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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: I ZB 17/99
Rechtsgebiete: MarkenG


Vorschriften:

MarkenG § 39 Abs. 1
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

I ZB 17/99

Verkündet am: 14. März 2002

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung Nr. 395 14 961.4

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2002 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluß des 26. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 5. Mai 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Mit ihrer am 6. April 1995 eingereichten Anmeldung hat die Anmelderin die Eintragung des Zeichens

"C-4 alloy"

(zunächst) für eine Fülle von Waren der Klassen 6, 7 und 9, unter ihnen "unedle Metalle und deren Legierungen", begehrt.

Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Eintragung versagt, weil die angemeldete Buchstaben-Zahlen-Kombination für die beanspruchten Waren eine unmittelbar beschreibende, freihaltungsbedürftige und nicht unterscheidungskräftige Sachangabe sei.

Die hiergegen erhobene Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Mit ihrer (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren unter Änderung des Warenverzeichnisses in "Nickellegierungen, roh oder teilweise bearbeitet, insbesondere in Form von Pulvern, Stangen, Drähten (nicht für elektrische Zwecke), Blechen, Platten und Rohren", weiter.

II. Das Bundespatentgericht hat sich in vollem Umfang auf die am selben Tag ergangene Entscheidung in der Sache 26 W (pat) 1/99 betreffend das Zeichen "B-2 alloy" der Anmelderin bezogen. Dort hat es dem angemeldeten Zeichen jede Unterscheidungskraft abgesprochen und deshalb die Eintragung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Dazu hat es ausgeführt:

Die erforderliche Unterscheidungskraft fehle einer angemeldeten Bezeichnung insbesondere, wenn ihr für den Verkehr allgemein verständlicher Sinngehalt ihre Eignung zur betrieblichen Herkunftsfunktion ausschließe. Maßgebliche Bedeutung komme dabei den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Warengebiet zu. Auf dem vorliegend zugrunde zu legenden Warengebiet der unterschiedlichsten Metalle und Metallegierungen sowie daraus hergestellter Maschinenteile, Werkzeugmaschinen usw. sei eine Bezeichnung von bestimmten Eigenschaften mittels einer Aufeinanderfolge von Buchstaben und Zahlen üblich, wobei den einzelnen Komponenten genau festgelegte und definierte Eigenschaften zukämen.

Danach werde die Buchstaben-Zahlen-Kombination "B-2" auf dem vorliegenden Warengebiet lediglich als beschreibender Sachhinweis verstanden, nicht jedoch als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen. Vielmehr sei der angesprochene Verkehrskreis auf diesem speziellen Warengebiet so sehr daran gewöhnt, daß solche Buchstaben-Zahlen-Zusammenstellungen eine beschreibende Aussagekraft hätten, daß er angesichts der Üblichkeit und Häufigkeit solcher Hinweise auch einer ihm im Einzelfall möglicherweise unbekannten Buchstaben-Zahlen-Kombination keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern eine ihm nicht sofort geläufige beschreibende Aussage entnehmen werde.

Auch die Hinzufügung des englischsprachigen Begriffs "alloy" vermöge die Schutzfähigkeit der gesamten Bezeichnung nicht zu begründen. Das englische Wort "alloy" bedeute im Deutschen soviel wie "Legierung". In dieser Bedeutung stelle es ebenfalls lediglich einen warenbeschreibenden Sachhinweis dar, da die so bezeichneten, mit der Anmeldung beanspruchten Waren Legierungen aus den unterschiedlichsten Metallen sein könnten, die dem jeweiligen Bedarf angepaßt würden und dementsprechend auch die unterschiedlichsten Eigenschaften aufwiesen. In dieser Bedeutung werde "alloy" auch von den hier angesprochenen Fachverkehrskreisen ohne weiteres verstanden, da die englische Sprache zum einen eine bedeutende Welthandelssprache und zum anderen der internationale Handel auf dem vorliegenden Warengebiet bedeutsam sei. Durch die Anfügung des ohne weiteres erkennbar beschreibenden Wortes "alloy" an die Buchstaben-Zahlen-Kombination "B-2" entstehe bei dem angesprochenen Verkehrskreis wegen der Üblichkeit solcher beschreibender Bezeichnungen auf dem vorliegenden Warensektor der Eindruck, daß der Zeichenbestandteil "B-2" das Wort "alloy" näher beschreibe, die Ware also aus einer bestimmten Legierung bestehe.

