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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.11.1999
Aktenzeichen: I ZB 13/97
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG § 9 Abs. 1 Nr. 2

Zur Frage der Verwechslungsgefahr von für rezeptpflichtige Arzneimittel eingetragenen Marken.

BGH, Beschl. v. 10. November 1999 - I ZB 13/97 - Bundespatentgericht


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

I ZB 13/97

Verkündet am: 10. November 1999

Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung L 33 394/5 Wz

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Starck, Dr. Bornkamm und Dr. Büscher beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 24. Februar 1997 an Verkündungs Statt zugestellten Beschluß des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Widersprechenden zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Anmelderin begehrt mit ihrer am 4. April 1990 eingereichten Anmeldung Schutz für das Wortzeichen

"ETOP"

(derzeit noch) für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich verschreibungspflichtige Antirheumatika".

Der Eintragung der gemäß § 5 Abs. 1 und 2 WZG bekanntgemachten Anmeldung hat die Widersprechende, gestützt auf die Marke Nr. 1 151 537 "Ketof", eingetragen für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Antihistaminika und Antirheumatika" und die Marke Nr. 1 156 330 "Ketof", eingetragen für "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Antihistaminika", widersprochen.

Die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts hat in einem ersten Beschluß die Übereinstimmung der angemeldeten Marke mit den Widerspruchsmarken festgestellt und der angemeldeten Marke die Eintragung versagt. In einem Erinnerungsbeschluß ist dieser Beschluß aufgehoben und sind die Widersprüche zurückgewiesen worden.

Im Verfahren über die hiergegen erhobene Beschwerde der Widersprechenden hat die Anmelderin im Termin zur mündlichen Verhandlung die Benutzung der Widerspruchsmarke Nr. 1 151 537 "Ketof" für andere Waren als "rezeptpflichtige Antihistaminika" bestritten. Die Widersprechende hat eine weitergehende Benutzung der Widerspruchsmarke Nr. 1 151 537 "Ketof" nicht geltend gemacht.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist erfolglos geblieben.

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihre Widersprüche weiter. Die Anmelderin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. Das Bundespatentgericht hat - unter Anwendung des neuen Markenrechts - eine Verwechslungsgefahr i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den Widerspruchsmarken "Ketof" und der angemeldeten Marke "ETOP" verneint. Es hat dazu ausgeführt:

Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei bei beiden Widerspruchsmarken von dem Warenbegriff "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich rezeptpflichtige Antihistaminika" auszugehen. Die Marke Nr. 1 156 330 sei nur für diese Waren im Register eingetragen und für die Marke Nr. 1 151 537, die u.a. für diese Waren eingetragen sei, habe die Anmelderin eine weitergehende Benutzung in der mündlichen Verhandlung wirksam bestritten.

Die Nichtbenutzungseinrede sei, obwohl an sich die Präklusionsvorschriften der Zivilprozeßordnung auch im Widerspruchsverfahren anzuwenden seien, nicht zurückzuweisen. Die Vorschriften der §§ 523, 282 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO seien entsprechend heranzuziehen, weil die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke Nr. 1 151 537 bei Bekanntmachung der angemeldeten Marke noch nicht abgelaufen gewesen sei und ihre Benutzung erstmalig aufgrund der neuen Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG und somit zu einer Zeit, als das Verfahren bereits beim Bundespatentgericht anhängig gewesen sei, bestritten werden konnte. Die heranzuziehenden Vorschriften stellten auf eine Verfahrensverzögerung und auf grobe Nachlässigkeit ab. Im Streitfall komme eine Verfahrensverzögerung nicht in Betracht, denn die in der mündlichen Verhandlung vertretene Widersprechende habe eine Benutzung für die bestrittenen Antirheumatika nicht geltend gemacht.

Demnach stünden sich auf der Warenseite die pharmazeutischen Erzeugnisse "verschreibungspflichtige Antirheumatika" und "rezeptpflichtige Antihistaminika" gegenüber. Diese seien zwar ohne weiteres als untereinander ähnlich anzusehen, angesichts der gegebenen Verschreibungspflicht sei jedoch die deutliche Indikationsverschiedenheit von Bedeutung; es seien deshalb nämlich überwiegend Ärzte und Apotheker als Fachkreise angesprochen, die aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln und Arzneimittelkennzeichnungen besonders sorgfältig seien.

