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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.10.1998
Aktenzeichen: BLw 42/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

BLw 42/98

vom

23. Oktober 1998

in der Landwirtschaftssache

betreffend die Zahlung einer Abfindung

Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 23. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt und Dr. Wenzel sowie die ehrenamtlichen Richter Gose und Komp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Beschluß des Senats für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. August 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Antrag in Höhe von 120.000 DM abgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 125.000 DM.

Gründe

I.

Der Antragsteller war Mitglied der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 24. März 1990 erklärte er, seine "Tätigkeit" in der LPG per 1. Juli 1990 zu "kündigen" und eine Ersatzfläche für die von ihm eingebrachten Acker- und Grünlandflächen zu beanspruchen. Die LPG sah darin eine Austrittserklärung, deren Eingang sie mit Schreiben vom 17. April 1990 bestätigte. Weiter heißt es darin:

"Es gibt zur Stunde noch sehr viele Unklarheiten. Im Prinzip müssen wir ja mit Ihrem Austritt und dem Austritt Ihres Sohnes A. einverstanden sein. Um alle notwendigen Einzelheiten, u.a. auch über den zweckmäßigsten Termin Ihres Austrittes und die gerechte Auswahl des notwendigen Flächenaustausches zu besprechen, schlage ich Ihnen Montag, den 23.4.90, ... vor."

In diesem Termin verlangte der Antragsteller die Rückführung seiner eingebrachten Nutzfläche "als Ersatzfläche" zum 1. Mai 1990 und forderte die Rückzahlung des eingebrachten Inventarbeitrages einschließlich des Anteils aus dem unteilbaren Fonds der früheren LPG Typ I. In dem Besprechungsprotokoll heißt es u.a.:

1. Eine finanzielle Regelung kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen, da entsprechende gesetzliche Regelungen fehlen.

2. Es wurde eine Einigung darüber erzielt, daß zwei leitende Mitarbeiter der LPG ... gemeinsam mit Herrn S. (sc. Antragsteller) den Flächentausch begutachten und festlegen. Termin: 1.7.90.

Wesentliche Grundlage für die Auseinandersetzung ist der Registerauszug, den die LPG sowie Herr S. gesondert anfordern werden. ...

5. ...

Seine Frage zur Rückgabe der Tiere kann konkret nicht beantwortet werden, da seitens des Gesetzgebers rechtliche Dinge dazu nicht vorliegen."

Der Antragsteller erhielt Zahlungen bis 1. Juli 1990 in Höhe von insgesamt 62.215 Mark/DDR und bis zum 30. Oktober 1992 in Höhe von 59.887,14 DM. Außerdem wurden ihm Sachleistungen im Wert von 18.674,50 DM gewährt.

Die LPG beschloß am 1. November 1991 ihre Umwandlung in die Antragsgegnerin, die sich seit 10. Februar 1994 in Liquidation befindet.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm Auskunft über seinen Abfindungsanspruch durch Vorlage eines Vermögensverzeichnisses zu erteilen und ihm mindestens 80.000 DM nach dem Ermessen des Gerichts zu zahlen. Das Landwirtschaftsgericht hat, nachdem die Parteien das Auskunftsverlangen übereinstimmend für erledigt erklärt haben, dem Antragsteller 80.000 DM zugesprochen. Das Oberlandesgericht hat den Antrag und den mit einer Anschlußbeschwerde verfolgten Antrag, dem Antragsteller einen in das Ermessen des Gerichts gestellten weiteren Betrag von mindestens 40.000 DM zu zahlen, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist überwiegend begründet.

1. Zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings den Zahlungsantrag insoweit abgewiesen, als er nicht beziffert, sondern in das Ermessen des Gerichts gestellt ist. Ein solcher Antrag ist unzulässig, weil er das Gericht und den Antragsgegner über den Umfang der begehrten Leistung im Ungewissen läßt, so daß dessen sachgerechte Verteidigung nicht gewährleistet ist. Dieser für den Zivilprozeß entwickelte Grundsatz (vgl. BGH, Urt. v. 26. Januar 1983, IVb ZR 355/81, NJW 1983, 1056; MünchKomm-ZPO/Lüke, § 253 Rdn. 94) gilt in gleicher Weise für das streitige Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Senatsbeschl. v. 4. November 1994, BLw 43/94, WM 1995, 537). Deswegen ist ein unbezifferter Antrag nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller die Ermittlung der Höhe seines Anspruchs unmöglich oder unzumutbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 1967, III ZR 8/66, NJW 1967, 1420, 1421). Dies ist hier nicht der Fall. Zutreffend hat das Beschwerdegericht den gestellten Zahlungsantrag jedoch nur insoweit als unzulässig angesehen, als er den geltend gemachten Mindestbetrag übersteigt, und ihn im übrigen vor dem Hintergrund des erkennbar gewordenen Rechtsschutzziels als bezifferten Zahlungsantrag ausgelegt.