Werde der angemeldeten Bezeichnung damit von dem angesprochenen Verkehr ohne weiteres ein beschreibender Inhalt unterstellt, der zwar möglicherweise nicht in seinen Einzelheiten erfaßt, aber dennoch angesichts der Übung auf dem vorliegenden Warengebiet vermutet werde, dann sei das Zeichen nicht geeignet, auf ein bestimmtes Unternehmen herkunftskennzeichnend hinzuweisen. Dies gelte selbst unter Berücksichtigung des Fachwissens der beteiligten Verkehrskreise.

III. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Der angefochtene Beschluß ist - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Anmelderin nach der Entscheidung des Bundespatentgerichts das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen eingeschränkt hat.

Eine solche - nach § 39 Abs. 1 MarkenG "jederzeit" zulässige - Änderung des Warenverzeichnisses ist als Änderung der Verfahrensgrundlage in jeder Lage des Eintragungsverfahrens, auch noch in Rechtsmittelverfahren (vgl. Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 39 Rdn. 3), zu beachten. Insoweit gilt nichts anderes als bei einer Teillöschung einer Marke, die nach Abschluß der Tatsacheninstanz aufgrund einer Einschränkung des Warenverzeichnisses vorgenommen wird (BGH, Beschl. v. 13.3.1997 - I ZB 4/95, GRUR 1997, 634 - Turbo II). In derartigen Fällen muß die angefochtene Entscheidung allerdings grundsätzlich aufgehoben und die Sache ohne weitere Sachprüfung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen werden (§ 89 Abs. 4 MarkenG). Dies hat seinen Grund darin, daß die Marke in ihrem nach der Schutzbeschränkung geltenden Umfang nicht Gegenstand der Feststellungen des Bundespatentgerichts gewesen ist (§ 89 Abs. 2 MarkenG). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Erwägungen des Bundespatentgerichts die Marke auch in dem Umfang erfassen, wie er sich durch die Einschränkung des Warenverzeichnisses ergeben hat, und wenn die Verfahrensbeteiligten bereits hinreichend Gelegenheit hatten, die ihnen maßgeblich erscheinenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte vorzutragen. In einem solchen Fall kommt auch eine - gegebenenfalls sogar abschließende - Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in Betracht (BGH GRUR 1997, 634 - Turbo II).

Im Streitfall ist dem Senat eine Sachprüfung möglich. Die Änderung des Warenverzeichnisses bestand unzweifelhaft in einer bloßen Beschränkung der in Anspruch genommenen Waren. Der Warenoberbegriff "Unedle Metalle und deren Legierungen" wurde durch den Begriff "Nickellegierungen", der unter den ursprünglichen Oberbegriff fällt, ersetzt; zahlreiche Waren des Warenverzeichnisses wurden ersatzlos gestrichen. Zudem beruht die Begründung, mit der das Bundespatentgericht die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen hat, auf Feststellungen zu den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem gesamten von dem ursprünglichen Warenverzeichnis erfaßten Warengebiet und bezieht sich demnach auch auf die Waren des nunmehr geltenden Warenverzeichnisses.