Den Widerspruchsmarken sei trotz ihrer Anlehnung an mehrere den Bestandteil "Keto-" und den Buchstaben "f" enthaltende INN durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzuerkennen.

Unter Berücksichtigung aller Umstände seien keine strengen Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Die klanglichen, schriftbildlichen und begrifflichen Unterschiede zwischen den Widerspruchsmarken "Ketof" und der angemeldeten Marke "ETOP" reichten danach aus, um die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen hinreichend sicher auszuschließen.

III. Die Rechtsbeschwerde bleibt erfolglos.

1. Sie ist infolge ihrer Zulassung statthaft (§ 83 Abs. 1 MarkenG) und auch im übrigen zulässig.

Zwar hat das Bundespatentgericht im Ausspruch der Zulassung ausdrücklich angeführt, daß die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Frage zugelassen werde, unter welchen Voraussetzungen eine erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene Nichtbenutzungseinrede nach den zivilprozessualen Präklusionsvorschriften zu beurteilen ist. In der Begründung hat es dazu weiter ausgeführt, die Beschränkung der Zulassung erfolge, weil nur die Frage der Anwendung der zivilprozessualen Präklusionsvorschriften auf eine erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene markenrechtliche Nichtbenutzungseinrede (§ 43 Abs. 1 MarkenG) einschließlich einer Auswirkung der Abwesenheit der Widersprechenden von grundsätzlicher Bedeutung sei und insoweit auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordere. Hinsichtlich der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke und den Widerspruchsmarken sei ein Zulassungsgrund nicht ersichtlich. Hierin kann im Ergebnis keine zulässige Beschränkung der Zulassung gesehen werden.

Allerdings ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Beschränkung der Zulassung auf bestimmte abgrenzbare Verfahrensteile oder zugunsten einer durch die bestimmte Beantwortung einer Rechtsfrage allein beschwerten Partei möglich, wenn sie ausdrücklich und unzweideutig entweder im Ausspruch der Zulassung selbst oder in dessen Begründung ausgesprochen worden ist (BGH, Beschl. v. 28.4.1994 - I ZB 5/92, GRUR 1994, 730 = WRP 1994, 747 - VALUE; Beschl. v. 16.6.1993 - I ZB 14/91, GRUR 1993, 969, 970 - Indorektal II, insoweit in BGHZ 123, 30 nicht abgedruckt, jeweils m.w.N.). Eine solche Beschränkung liegt im Streitfall nicht vor, so daß von einer unbeschränkten Zulassung auszugehen ist.

Soweit das Bundespatentgericht die von ihm als Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeführte und von der Rechtsbeschwerdeführerin zur Nachprüfung gestellte Frage bejaht hat, ob die zivilprozessualen Präklusionsvorschriften der §§ 523, 282 Abs. 2, § 296 Abs. 2 ZPO auf eine erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobene markenrechtliche Nichtbenutzungseinrede anwendbar sind, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - I ZB 9/96, GRUR 1998, 938, 939 = WRP 1998, 993 - DRAGON).

2. Die Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet.

Das Bundespatentgericht hat unter Anwendung des Markengesetzes (§§ 152, 158 Abs. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) eine Verwechslungsgefahr der angemeldeten Marke mit den Widerspruchsmarken "Ketof" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneint. Die hiergegen erhobenen Rügen der Rechtsbeschwerde erweisen sich als nicht durchgreifend.

Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, ist das Bundespatentgericht in nicht zu beanstandender Weise von einer Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen. Danach kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (BGH, Beschl. v. 6.5.1999 - I ZB 54/96, GRUR 1999, 995, 997 = WRP 1999, 936 - HONKA, m.w.N.).

a) Bezüglich der Waren hat das Bundespatentgericht zwar eine Ähnlichkeit angenommen, ist jedoch von einer deutlichen Indikationsverschiedenheit ausgegangen. Das kann im Ergebnis nicht beanstandet werden.

