beschl. v. 26. März 2007 - AnwZ (B) 45/06). (2) Diese Vermutung hat der Antragsteller nicht widerlegt. Zwar standen ihm, wie sich aus den vorgelegten Unterlagen ergibt, bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids gegen den Gläubiger H. W. mehrere titulierte Forderungen in Höhe von insgesamt über 795.000 € zu. Dabei handelte es sich jedoch nicht um liquides Vermögen, mit dem er die Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern kurzfristig hätte tilgen können (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 26/03).

Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die von dem Antragsteller vorgelegte Kontenübersicht der D. Bank vom 26. November 2004, aus der sich ein Guthaben von ca. 160.000 € ergibt, zum Nachweis liquiden Vermögens nicht genügt. Aus der Übersicht ist nicht ersichtlich, ob es sich hierbei um Fremdgeld oder Vermögen des Antragstellers handelt. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsanwalt unverschuldet in Vermögensverfall geraten ist. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient allein dem Schutz des rechtsuchenden Publikums. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist daher nach dieser Bestimmung auch dann zu entziehen, wenn der Rechtsanwalt ohne Verschulden in die ihn belastende Vermögenslage geraten ist (BGH, Beschl. v. 21. Juni 1999 - AnwZ (B) 88/98, BRAK-Mitt. 1999, 270, 271; BGH, Beschl. v. 12. März 2001 - AnwZ (B) 27/00). c) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, waren bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht gegeben. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. 2. Ein nachträglicher zweifelsfreier Wegfall des Widerrufsgrundes, der im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356; 84, 149), liegt nicht vor. a) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller nicht dargetan. Sowohl im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof als auch im Beschwerdeverfahren hat er es - trotz entsprechender gerichtlicher Hinweise - an der hierfür grundsätzlich unerlässlichen umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse fehlen lassen, namentlich an der Vorlage einer vollständigen - durch Nachweise belegten - Übersicht über die zur Zeit bestehenden Verbindlichkeiten, über erfolgte und für die Zukunft vereinbarte Tilgung und über laufende Einkünfte (st. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 26/03). Zwar wurden die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegenden Forderungen, mit denen der Widerruf begründet wurde, alsbald getilgt. Der Antragsteller hat jedoch nicht nachgewiesen, dass die im Widerrufsbescheid genannte Forderung der A. GmbH (letzter bekannter Stand: 2.204,84 €) sowie ein Restbetrag in Höhe von 423,79 € aus der Forderung der Gläubiger K. (Position 15 der Forderungsliste) beglichen wurden. Er hat ferner mit Schriftsatz vom 30. Juni 2008 eingeräumt, aus einem notariellen Schuldanerkenntnis dem Gläubiger He. noch einen Restbetrag von 8.000 € zu schulden und mit Schriftsatz vom 24. Juli 2008 seine Rückstände beim Versorgungswerk für Rechtsanwälte mit 2.000 € beziffert. Für den Fortbestand des Vermögensverfalls spricht zudem, dass der Antragsteller am 7. August 2007 erneut die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Hierbei hat der Antragsteller in dem vorgelegten Vermögensverzeichnis erklärt, über keinerlei Einkommen zu verfügen, zur Zeit "von der Hand in den Mund zu leben" und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen durch Unterstützungsleistungen seiner Mutter zu bestreiten. Soweit der Antragsteller sich Honorarforderungen in "annähernd sechsstelliger" Höhe und sonstiger Außenstände in Millionenhöhe berühmt, vermag dies an der Bewertung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers in diesem Verfahren nichts zu ändern. Der Antragsteller behauptet selbst nicht, dass es sich um kurzfristig liquides Vermögen handelt. Dagegen spricht schon, dass ihm in den vier Jahren seit dem Widerruf seiner Zulassung im Jahre 2004 eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse nicht gelungen ist. Im Übrigen vermag der Senat weder die Werthaltigkeit noch die Berechtigung dieser Forderungen zu beurteilen. Da die Berücksichtigung des nachträglichen Wegfalls des Vermögensverfalls im Beschwerdeverfahren nur dazu dienen soll, eine Verdoppelung des Verfahrens bei ansonsten zweifelsfrei gegebenen Voraussetzungen für eine sofortige neue Zulassung zu vermeiden, kommt eine entsprechende Aufklärung im Beschwerdeverfahren auch nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2002 - AnwZ (B) 3/01 und 4. Dezember 2006 - AnwZ (B) 94/05 ).

b) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind. Ein Ausnahmefall im Sinne der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511) liegt ersichtlich nicht vor.

III.

Der Senat konnte ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.

Ende der Entscheidung

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