2. Das Bundespatentgericht hat - im Wege der Verweisung - angenommen, der angemeldeten Marke fehle die Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, das heißt jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 5.7.2001 - I ZB 8/99, GRUR 2002, 261, 262 = WRP 2002, 91 - AC). Unterscheidungskraft in diesem Sinne ist gegeben, wenn einer Marke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschl. v. 22.9.1999 - I ZB 19/97, GRUR 2000, 231, 232 = WRP 2000, 95 - FÜNFER; Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 34/98, GRUR 2001, 735, 736 = WRP 2001, 692 - Test it.; GRUR 2002, 261, 262 - AC, jeweils m.w.N.; vgl. auch EuGH GRUR 2001, 1145 Tz. 40, 42 = WRP 2001, 1276 - Baby-dry). Diese (konkrete) Unterscheidungskraft kann der angemeldeten Marke für die in Betracht zu ziehenden Waren mit der angeführten Begründung nicht abgesprochen werden.

b) Einen im vorgenannten Sinn beschreibenden Begriffsinhalt der angemeldeten Bezeichnung für die in Frage stehenden Waren hat das Bundespatentgericht nicht festgestellt. Es hat lediglich Ausführungen dazu gemacht, daß der Großbuchstabe "B" nach bestimmten DIN-Normen für "Behandeln auf verbesserte Bearbeitbarkeit" bzw. "beste Bearbeitbarkeit" und die Ziffer "2" für "Streckgrenze" und "Falt-, Stauchversuch" stehe. Diese Vorgehensweise begegnet bereits methodischen Bedenken, denn Gegenstand der Beurteilung muß grundsätzlich allein die Marke in ihrer - vollständigen - angemeldeten Form sein (BGH, Beschl. v. 19.1.1995 - I ZB 20/92, GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; vgl. auch EuGH GRUR 2001, 1145, 1147 Tz. 39 - Baby-dry).

Die Erwägung des Bundespatentgerichts, dem angemeldeten Zeichen werde von dem angesprochenen Verkehr ohne weiteres ein beschreibender Inhalt unterstellt, der zwar nicht in seinen Einzelheiten erfaßt, aber dennoch angesichts der Übung auf dem in Frage stehenden Warengebiet vermutet werde, trägt die Verneinung der Unterscheidungskraft nicht. Das Bundespatentgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß sich die in Anspruch genommenen Waren an Fachkreise wenden, nämlich an Personen, die mit diesen Waren im Einkauf oder in der Produktion in irgendeiner Weise in Berührung kommen. Es mag im Einzelfall auch sein, daß selbst solche Fachkreise einer ihnen nicht geläufigen Bezeichnung einen beschreibenden Inhalt unterstellen, der ihnen lediglich (noch) unbekannt sei. Eine solche Annahme muß jedoch durch besondere tatsächliche Umstände begründet werden, etwa damit, daß die dem Verkehr konkret nicht bekannte Bezeichnung in einer Weise gebildet ist, die den Bezeichnungsgewohnheiten auf dem betreffenden Warengebiet entspricht. Feststellungen dieser Art hat das Bundespatentgericht, wie die Rechtsbeschwerde mit Erfolg rügt, nicht getroffen. Es hat insbesondere nicht geprüft, ob die angemeldete Buchstaben-Zahlen-Kombination irgendwelche Ähnlichkeiten oder strukturelle Gemeinsamkeiten mit den aus den DIN-Normen für Legierungen entnehmbaren Bezeichnungssystemen für Metallegierungen aufweist. Die hierzu von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Materialien, die sich insbesondere auch auf Nickellegierungen beziehen, lassen derartige Gemeinsamkeiten nicht erkennen, so daß die Annahme des Bundespatentgerichts, die Fachverkehrskreise unterstellten der angemeldeten Bezeichnung einen beschreibenden Inhalt, mit der allgemeinen Lebenserfahrung nicht im Einklang steht. Bei Fachkreisen ist nämlich - wenn schon nicht von der genauen Kenntnis der einschlägigen Fachbegriffe - so doch von der Kenntnis derjenigen Umstände und Tatsachen, etwa bestimmten Bezeichnungsgewohnheiten, auszugehen, die für die Bildung von Fachbegriffen Bedeutung haben.

Feststellungen dazu, daß die angesprochenen Fachkreise der angemeldeten Bezeichnung sonst irgendeinen begrifflichen Inhalt entnehmen könnten, hat das Bundespatentgericht nicht getroffen.

IV. Danach war der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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