Das Bundespatentgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Rechtsbeschwerde unbeanstandet von dem sich aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erhobenen Nichtbenutzungseinrede ergebenden unstreitigen Sachverhalt ausgegangen, daß die Widerspruchsmarke Nr. 1 151 537 nur für "rezeptpflichtige Antihistaminika" benutzt worden ist und deshalb nur diese Ware der Prüfung der Verwechslungsgefahr zugrunde gelegt werden kann (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme einer deutlichen Indikationsverschiedenheit der sich gegenüberstehenden Waren.

Das Bundespatentgericht ist bei seiner Beurteilung davon ausgegangen, daß angesichts der zugrundezulegenden Verschreibungspflicht der einander gegenüberstehenden Waren von einer besonderen Sorgfalt der in erster Linie angesprochenen Ärzte und Apotheker auszugehen ist. Das kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 10.4.1997 - I ZR 65/92, GRUR 1997, 629, 632 = WRP 1997, 742 - Sermion II; Urt. v. 29.10.1998 - I ZR 125/96, GRUR 1999, 587, 589 = WRP 1999, 530 - Cefallone, jeweils m.w.N.) kommt es bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln überwiegend auf die Auffassung der verordnenden Ärzte an, die eigenverantwortlich die Auswahl des Arzneimittels treffen, und deren übliche Sorgfalt beim Umgang mit derartigen Präparaten. Soweit sich die Rechtsbeschwerde darauf bezieht, daß bei der Beurteilung von Arzneimittelaufmachungen nach der Rechtsprechung des Senats die Auffassung des allgemeinen Verkehrs heranzuziehen ist (BGH GRUR 1997, 629, 632 - Sermion II), kann hieraus für die Frage der Verwechslungsgefahr nichts hergeleitet werden. Beide Fragen haben, wie der Senat ausdrücklich hervorgehoben hat, miteinander nichts zu tun, so daß auch die Beurteilungsgesichtspunkte - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht angeglichen werden können.

Hiervon ausgehend hat das Bundespatentgericht eine deutliche Indikationsverschiedenheit der einander gegenüberstehenden Waren in nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt. Zwar hatte die Widersprechende, worauf sich die Rechtsbeschwerde bezieht, unwidersprochen vorgetragen, daß in der "Roten Liste" im Jahre 1994 fünf Arzneimittel verzeichnet gewesen seien, die sowohl als Antirheumatika als auch als Broncholytika/Antiasthmatika anwendbar sind. Das steht jedoch der Annahme nicht entgegen, daß die maßgeblichen Ärzte und Apotheker die grundsätzlich gegebene Indikationsverschiedenheit erkennen werden. Von einer beachtlichen Warenferne ist das Bundespatentgericht - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht ausgegangen.

b) Gegen die Verneinung einer schriftbildlichen und einer klanglichen Verwechslungsgefahr wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

Soweit sie die tatrichterliche Beurteilung des bildlichen Gesamteindrucks der Widerspruchsmarken und der angemeldeten Marke in Zweifel zieht, kann sie mit ihrer eigenen von derjenigen des Tatrichters abweichenden Beurteilung schon aus Rechtsgründen nicht gehört werden. Anhaltspunkte dafür, daß die Beurteilung des Bundespatentgerichts erfahrungswidrig ist oder den Denkgesetzen widerspricht, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Bei ihrer eigenen Beurteilung vernachlässigt sie auch, daß es - wie vorangehend angeführt - angesichts der in Betracht zu ziehenden Rezeptpflicht der in Frage stehenden Arzneimittel maßgeblich auf die Auffassung der verschreibenden Ärzte, nicht auf die der Endverbraucher ankommt. Soweit die Rechtsbeschwerde einen Vergleich mit der Senatsentscheidung "Indorektal/Indohexal" (Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 114/84, GRUR 1995, 50) anstellt, führt das schon deshalb nicht weiter, weil sie damit einen Rechtsfehler des Bundespatentgerichts nicht aufzeigt.

Auch die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr durch das Bundespatentgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Bei ihrer auf einer Betonung der zu vergleichenden Marken auf der Endsilbe beruhenden Beurteilung vernachlässigt die Rechtsbeschwerde die vom Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei festgestellten klanglichen Unterschiede in den Wortanfängen.

IV. Danach war die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 90 Abs. 2 MarkenG zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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