2. Die Abweisung dieses Antrags hat allerdings keinen Bestand. Zu Unrecht nimmt das Beschwerdegericht an, der Antragsteller habe seine Mitgliedschaft vor der Umwandlung der Rechtsvorgängerin in die Antragsgegnerin nicht beendet, so daß ihm als verbliebenes Mitglied ein Abfindungsanspruch nicht zustehe. Zutreffend ist allerdings, daß die LPG-Mitgliedschaft bis zum Inkrafttreten des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nach Ziff. 16 Abs. 1 Nr. b und c der Musterstatuten nur durch Aufhebung des Mitgliedschaftsverhältnisses im Einvernehmen mit dem Vorstand oder durch Austritt, Ausschluß oder Tod, nicht dagegen durch Kündigung enden konnte. Fehlerhaft ist jedoch die Auslegung des Schreibens der LPG vom 17. April 1990, daß diese eine Aufhebung der Mitgliedschaft abgelehnt und dem Antragsteller nur die Möglichkeit eines Austritts gelassen habe. Diese Interpretation verstößt gegen den anerkannten Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. u.a. BGHZ 109, 19, 22; 131, 136, 138; BGH, Urt. v. 28. Oktober 1997, XI ZR 260/96, NJW 1998, 449) und ist deswegen für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend. Die Tatsache, daß der Antragsteller für die LPG erkennbar seine Mitgliedschaft beenden wollte und genossenschaftliche Belange dem in der Umbruchsituation nicht mehr entgegenstanden, der Vorstand also mit einer einvernehmlichen Aufhebung des Mitgliedschaftsverhältnisses einverstanden sein mußte, läßt nur eine Auslegung als interessengerecht erscheinen, die in dem Schreiben das grundsätzliche Einverständnis mit einer Aufhebung der Mitgliedschaft sieht. Hierzu ist es auch in der Besprechung am 24. April 1990 gekommen, als die Beteiligten Einigung darüber erzielten, daß ein Flächentausch vorgenommen werden sollte. Wenn dieser dann nicht mehr durchgeführt wurde, so berührt das nicht die Wirksamkeit der konkludent vereinbarten Aufhebung, sondern nur deren Vollzug. Daß die Beteiligten die Mitgliedschaft des Antragstellers übereinstimmend beenden wollten, beweisen auch die danach erfolgten Zahlungen und Sachleistungen. Sie sind, wie das Landwirtschaftsgericht unangefochten festgestellt hat, zur Abgeltung des Eigenkapitalanteils erbracht worden, die nur bei Beendigung der Mitgliedschaft in Betracht kam. Für die Überlegung des Beschwerdegerichts, daß es sich um freiwillige Leistungen an ein verbliebenes Mitglied gehandelt haben könnte, gibt der Sachvortrag nichts her. Das Beschwerdegericht läßt im übrigen außer acht, daß der Antragsteller auch nicht in die Liste der Genossen aufgenommen wurde und keinen Geschäftsanteil an der Antragsgegnerin zugewiesen bekam. Dies läßt zusätzlich Rückschlüsse auf den tatsächlichen Aufhebungswillen (vgl. BGH, Urt. v. 28. Juni 1971, III ZR 103/68, WM 1971, 1513) und das entsprechende Verständnis der an der Besprechung vom 17. April 1990 Beteiligten zu.

4. Ist nach alledem von einer einvernehmlichen Aufhebung der Mitgliedschaft des Antragstellers noch vor der Umwandlung der LPG in die Antragsgegnerin auszugehen, hat die angefochtene Entscheidung keinen Bestand. Die Sache ist vielmehr zur weiteren Aufklärung zurückzuverweisen, ob dem Antragsteller unter Berücksichtigung der erfolgten Leistungen noch ein Abfindungsanspruch zusteht.



Ende der Entscheidung

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